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Auch in Japan sorgt man sich um den Euro

24. Oktober 2011

Bundespräsident Wulff war eigentlich nach Japan gereist, um Solidarität nach der Tsunami- und Atomkatastrophe zu bekunden. Doch bei seinem Besuch kritisiert er die Ungezügeltheit der Finanzmärkte und verteidigt den Euro.

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Präsident Wulff und Kaiser Akihito in Tokio schütteln sich die Hände (Foto: DW/Witting)
Bundespräsident Wulff bei Kaiser Akihito in TokioBild: DW

Das Zeremoniell am Kaiserhof ist streng, kein Schritt ist unbedacht. Nur bei der Ankunft im abgeschirmten Kaiserpalast und beim Auftakt des gemeinsamen Mittagessens mit Kaiser Akihito von Japan darf die Presse dabei sein. Es ist der protokollarisch wichtigste Termin am zweiten Tag (24.10.2011) von Bundespräsident Christian Wulffs Staatsbesuch in Japan.

Steif wirken die Gäste beim Auftakt des Mittagessens im mit knallgrünem Teppich ausgelegten Rensui-Salon. Die Gäste aus Deutschland sind merklich verunsichert durch das strenge Protokoll des Hofamtes. Doch die Gespräche, so versichern Teilnehmer hinterher, fanden in herzlicher Atmosphäre statt.

Mission Solidarität

Wulff beim neuen Premierminister von Japan, Yoshihiko Noda (Foto: dapd)
Wulff beim neuen Premierminister von Japan, Yoshihiko NodaBild: dapd

Bundespräsident Wulff wird in Japan mit offenen Armen aufgenommen. Und er nimmt sich Zeit für die Visite im 150. Jubiläumsjahr der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Sechs Tage verbringt der Bundespräsident in Japan. Es ist die Mission Solidarität. "Wir stehen an der Seite Japans", sagt Wulff immer wieder. Und er spricht von Anteilnahme und Mitgefühl mit dem japanischen Volk. Er besucht Japan nach den Katastrophen vom März 2011, dem verheerenden Tsunami und der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Rund 20.000 Menschen gelten als vermisst oder tot, eine halbe Millionen lebt noch ohne festes Obdach.

Aber auch im fernen Japan holt den Bundespräsidenten die Aktualität aus Europa ein, das Ringen um die Euro-Rettung. Vor Journalisten macht er Werbung für die europäische Währung, verbreitet Optimismus. "Der Euro ist eine Erfolgsgeschichte. Europa wird die Kraft haben, der Krise als Chance zu begegnen."

Kritik an Finanzmärkten

Scharf kritisiert der Bundespräsident die zu weit gehende Liberalisierung der Finanzmärkte. Spekulative Leerverkäufe, Wetten auf fallende Kurse - so etwas sollte es zukünftig nicht mehr geben. Wulff spricht sich auch dafür aus, die Macht der Rating-Agenturen zu beschränken.

In Japan findet die Kritik an freien Finanzmärkten nicht nur Zustimmung. Hier macht man sich außerdem Sorgen um fehlende Gemeinsamkeiten im Euroraum. Koordiniertes Krisenmanagement, das sehe anders aus, sagt der Korrespondent einer führenden Wirtschaftszeitung.

Deutschlands "Mondmission"

Neben der Eurokrise ist der deutsche Ausstieg aus der Kernenergie das wohl wichtigste Thema der Visite des Bundespräsidenten. Keine andere Nation hat so schnell und so umfangreich Konsequenzen aus der Reaktorkatastrophe in Fukushima gezogen wie Deutschland.

TV-Aufnahme aus dem März 2011: Die Katastrophe von Fukushima (Foto: AP)
März 2011: Die Katastrophe von FukushimaBild: AP

Japan will zwar auch schrittweise die hohe Abhängigkeit von der Nuklearenergie reduzieren. Aber so radikal wie in Deutschland, wo spätestens 2022 auch das letzte Kraftwerk vom Netz gehen soll, wird es in Japan nicht gehen. Kernkraft - der Ausstieg - so erklärt der Bundespräsident mehrfach, sei das große Thema der Reise. Den deutschen Ausstieg vergleicht der Bundespräsident mit dem ersten Mann auf dem Mond. "Die Amerikaner haben das geschafft. Wir kriegen den Ausstieg auch hin."

Natürlich sind die japanischen Spezialisten interessiert am Szenario des deutschen Ausstiegs. Aber der Bundespräsident will auch lernen. Zum Beispiel, wie es Japan geschafft hat, in den Monaten nach der Reaktorkatastrophe 15 Prozent des Stromverbrauchs einzusparen.

"Angst"-Termin

Nur auf Nachfrage bekennt Wulff, dass er vor einem Programmpunkt sogar "Angst" habe. Es ist der Besuch in der Tsunami-Katastrophen-Region im Küstenort Toyoma am Dienstag (25.10.2010). Dort will er einige der rund eine halbe Million Menschen besuchen, die alles verloren haben, immer noch in Notunterkünften wohnen. Und eines wolle er dort vermeiden, wie er sagt, den Eindruck des "Katastrophentourismus".

Autor: Volker Witting
Redaktion: Kay-Alexander Scholz