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Comeback der Atomkraft

Manfred Götzke8. Juli 2008

Atomkraft - ja bitte: Der Strom aus dem Atom gilt weltweit als Allheilmittel gegen Klimawandel und Ölpreisschock. Deutschlands Atomausstieg ist dagegen kaum noch vermittelbar, wie sich auf dem G8-Gipfel gezeigt hat.

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Das britische AKW Sellafield (Archiv, Quelle: AP)
In Großbritannien sollen 20 neue AKWs ans Netz - das erste schon 2018Bild: AP

Frankreich plant eins, die USA planen elf, China sogar 24 neue Atomkraftwerke. Während in Deutschland die verbliebenen 17 Reaktoren bis 2021 laut Atomausstiegsgesetz abgeschaltet werden sollen, erlebt die Atomenergie beim Rest der Welt ein unerwartetes Comeback.

Da die Energiepreise explodieren, lohnen sich Investitionen in neue Reaktoren wieder. Auch für das Klimaproblem scheint die Atomkraft eine saubere Lösung zu bieten: Bei einer Kilowattstunde Atomstrom entstehen 32 Gramm CO2 - selbst das modernste Gaskraftwerk stößt mehr als zehn Mal so viel aus. Werte, die die Atomkraftbefürworter weltweit beflügeln. In einer aufwändigen Werbekampagne präsentiert sich die deutsche Atomlobby als die "ungeliebten Klimaschützer" und rechnet wie Bernd Artz vom Atomforum vor: "Die Kernenergie vermeidet Jahr für Jahr knapp 150 Millionen CO2. Das ist so viel, wie der gesamte Autoverkehr in Deutschland emittiert."

Verlängern und ausbauen

Das schwedische AKW Forsmark 1 (Archiv, Quelle: DPA)
Schweden will seine Kraftwerke ausbauen - vor kurzem zählte es noch zu den "Ausstiegsländern"Bild: picture-alliance/ dpa

Argumente, die atomkritische Länder wie Schweden dazu bewegen, alte Meiler kräftig auszubauen. Andere Länder wie Japan, Frankreich oder die Niederlande haben die Laufzeiten von 40 auf bis zu 60 Jahre heraufgesetzt oder erwägen, das zu tun.

Verlängern und ausbauen - eine Strategie, die energiehungrigen Ländern wie den USA nicht reicht. In dem Land mit den weltweit meisten Atomkraftwerken, sind elf zusätzliche Reaktoren in der Planungsphase. Der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain will sogar 45 neue Kraftwerke bauen. Ähnlich sieht das Partner Großbritannien. Mindestens 20 neue Meiler sollen dort ans Netz, der erste schon 2018, so Premier Gordon Brown. "Wohin sie schauen, China, Indien und viele Länder in Europa - überall werden neue Atomkraftwerke geplant oder alte Meiler ersetzt. Auch wir sind überzeugt, dass wir unsere Reaktoren ersetzen müssen und treiben diese Pläne voran."

Selbst Russland setzt auf Atomkraft

Da die neuen Wirtschaftsgiganten Indien und China ihren Energiehunger bei weitem nicht mit eigenen Ressourcen stillen können, setzen auch sie auf die Kraft aus dem Atom. China will die Zahl der Reaktoren von 11 auf 40 erhöhen. Und selbst Russland - obwohl reich an Öl und Gas - will 35 neue Meiler bauen.

Doch ob all die geplanten Kraftwerke tatsächlich gebaut werden ist fraglich. In den Statistiken werden auch Kraftwerke als "im Bau" geführt, die - wie im Iran - vor vielen Jahren begonnen wurden und deren Fertigstellung nicht absehbar ist. Außerdem gibt es weltweit nur eine handvoll Großkonzerne, die Kraftwerke bauen können - und die sind über Jahre hin ausgebucht.

Kein atomarer Klimawandel

Und selbst wenn alle geplanten Meiler irgendwann am Netz sind - das Klimaproblem ist so nicht annähernd zu lösen, sagt jedenfalls Torben Becker von der Naturschutzorganisation BUND. Die Atomkraft decke zurzeit lediglich knapp drei Prozent des Energieverbrauchs ab. "Das zeigt, dass die Rolle einfach sehr klein ist. Wenn wir mehr machen wollten müssten wir ein aberwitziges Ausbauprogramm fahren, in der Größenordnung bis zu 1000 Atomkraftwerke - was weder technisch, wirtschaftlich noch von der politischen Durchsetzbarkeit möglich ist."

Seit 2003 vom Netz: Das AKW Stade (Archiv, Quelle: AP)
Seit 2003 vom Netz: Das AKW StadeBild: AP

Dennoch - in Deutschland wird es die SPD – die den Atomausstieg vor acht Jahren beschlossen hat - schwer haben, am kategorischen Nein zur Atomkraft festzuhalten. Denn der Druck auch aus dem Inland wächst: Laut Umfragen sind zurzeit 44 Prozent der Bürger gegen den Atomausstieg, so viele wie seit langem nicht mehr. Dass zumindest die bestehenden Kraftwerke länger laufen werden als geplant, wird immer wahrscheinlicher.