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Auch in Berlin NSU-Akten geschreddert?

7. November 2012

Noch vor wenigen Monaten hat der Berliner Verfassungsschutz Akten im Zusammenhang mit der Neonazi-Mordserie vernichten lassen. Innensenator Henkel musste eine weitere Panne einräumen. Für die Opposition ein Skandal.

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Aktenregal zwei © Alfred Knapp #12724279
Symbolbild AktenregalBild: Alfred Knapp - Fotolia.com

Es war der 29. Juni 2012. Die Aufarbeitung der Affäre um die Mordserie der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle durch Politik, Staatsanwaltschaften und sämtliche Sicherheitsbehörden war noch in vollem Gange, da ließ der Berliner Landesverfassungsschutz die Akten schreddern. Sie hätten möglicherweise auch für den Untersuchungsausschuss des Bundestages über den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) von Interesse sein können.

Dies wurde Korrespondenten von Abgeordneten bestätigt. Der Verfassungsschutz sprach von "einem bedauerlichen Versehen". "Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Akten irgendeinen NSU-Bezug hatten", wandte eine Sprecherin aber ein. Der Vorfall sei nach Bekanntwerden sofort hausintern aufgearbeitet worden. Unter anderem seien mit den Akten befasste Mitarbeiter befragt worden.

Senator Henkel wieder in Erklärungsnot

Innensenator Frank Henkel von der CDU kündigte in der "Berliner Morgenpost" schnelle Aufklärung an: "Selbst wenn es sich offenbar um menschliches Versagen handelt und nach jetzigem Erkenntnisstand kein NSU-Bezug vorliegt, lässt dieser unerfreuliche Vorgang Fragen offen, die jetzt schnell aufgearbeitet werden müssen."

Berlins Innensenator Frank Henkel, CDU (foto:dpa)
Innensenator Henkel: Menschliches VersagenBild: picture-alliance/dpa

Die Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, sagte im Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), bei den Akten habe es sich überwiegend um Material revisionistischer Gruppen wie der "Reichsbürgervereinigung" und um Akten der rechtsextremistischen Band "Landser" gehandelt. Die Akten seien 2009 an den Geheimschutzbeauftragten gegeben worden, damit dieser sie dem Landesarchiv anbieten oder vernichten könne. Die Vernichtung sei nach dem Datenschutzgesetz vorgesehen und verpflichtend.

Opposition verlangt lückenlose Aufklärung

Politiker von Grünen und von der Piratenpartei sprachen von einem Skandal. Sie seien jetzt vom Senat informiert worden. Die Akten sollten nach diesen Angaben ins Landesarchiv, waren aber im Reißwolf gelandet. Notwendig sei jetzt, den gesamten Vorgang zu überprüfen und alle Fakten über den Inhalt der Unterlagen offenzulegen. Der Vorsitzende der Linken-Fraktion, Udo Wolf, meinte, Berlin habe nach dem jüngsten Skandal um einen Informanten des Landeskriminalamts (LKA) nun offensichtlich auch einen Verfassungsschutz-Skandal.

In der Vergangenheit hatte die Aktenvernichtung bei Verfassungsschutzbehörden mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Neben dem Präsidenten des Bundesamtes, Heinz Fromm, mussten auch mehrere Landesamtschefs ihren Posten räumen. Auch Henkel war wegen Ungereimtheiten in der NSU-Affäre unter Druck geraten.

Ein mutmaßlicher NSU-Unterstützer war jahrelang Informant der Berliner Polizei gewesen und hatte ab 2009 dem LKA Hinweise auf den Aufenthaltsort der Neonazi-Mörder im Untergrund geliefert. Henkel wusste davon, wie er eingestand, hatte aber das Parlament und die Bundesanwaltschaft darüber nicht in Kenntnis gesetzt...

SC/wl (dpa, dapd, ARD)