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Audi erneut im Visier wegen Manipulationen

7. November 2016

Erst Stickoxide, nun auch CO2? Hinweise auf mögliche Schummeleien beim Ausstoß des Treibhausgases rufen die Politik auf den Plan. Der Verkehrsminister setzt die zuständige Fachbehörde auf das Thema an.

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Bild: Reuters/Y. Herman

In der Abgasaffäre bei Volkswagen will das Bundesverkehrsministerium neue Vorwürfe gegen die VW-Tochter Audi prüfen lassen. Das Flensburger Kraftfahrt-Bundesamt sei angewiesen worden, dem Sachverhalt nachzugehen, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin. Dem Ministerium selbst lägen keine Informationen über den Fall vor.

Nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" hat die kalifornische Umweltbehörde Carb im Sommer dieses Jahres eine weitere Schummel-Software bei Audi entdeckt, die auch bei Fahrzeugen in Europa eingesetzt werde und CO2-Werte manipuliere. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig bestätigte derweil Ermittlungen wegen Marktmanipulation gegen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch.

Kraftstoff-Verbrauch manipuliert?

Dem Zeitungsbericht zufolge können Audi-Modelle mit einem bestimmten Automatik-Getriebe erkennen, ob sie auf einem Rollenprüfstand sind oder auf der Straße fahren. Werde das Lenkrad nach dem Start nicht bewegt, aktiviere sich ein Schaltprogramm für das Getriebe, das besonders wenig CO2 produziere. Andernfalls laufe das Fahrzeug mit einem anderen Programm, das mehr Kraftstoff verbrauche und mehr CO2 ausstoße.

Das betroffene Getriebe verwende Audi bei Autos mit leistungsstarken Motoren und sei in mehreren 100.000 Fahrzeuge eingebaut worden, berichtete das Blatt weiter. Audi habe den Einsatz der Software in den Getrieben im Mai 2016 gestoppt, kurz bevor Carb die Manipulation in einem älteren Modell entdeckte. Die VW-Tochter habe in dem Fall bereits mehrere verantwortliche Techniker suspendiert.

Brisanter Verdacht

Der Verdacht ist brisant, denn die Kraftfahrzeugsteuer bemisst sich in Deutschland auch nach dem Kohlendioxidausstoß eines Fahrzeugs. Sollte hier geschummelt worden sein, könnten neue Verfahren auf Audi zukommen. Das Ingolstädter Unternehmen wollte sich nicht äußern.

Der Verkehrsexperte der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, äußerte mit Blick auf die Audi-Vorwürfe harsche Kritik an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). "Wieder einmal ist es eine US-amerikanische Behörde und keine deutsche, die Software-Manipulationen bei deutschen Autobauern feststellt", sagte er der "Rheinischen Post". Dabei sei im Bericht des KBA vom April nachzulesen, dass die Prüfer der Manipulation auf der Spur waren. Dobrindt habe sich mit lapidaren Erklärungen abspeisen lassen.

Ungünstiger Zeitpunkt

Für Audi kommen die Untersuchungen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die VW-Tochter hatte vergangenes Jahr zugegeben, eine nach US-Recht als illegal geltende Software bei Sechszylinder-Diesel-Motoren mit drei Litern Hubraum eingebaut zu haben.

Noch vor wenigen Tagen hatte Bezirksrichter Charles Breyer erklärt, Audi habe bei den Verhandlungen mit den US-Behörden über eine Lösung für die 85.000 betroffenen Fahrzeuge wesentliche Fortschritte gemacht. Er sei optimistisch, dass bis Anfang Dezember eine Einigung erzielt werden könne. Audi hat in diesem Jahr schon 752 Millionen Euro zurückgelegt für die Reparaturen und den noch ausstehenden Vergleich.

Ermittlungen gegen Aufsichtsrats-Chef

Der oberste Konzern-Aufseher Pötsch steht schon seit längerem in der Kritik von Investoren, weil er Finanzvorstand war, als der Dieselskandal im September 2015 bekannt wurde. Im Oktober 2015 wechselte er dann an die Spitze des Aufsichtsrats. Die am Montag von der Staatsanwaltschaft Braunschweig bestätigten Ermittlungen beziehen sich auf die Zeit, als Pötsch Finanzvorstand war.

Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG,
VW-Aufsichtsrats-Chef Hans Dieter PötschBild: picture alliance / dpa

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig begründete ihre Ermittlungen gegen ihn mit Erkenntnissen aus den laufenden Untersuchungen. "Das hat sich erst aktuell ergeben", sagte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. Worauf sich der Verdacht genau gründet, sagte er nicht. Auch sagte Ziehe nicht, seit wann Pötsch von den Abgasmanipulationen hätte wissen können. "Zur Zeitschiene sagen wir nichts."

Verspätete Informationen für die Anleger

Die Braunschweiger Ermittler gehen bereits seit Sommer dem Verdacht nach, dass Volkswagen möglicherweise bewusst verspätet über die finanziellen Folgen der millionenfachen Abgasmanipulation informierte. Nach einer Strafanzeige der Finanzaufsicht BaFin ermitteln die Strafverfolger seitdem bereits gegen VW-Markenchef Herbert Diess und den früheren VW-Chef Martin Winterkorn. Damals hatte die Behörde noch ausdrücklich betont, dass Pötsch nicht im Visier sei.

Volkswagen hatte die Ermittlungen gegen Pötsch am Sonntag selbst bekannt gemacht. Dabei erklärte der Autobauer, gestützt durch interne und externe Rechtsexperten sehe man sich weiter in der Rechtsposition bestätigt, dass der Vorstand seine kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten ordnungsgemäß erfüllt habe. Die Staatsanwaltschaft sieht das offenbar anders: "Zumindest halten wir das für überprüfungswürdig", sagte Ziehe.

ul/wen (rtr, dpa)