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Atomkraft bleibt Teil des EU-Energiemixes

7. September 2009

Wenn es um Energiesicherheit in der Europäischen Union geht, wird kaum ein Thema so heiß diskutiert wie die Atomkraft. Zu gefährlich und teuer sagen die einen - klimafreundlich und rentabel sagen die anderen.

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Bau des finnischen Atomkraftwerks Olkiluoto 3 (Foto: dpa)
Bau des finnischen Atomkraftwerks Olkiluoto 3Bild: picture-alliance/ dpa

Im Westen Finnlands gibt es einen kleinen Ort namens Eurajoki, der das Herz eines jeden Atomkraft-Lobbyisten höher schlagen lässt. Auf der vorgelagerten Insel Olkiluoto laufen bereits zwei Reaktoren, die Fertigstellung eines dritten Reaktors verzögert sich jedoch.

Der Bürgermeister hat kein Problem damit, dass gleich nebenan auch noch ein atomares Endlager in den Fels gehauen wird. Im Gegenteil, Harri Hiitio freute sich sogar darüber, als Eurajoki den Zuschlag bekam: "Wenn wir das Endlager hier haben, können wir auch mehr Atomkraftwerke bauen." Von Russland wolle man sich bei der Energieversorgung nicht abhängig machen.

EU strebt größtmögliche Unabhängigkeit an

Möglichst unabhängig von Energie-Importen wollen auch alle anderen EU-Staaten sein. Heute ist Atomstrom auch seitens der EU-Kommission ein selbstverständlicher Teil des Energiemixes. Laut dem konservativen CDU-Europaabgeordneten Herbert Reul, der den einflussreichen Energieausschuss leitet, durchaus zu Recht: "Günstige Energie, zu umweltfreundlichen Bedingungen, ohne abhängig zu sein von anderen – das gibt es selten."

Herbert Reul, MdEP (Foto: Büro Herbert Reul, MdEP)
Herbert Reul, MdEPBild: Büro Herbert Reul MdEP

Die Atomkraftbefürworter führen den Klimaschutz als Vorteil an: Die Reaktoren belasten die Umwelt nicht durch den Ausstoß von Kohlendioxid. Den einzelnen Mitgliedsstaaten bleibt es selbst überlassen, wie sie die Energieversorgung regeln. Allerdings soll im Jahr 2020 ein gutes Drittel des Stroms in der Europäischen Union aus erneuerbaren Energien stammen.

Vorkämpfer Frankreich, Osteuropäer schmieden Pläne

Insbesondere Frankreich setzt in seit Jahren fast vollständig Atomkraft. Zuletzt hat Schweden den Ausstieg aus der Atomkraft wieder rückgängig gemacht. Neue EU-Mitglieder im Osten Europas, wie Polen, Slowenien oder das Baltikum interessieren sich seit der Gaskrise im vergangenen Winter (2008/2009) verstärkt für den atomaren Strom.

Bulgariens einziges Atomkraftwerk Koslodui (Foto: AP)
Bulgariens einziges Atomkraftwerk KosloduiBild: AP

Doch Pläne der Slowakei und Bulgariens, Reaktoren nach Sowjet-Bauart aus der Zeit vor der politischen Wende wieder hochzufahren, sorgten für Kritik auch aus dem konservativen Lager um Herbert Reul: "Für die Kernenergie wird man nur dann Zustimmung bekommen, wenn man den Nachweis führt, dass für die Sicherheit alles Menschenmögliche getan wird."

Österreich beispielhaft ohne Atomkraft

Ulrike Lunacek, MdEP (Foto: AP)
Ulrike Lunacek, MdEPBild: AP

Tatsächlich ist im Durchschnitt der EU-Bevölkerung die Stimmung längst nicht mehr so ablehnend wie noch vor einigen Jahren. Im Jahr 2008 sprachen sich knapp die Hälfte der EU-Bürger für die Nutzung von Kernenergie aus.

Für Ulrike Lunacek, Abgeordnete der Grünen im Europaparlament, ist dieses Phänomen leicht erklärt: "Die Atomlobby, die massiv auch Geld investiert, arbeitet mit der Angst der Bevölkerung, dass irgendwann das Licht ausgeht", kritisiert die Österreicherin, deren Land seit einer Volksabstimmung vor 30 Jahren ohne Atomkraftwerke auskommt.

Für die Atomkraftgegner sind neben hohen Kosten für Reaktor-Neubauten vor allem die Sorge um Störfälle und das ungeklärte Problem der sicheren Endlagerung Argumente für den Komplettausstieg der EU aus der Atomkraft.

Bessere Kontrolle und Regulierung

Vor wenigen Wochen haben die EU-Umweltminister ein Gesetz beschlossen, das die Regeln der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zur nuklearen Sicherheit übernimmt. Bessere Kontrolle und Regulierung ist das Ziel.

IAEA in Wien (Foto: AP)
IAEA in WienBild: AP

Bisher wurden die IAEA-Regelungen in Europa bereits freiwillig umgesetzt, nun sind sie verbindlich für alle 27 EU-Staaten, betont der der Vorsitzende des Industrieausschusses im Europäischen Parlament. Der konservative Atomkraftbefürworter Herbert Reul, spricht von einem "Riesenfortschritt, gerade was die osteuropäischen alten Anlagen angeht."

Kritikern geht dieser Fortschritt jedoch nicht weit genug. Einen kleinen Trost gibt es für die europäischen Atomkraftgegner: 1989 waren auf dem Gebiet der heutigen 27 EU-Staaten noch 177 Reaktoren in Betrieb, heute sind es nur noch 144.

Der EURATOM-Vertrag zur friedlichen Nutzung der Kernenergie hat als Teil der Römischen Verträge von 1957 mit den Grundstein zur Europäischen Union gelegt.

Autor: Susanne Henn
Redaktion: Heidi Engels