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Dauerkrisen überschatten AU-Gipfel

Ludger Schadomsky29. Januar 2016

Das Gipfeltreffen der Afrikanischen Union wird von Dauerkrisen überschattet. Entscheidungen stehen an: Wird es eine Friedenstruppe für Burundi geben? Und wie dreht sich das Personalkarussel der AU weiter?

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Burundi Sicherheitskräfte Soldaten
Bild: Getty Images/S. Platt

Das diesjährige Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) liefert eine echte Premiere: Zum ersten Mal in der Geschichte der Organisation sind die Vertreter aufgerufen, eine Friedenstruppe gegen den ausdrücklichen Willen der betroffenen Regierung - in diesem Falle Burundi - zu mandatieren. Diese Entscheidung ist durch den Artikel 4h der AU-Charta ausdrücklich erlaubt. Bei der Abstimmung am Wochenende bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit um die sogenannte 'MAPROBU-Mission' zu beauftragen. Damit wäre jedoch noch nicht geklärt, welche Länder tatsächlich bereit wären, Soldaten zu stellen.

In der vergangenen Woche war eine Delegation des UN-Sicherheitsrates nach Burundi gereist. Sie sollte der Regierung von Präsident Pierre Nkurunziza die Zustimmung zu der 5000-Mann starken Mission abringen. Die Krise in dem Land war ausgelöst worden, nachdem Nkurunziza sich über die Verfassung hinweggesetzt und ein drittes Mal für das Präsidentenamit kandidiert hatte. Die Proteste waren in bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen gemündet und haben mehr als 400 Menschen das Leben gekostet. Mehr als 230.000 Flüchtlinge sind in die umliegenden Länder geflohen. Burundis Regierung sieht in der 'MAPROBU' eine "Invasionstruppe” und lehnt die Mission ab.

"Wir müssen mit dieser Interventionstruppe versuchen, das Land zu stabilisieren“, hält der Kommissar für Frieden und Sicherheit der AU, Smail Chergui, dagegen. "Wir müssen die Rahmenbedingungen für einen gemeinsamen Dialog schaffen, damit alle Fragen besprochen werden können. Ansonsten könnte das Land entgleiten."

Die AU-Vorlage sieht zunächst vor, dass bis zu 100 Militär- und Menschenrechts-Beobachter in das Land geschickt werden. Sie sollen an der volatilen Grenze zu Ruanda stationiert werden könnten. "Die (burundische, Anm. der Red.) Regierung weiß, worum es geht: Um eine Stabilisierung, die Entwaffnung der bewaffneten Milizen und um eine Kontrolle der Waffen, die im Umlauf sind", so Chergui.

Der äthiopische Sicherheitsanalyst Hallelujah Lulie geht davon aus, dass beide Seiten einen Kompromiss aushandeln werden. "Sie werden eine Übereinkunft treffen, die dann in die Entscheidung des Friedens- und Sicherheitsrats der AU zur Umsetzung kommt", so der Sicherheitsexperte im Gespräch mit der DW.

Unterzeichnung Friedensabkommen Südusan in 2015, Foto: DW/Getachew Tedla Hailegiorgis
Kaum unterschrieben - schon gebrochen: Das 2015 geschlossene Friedensabkommen ist de facto überflüssigBild: DW/G. T. Hailegiorgis

Südsudan und kein Ende

Das zweite bestimmende Thema auf dem ersten Gipfeltreffen im afrikanischen Superwahljahr 2016 wird die Dauerkrise im Südsudan sein. Südsudans Präsident Salva Kiir habe im Alleingang und Absprache mit der Opposition oder der Vermittlerorganisation IGAD die Zahl der Bundesstaaten von 10 auf 28 erhöht und Gouverneure ernannt, erläutert AU-Beobachter Lulie. "Diese unilaterale Handlung ist jetzt das größte Hindernis auf dem Weg zur Umsetzung des Friedensvertrages."

Auch der islamistische Terror in Afrika wird verstärkt in den Fokus rücken. Jüngste Anschläge und Geiselnahmen in Mali und Burkina Faso haben die Dringlichkeit einer wenn auch nicht kontinentalen, dann doch zumindest regionalen Strategie erhöht.

Flüchtlinge? Welche Flüchtlinge?

Ob die Flüchtlingskrise offiziell eine Rolle spielen wird oder doch nur auf den Korridoren des Glaspalastes in Addis Abeba zur Sprache kommen wird, ist noch nicht klar. Bislang haben sowohl die AU als auch die afrikanischen Regierung das Thema konsequent tot geschwiegen - auch wenn man sich offiziell zur Zusammenarbeit mit den Europäern unter anderem zur Bekämpfung des Schleuserunwesens verpflichtet hat.

Neben den Sachthemen werden in Addis auch Personalien diskutiert. Alle 15 Posten im wichtigen Friedens- und Sicherheitsrat werden neu besetzt. Gastgeber Äthiopiens Platz im Gremium scheint dauerhaft reserviert als Vertreter Ostafrikas. Für den Süden werden wohl Botsuana, Mosambik und Schwergewicht Südafrika antreten.

Deutschlands Kanzlerin Merkel und Dlamini-Zuma beim EU-Afrika-Flüchtlingsgipfel, Foto: Getty Images/AFP/S. De Sakutin
Skeptisch: Deutschlands Kanzlerin Merkel und Dlamini-Zuma beim EU-Afrika-Flüchtlingsgipfel in Malta 2015. Die Südafrikanerin hat ohnehin andere ZukunftspläneBild: Getty Images/AFP/S. De Sakutin

Krisen, Kriege und Kommissionsvorsitzende

Der Gipfel ist aber vor allem Schaulaufen für die anstehende Neuwahl des Kommissionsvorsitzes. Inhaberin Nkosazana Dlamini-Zuma, deren Amtszeit 2016 ausläuft, hegt Ambitionen auf das Präsidentenamt in ihrer Heimat Südafrika. Es gilt als sicher, dass sie nicht erneut für den Vorsitz antreten wird. Als aussichtsreicher Kandidat gilt der algerische Außenminister Ramtane Lamamra. Er war zwischen 2007 und 2013 bereits Vorsitzender des Sicherheitsrates. Mit ihm könnte zum ersten Mal ein Nordafrikaner die AU-Kommission anführen.

Als möglicher Nachfolger im Amt des AU-Präsidenten wird nach einer überraschend unspektakulären Amtszeit von Simbabwes 'Dinosaurier' Robert Mugabe der Tschader Idriss Déby gehandelt, der als Zentralafrikaner gemäß dem regionalen Rotationsprinzip auch gute Chancen besäße. Zudem ist er ein strategischer Partner im Kampf gegen die Terrorgruppe Boko Haram in Nord-Nigeria. Allerdings sind nicht alle Nachbarn des Tschads glücklich über die forsche Interventionspolitik des seit 1990 regierenden Autokraten Déby - von Menschenrechtsgruppen ganz zu schweigen.

"Mit Besorgnis verfolgen wir, dass Déby als aussichtsreichster Kandidat für den AU-Vorsitz gilt", sagt dazu der Afrika-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius. "Seine Wahl wäre kein überzeugendes Zeichen für mehr Menschenrechtsengagement der AU." Auch die Gipfel-Teilnahme des sudanesischen Präsidenten Omar Hassan Al-Bashir, der per internationalem Haftbefehl gesucht wird, werfe kein gutes Licht auf die AU, so Delius.

Mitarbeit: Getachew Tedla Hailegiorgis, Addis Abeba