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Auch Zypern braucht den Rettungsschirm

Bernd Riegert26. Juni 2012

Jetzt sind es fünf Länder, die den Rettungsfonds der Euro-Zone zum Überleben benötigen. Nach Spanien stellte Zypern einen Antrag. Keine Überraschung, aber kein guter Start für EU-Präsident Zypern.

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Ein Regenschirm mit EU-Sternen liegt neben einem Rettungsring im Wasser (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nach Spanien hat auch die kleine Mittelmeerinsel Zypern einen Antrag auf Hilfskredite aus dem Rettungsfonds der Euro-Zone gestellt. Zypern wird kurzfristig rund drei bis vier Milliarden Euro brauchen, um seinen Staatshaushalt und marode Banken zu sanieren. Mittelfristig könnte das Hilfspaket zehn Milliarden Euro umfassen, heißt aus Kreisen der EU-Kommission in Brüssel. Die zyprische Regierung hatte wochenlang versucht, andere Geldquellen zu erschließen und auch Russland erneut um einen Kredit gebeten. Die Banken Zyperns, das seit 2008 zur Euro-Zone gehört, haben Griechenland rund 25 Milliarden Euro geliehen. Die zyprischen Banken, die eng mit griechischen Instituten verzahnt sind, kamen zuletzt vor allem durch den Schuldenschnitt in Griechenland im März in Bedrängnis. Der Forderungsverzicht schlägt voll auf die Bilanzen der Banken durch. Die Ratingagenturen schätzen zyprische Staatsanleihen als sehr spekulative Geschäfte ein, deshalb kann sich das Land auf den Kapitalmärkten kein Geld mehr besorgen, um seine Ausgaben zu finanzieren.

Der zyprische Präsident Dimitris Christofias erklärte, sein Land werde sich für die Kredite den Haushaltsauflagen der Euro-Staaten fügen. Anders als Spanien ist Zypern damit ein "Programm-Land", das seine staatliche Haushaltsführung regelmäßig von der sogenannten "Troika" aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) überprüfen lassen muss. Im vergangenen Jahr hatte Russland Zypern einen Kredit von 2,5 Milliarden Euro gewährt. In dem Steuerparadies Zyperns sind viele russische Firmen und arabische Banken beheimatet.

Dimitris Christofias (Foto: AP)
Lässt Kontrolle zu: Staatschef Dimitris ChristofiasBild: AP

EU-Vorsitz am finanziellen Abgrund

Zypern wird turnusgemäß am 1. Juli die wechselnde Ratspräsidentschaft der Europäischen Union von Dänemark übernehmen. Mit der Flucht unter den Rettungsschirm wird zunehmend zweifelhaft, ob das Land mit nur einer Million Einwohner alle Aufgaben einer Ratspräsidentschaft erfüllen kann. Zypern müsste in Konfliktfällen zwischen EU-Staaten vermitteln und soll politische Initiativen auf den Weg bringen. Das ist mit der angeschlagenen Autorität eines '"Programm-Landes" wahrscheinlich ziemlich schwer, heißt es bereits von EU-Diplomaten in Brüssel. Den Nordteil Zyperns hält die Türkei seit 1974 völkerrechtswidrig militärisch besetzt. Im türkischen Norden wohnt etwa ein Viertel der Bevölkerung. Dort findet EU-Recht im Moment keine Anwendung.

Spanien will seine Banken retten

Zuvor hatte Spanien, wie bereits vor zwei Wochen angekündigt, seinen offiziellen Antrag auf Notkredite aus der Euro-Zone gestellt. Das Geld soll für die Rettung maroder Banken genutzt werden, die auf faulen Immobilienkrediten sitzen. Buchprüfer schätzen den unmittelbaren Bedarf auf rund 60 Milliarden Euro. Die Euro-Zone hatte Spanien, dem viertgrößten Land der Euro-Zone, vorsorglich einen Kreditrahmen von 100 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Die Einzelheiten müssen jetzt ausgehandelt werden. Unklar ist, ob das Geld aus dem bisherigen Rettungsfonds (EFSF) kommen soll oder aus dem permanenten Rettungsschirm (ESM), der von Mitte Juli an arbeiten soll. Rekapitalisierungen des Bankensektors waren mit Mitteln aus dem EFSF bereits in Griechenland, Irland und Portugal erfolgt.

