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Interview

Peter Philipp16. November 2006

Nicht der viel zitierte "Kampf der Kulturen" oder die Religionen seien schuld an globalen Problemen, sondern Politik und Wirtschaft, sagte Südafrikas Erzbischof Desmond Tutu im Gespräch mit DW-Reporter Peter Philipp.

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Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu
Desmond Tutu: Anglikanischer Erzbischof und FriedensnobelpreisträgerBild: AP

Eine "Allianz der Zivilisationen" - im Gegensatz zu dem so oft beschworenen "Zusammenprall der Zivilisationen" - soll seit einem Jahr eine Initiative zuwege bringen. An ihr beteiligt sind 20 prominente Persönlichkeiten aus aller Welt, unter anderem der ehemalige iranische Staatspräsident Muhamad Khatami, ein jüdischer Berater des marokkanischen Königs oder auch Erzbischof Desmond Tutu aus Südafrika. Die Gruppe überreichte Kofi Annan, UN-Generalsekretär und Initiator dieser Allianz dieser Tage in Istanbul ihren ersten Bericht.

Desmonde Tutu bei seiner 75. Geburtagsfeier am 18. September 2006
Desmonde Tutu bei seiner 75. Geburtagsfeier am 18. September 2006Bild: AP

Darin hoben die Mitglieder unter anderem hervor, dass die Probleme dieser Welt nicht ein Resultat eines "Kulturkampfes" seien und ihre Wurzeln auch nicht in der Religion hätten. Die Gründe seien vielmehr politischer und wirtschaftlicher Art. Und die Welt sei aufgerufen, diese Gründe gemeinsam zu beseitigen, allen voran im Nahostkonflikt.


Vorbildfunktion der Allianz

Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu zeigte sich mit dem Bericht, an dem er mitgearbeitet hat, zufrieden: "Ich bin voller Hoffnung. Zum einen, weil die Gruppe, die diesen Bericht verfasst hat, sehr vielschichtig und heterogen war, und wir trotzdem beträchtliche Übereinstimmungen in vielen Punkten erreicht haben. Ich glaube, das könnte eine wichtige Vorbildfunktion haben. Zum anderen glaube ich, wie die meisten von uns, dass keine Religion an sich gewalttätig ist oder zu Gewalttätigkeit ermuntert".

Zerstörungen im Libanon nach isrealischen Luftangriff
Kriege: Kein Resultat eines 'Kulturkampfes'?Bild: AP

Es gebe viele Beispiele dafür, wie Angehörige unterschiedlicher Kulturen und Religionen friedlich miteinander gelebt hätten und auch noch tun, so Tutu. Aber natürlich gebe es auch immer wieder Versuche, die Religion für andere Zwecke zu missbrauchen.


Religion wurde immer benutzt

Das sei kein Phänomen der Modernen, schon Konstantin hatte versucht, sein Reich mit Hilfe der Religion zu einen: "Sie wurde zur Rechtfertigung der Sklaverei benutzt, sie sollte selbst den Holocaust rechtfertigen oder die Apartheid. Wir müssen uns bewusst sein, dass Menschen so manipuliert werden sollen", sagt Tutu.

In dem Bericht haben Tutu und seine 19 Kollegen eine Reihe von Aufgaben aufgelistet - in der Politik, der Erziehung und auch in der Wirtschaft - denen man ihrer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit widmen sollte. Für Tutu gibt es dafür eine Grundvoraussetzung: "Wir müssen den anderen Glauben respektieren. Wir dürfen ihn nicht verachten, herabwürdigen oder schlecht über ihn sprechen. Und wir sollten versuchen, sensibler zu sein gegenüber dem, was andere Menschen für wichtig halten".


Einigkeit zwischen Juden, Christen und Moslems

Gegen die Apartheid in seiner Heimat sei er mit einem Rabbiner zur Rechten und einem Imam zur Linken marschiert. Alle hätten sie dasselbe Ziel und dieselben Interessen gehabt. Und von Seiten der Religion habe es keine Gegensätze gegeben. Überhaupt mache ihn die Erfahrung aus Südafrika zuversichtlich: Wenn es gelungen sei, die Apartheid zu überwinden, dann werde es sicher auch gelingen, andere Probleme der Welt zu lösen, so Tutu.

Apartheid in Südafrika: Eine Frau sitzt auf einer Parkbank, die "nur für Weiße" reserviert ist
Tutu: Kämpfer gegen die Apartheid in SüdafrikaBild: AP

Und diese anderen Probleme wurzelten nicht ausschließlich in dem Gegensatz zwischen dem Westen und der muslimischen Welt: "Menschen im so genannten 'globalen Süden' haben dasselbe Gefühl der Demütigung und Ohnmacht und sie teilen die Ablehnung, die Menschen in der muslimischen Welt fühlen", so Tutu.

Hoher Repräsentant nötig

Trotzdem fokussiert auch der Bericht vor allem den Nahost-Konflikt. Man hoffe, so Tutu, dass wenn es gelänge, diesen Konflikt zu lösen, das ein hoffnungsvolles Signal im Bezug auf die anderen Konflikte der Welt sei.

Für die nahe Zukunft erhoffen sich die 20 Vertreter, dass der neue UN-Generalsekretär einen "Hohen Repräsentanten" ernennen wird, der die aufgeworfenen Fragen und Empfehlungen der Gruppe weiter verfolge. Empfehlungen, die weit über theoretische Betrachtungen des Nahostkonflikts hinaus gehen, sondern weite Bereiche der Erziehung, Bildung und auch der Medien umfassen.