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Auf dem Weg zur Versöhnung

20. August 2005

Als erster Papst besuchte Benedikt XVI. in Köln eine Synagoge in Deutschland. Wenige seiner Worte wurden wohl so genau unter die Lupe genommen, wie die, die er dort sprach.

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Die Kölner Synagoge:<br>Ort historischer BegegnungBild: dpa


Das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum ist traditionell angespannt, auch wenn das Zweite Vatikanische Konzil der 1960er Jahre antijüdische Elemente aus Dogma und Liturgie entfernt hat. Eine Begegnung mit der jüdischen Gemeinde gehört seitdem zum festen Programm vieler Papstreisen.

Hohe Erwartungen

Die Kölner Synagoge beherbergt die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen. Es ist die einzige noch bestehende Synagoge in der Domstadt - und mit 5000 Mitgliedern eine der größten Gemeinden Deutschlands. Während des Festaktes wird der Papst der Holocaust-Opfer, der ermordeten 11.000 Juden Kölns gedenken.

Dies sei ein "sehr hoffnungsvolles Zeichen, dass wir wirklich auf einem Weg der Verständigung zwischen den Religionen sind", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, in einem Zeitungsinterview. Der Papst müsse seinen Einfluss geltend machen, um Antisemitismus zu verhindern, der auch unter den Katholiken wieder aufkeime. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung, so Spiegel, seien zumindest latent antisemitisch.

Gemeinsame theologische Wurzeln

Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. hatte - als erster Papst der Neuzeit - im April 1986 als die Synagoge in Rom besucht. Er bezeichnete die Juden stets als "ältere Geschwister der Christen". Kardinal Joseph Ratzinger hatte als engster Berater von Johannes Paul II. auch dessen theologischen Kurs gegenüber dem Judentum maßgeblich begleitet und beeinflusst: Abraham sei Vater des jüdischen Volkes und Vater des christlichen Glaubens, die Bibel der Juden sei zusammen mit dem Neuen Testament die Bibel der Christen.

Daher komme dem christlich-jüdisch Dialog eine Sonderrolle zu. Trotz einer "komplexen und oft schmerzhaften" Geschichte sei er überzeugt, dass das gemeinsame Erbe von Christen und Juden eine hoffnungsvolle Zukunft im Einklang mit Gottes Plan ermögliche, sagte Benedikt XVI. bei seinem Treffen mit dem Dachverband der jüdischen Welt-Organisationen am 9. Juni 2005. Die Erinnerung an die Vergangenheit bleibe für Christen und Juden ein "moralischer Imperativ".

Israelisch-vatikanische Verstimmungen

Doch so spektakuläre Bilder wie das vom altersgebeugten Karol Wojtyla, der im Jahr 2000 an der Jerusalemer Klagemauer ein stilles Gebet sprach, ga es beim Besuch von Papst Benedikt XVI. in der Kölner Synagoge nicht. Doch die Bedeutung des Besuchs ist kaum geringer einzuschätzen. Denn die Beziehungen zwischen dem Vatikan und Teilen der jüdischen Welt sind nach wie vor angespannt. Für Verstimmung bei israelischen Regierungsvertretern sorgte unlängst, dass Benedikt den Terrorismus in London, Ägypten, der Türkei und im Irak verurteilte, nicht jedoch - so die Meinung der Israelis - die Anschläge radikaler Palästinenser in Israel.

Benedikt XVI. habe eine einseitig palästinenserfreundliche Position bezogen, das Verhältnis getrübt, hieß es Anfang Juli 2005 aus Tel Aviv. Zwischen Israel und dem Vatikan war ein heftiger Streit um die Haltung Roms zum anti-israelischen Terrorismus ausgebrochen. Das israelische Außenministerium warf Rom vor, Anschläge gegen Israel seit Jahren nicht zu verurteilen. "Jetzt wo es einen neuen Papst gibt, haben wir entschieden, uns mit der Sache zu befassen", sagte der Direktor für jüdische Angelegenheiten im israelischen Außenministerium, Nimrod Barkan, in einem Interview. Wenn der Protest nicht wirke, "müssen wir uns andere Schritte überlegen".

Darauf reagierte der Vatikan mit ungewohnter Schärfe: Rom könne "keine Belehrungen akzeptieren". Zugleich warf Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls Israel vor, bei Reaktionen auf Terroranschläge internationales Recht zu verletzen. Man könne aus mehreren Gründen nicht jeden Anschlag auf Israel erwähnen. Zu diesen Gründen zähle auch, dass "die israelischen Reaktionen nicht immer mit den Normen des internationalen Rechts vereinbar sind".

Das Erbe von Johannes Paul II.

Israel und der Vatikan unterhalten seit 1993 diplomatische Beziehungen. Johannes Paul II. schaffte aufgrund seiner Lebensgeschichte als Pole den emotionalen Brückenschlag. Mit der Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu Israel kam der polnische Papst den Erwartungen der jüdischen Gemeinschaften in aller Welt trotz interner Vorbehalte entgegen. Im israelisch-palästinensischen Konflikt hat der Vatikan aber stets auch das Heimatrecht der Palästinenser betont. Bei einem Besuch in Jerusalem im Jahr 2000 hatte Papst Johannes Paul II. um Vergebung für die Judenverfolgungen gebeten. Im großen Schuldbekenntnis "Mea Culpa" beklagte er die Mitschuld von Christen am Holocaust. (arn)