Nicht fertig gebaute Wohnungen in Zafra (Foto: dpa)
So sieht eine geplatzte Immobilienblase aus: Leerstehende Neubauten in SpanienBild: picture-alliance/dpa

Vertragspartner für den Rettungsfonds bleibt der spanische Staat. Das Geld kann nach den Verfahrensregeln nicht direkt an die Banken gezahlt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte auf der Einhaltung der Regel bestanden, "denn nur der spanische Staat kann ja den spanischen Banken sagen, was sie tun sollen". Spanien wollte es eigentlich vermeiden, den Rettungsschirm zu nutzen und hatte sich für direkte Zahlungen an die Banken eingesetzt. Dann allerdings wäre der Rettungsfonds Anteilseigner der Banken geworden. Dafür gibt es bei der gemeinschaftlichen Rettungsfirma der Euro-Zone in Luxemburg weder die Strukturen noch das Personal. Spanien wird trotz des Hilfsantrages für die Banken nicht zum "Programm-Land" wie zuvor Griechenland, Irland und Portugal und jetzt auch Zypern. Denn die Hilfen sind nicht direkt für den spanischen Staatshaushalt gedacht.

Troika wird auch Spanien beurteilen

Vor Vergabe der Kredittranchen prüft die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF, ob die Bedingungen für den Kredit eingehalten werden. Das soll auch im Falle Spaniens nicht anders sein, hatte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble in einem Interview mit dem Deutschlandfunk angekündigt. Die Finanzminister der Euro-Gruppe haben den Internationalen Währungsfonds ausdrücklich eingeladen, sein Fachwissen zur Verfügung zu stellen. Spanien will zunächst keine Kredite vom IWF, da mit ihnen üblicherweise eine Reihe von Auflagen verbunden sind.

Mitglieder der Troika in Athen (Foto: AP)
Gefürchtet: Die unscheinbaren Herren der Troika (hier in Athen)Bild: AP

Der spanische Finanzminister Cristóbal Montoro hatte Anfang Juni eingeräumt, dass sich sein Land zurzeit die notwendigen Mittel nicht auf dem freien Markt besorgen kann und deshalb europäische Hilfe braucht. Die EU-Kommission hat schon vorsorglich klar gemacht, dass sich Spanien natürlich weiter um den Abbau seines zu hohen Haushaltsdefizits bemühen muss. Die neuen Kredite, die Spanien jetzt zur Bankenrettung bei den europäischen Partnern aufnehmen muss, werden zu dem bereits bestehenden Haushaltsdefizit hinzugerechnet. Dieser Umstand hatte dazu geführt, dass Spaniens Bonität von Ratingagenturen und den Finanzmärkten noch kritischer gesehen wird als vor der Stellung des Hilfsantrages.

Schwerster Fall: Griechenland

Griechenland erhält bereits seit Mai 2010 Notkredite von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, von der EU-Kommission und vom Internationalen Währungsfonds. Die zwei bislang gebilligten Griechenlandpakete umfassen insgesamt einen Kreditrahmen von 240 Milliarden Euro. Davon sind nach Angaben des Rettungsfonds EFSF in Luxemburg rund 107 Milliarden Euro aus europäischen Mitteln ausgezahlt. Dazu kommen noch 30 Milliarden Euro vom IWF. Griechenland muss sich an strikte Haushaltsauflagen halten, die vor der Auszahlung der Kredittranchen von der so genannten Troika überprüft werden. Zu den Notkrediten kommt noch ein Schuldenerlass durch private Gläubiger hinzu, der effektiv rund 35 Milliarden Euro erbracht hat. Die neue griechische Regierung möchte die Auflagen jetzt abmildern und die Rückführung der Defizite zeitlich strecken. Das würde die Kosten für die Rettungsaktion abermals erhöhen und wahrscheinlich ein drittes Hilfspaket notwendig machen.

Irland drücken faule Immobilienkredite

Irland leidet wie Spanien unter den Folgen einer geplatzten Immobilienblase und einer daraus erwachsenen Bankenkrise. Der irische Staat hat im November 2010 alle Risiken der Banken übernommen und sich daran verhoben. Weil die Staatsverschuldung nicht mehr an den Finanzmärkten zu finanzieren war, hat Irland von EU-Kommission, EFSF und IWF einen Kreditrahmen in Höhe von 85 Milliarden Euro erhalten. Rund 35 Milliarden Euro davon waren allein zur Rettung der Banken vorgesehen. Im Gegenzug hat sich Irland zu drastischen Sparmaßnahmen verpflichtet. Im Gegensatz zu Griechenland werden diese Maßnahmen eingehalten. Die irische Regierung versucht allerdings, die Zinsen für die Kredite der europäischen Partner zu senken und die Laufzeiten zu verlängern. Ende 2013 soll Irland in der Lage sein, seine Staatsschulden wieder am Markt zu refinanzieren.

Eine griechische (v.l.), portugiesische, spanische und irische Ein-Euro-Müze (Foto: dapd)
Der Euro: Am Abgrund?Bild: dapd

Portugal muss weiter sparen

Portugal hat im Mai 2011 vor den Finanzmärkten kapituliert und die Euro-Zone um Hilfe gebeten. 78 Milliarden Euro wird Portugal bis Mitte 2014 als Notkredite abrufen können. Ein Drittel der Mittel wird vom Internationalen Währungsfonds bereitgestellt. Auch Portugal erfüllt die Auflagen der Kreditgeber, hat allerdings in einem Jahr schon mehr als die Hälfte des Kreditrahmens ausgeschöpft. Fraglich ist, ob bis 2014 nicht ein weiteres Hilfspaket notwendig werden könnte.

Italien drücken hohe Kosten für Anleihen

Die Europäische Zentralbank hat parallel zu den Notkrediten der EU und des IWF massiv Staatsanleihen der kriselnden Staaten aufgekauft. So sollten vor allem die Zinsen für Italien und Spanien auf einem erträglichen Niveau gehalten werden. Die EZB hat für dieses umstrittene Programm bislang rund 200 Milliarden Euro aufgewendet. Der italienische Ministerpräsident Mario Monti hat die Zentralbank aufgefordert, erneut italienische und spanische Staatsanleihen zu erwerben, um die sehr hohen Zinsen für diese Papiere zu senken. Die EZB, die nicht an Weisungen gebunden ist, ist jedoch sehr zurückhaltend. Benoit Coeure, Mitglied im Vorstand der Zentralbank, sagte, er würde es begrüßen, wenn der gemeinsame Rettungsfonds der Euro-Zone die Schuldentitel der bedrängten Staaten kaufte.

Die EU-Kommission hat auch Mitgliedsstaaten, die nicht den Euro als Gemeinschaftswährung haben, nach der Weltfinanzkrise 2008 Kredite gewährt. Ungarn, Lettland und Rumänien haben zusammen bis heute rund 14 Milliarden Euro als Haushaltsbeihilfen erhalten.

Von den 17 Staaten der Euro-Zone müssen sich vier Staaten als "Programm-Länder" nicht mehr an der Rettung der anderen beteiligen. Spanien zahlt aber weiterhin mit in den Topf ein, auch um seine eigenen Banken und jetzt Zypern zu retten. Nur wenn Spanien die komplette Hilfe des EFSF in Anspruch nehmen würde, müsste es seinen Anteil von rund 19 Prozent an den Hilfskrediten nicht mehr tragen. Der würde dann auf die übrigen 12 Staaten verteilt. Als Faustregel gilt: Je mehr Länder am Rettungsschirm hängen, desto teurer wird es für die übrigen.