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Auf den Spuren Adolph Kolpings

Julia Mahncke8. Dezember 2013

200 Jahre alt wäre der Theologe und Handwerker Adolph Kolping am 8. Dezember geworden, und noch immer bedienen sich Menschen in aller Welt der Prinzipien des Deutschen. Vor allem junge Leute profitieren.

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Wandbemalung im Kolping-Bildungswerk in Köln (Foto: DW)
Bild: DW/J. Mahncke

Der Sportplatz und zentrale Treffpunkt in Aregua in Paraguay hat endlich eine Beleuchtung. Wenn nun die heiße Sonne untergeht, können Jugendliche noch eine Runde Fußball spielen, und die älteren Bewohner treffen sich zum Plaudern und Beisammensein - unter den 210 Watt der neuen LED-Lampen.

Bei der Installation der solarbetriebenen Anlage half die süddeutsche Kolpingfamilie aus Dachau bei München. Die pflegt eine Partnerschaft mit dem Örtchen Aregua. Die Hilfe kam in Form von Geld- und Sachspenden - und in Person von Wilhelm Kirchensteiner. Der deutsche Solarexperte hat schon zahlreichen jungen Installateuren die Photovoltaik näher gebracht - in Deutschland, aber auch in Bulgarien oder Spanien. Für die Dachauer Kolpingfamilie machte er sich Ende Oktober das erste Mal für knapp einen Monat auf nach Lateinamerika.

Die Grundidee des Theologen und Handwerkers Adolph Kolping wird derzeit in mehr als 60 Ländern von Kolpingfamilien in die Praxis umgesetzt. "Junge Menschen durch Bildung und Schulung von Fertigkeiten überhaupt in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihre Umgebung weiterentwickeln zu können", fasst Wilhelm Kirchensteiner sie zusammen, "diese Botschaft ist in der heutigen Zeit erst recht voller Bedeutung und Chancen".

Im kleinen Kreis werden neue Fähigkeiten persönlich vermittelt

Die Organisation dieses Solarprojektes ist ein klassisches Beispiel dafür, wie die Gemeinschaft Kolping auch 200 Jahre nach der Geburt ihres Gründers immer noch funktioniert: praxisorientiert, auf die Bedürfnisse vor Ort zugeschnitten und persönlich. In Paraguays Hauptstadt Asuncion lernten 15 Workshop-Teilnehmer von Kirchensteiner zunächst, wie Solaranlagen funktionieren - anhand von Solarkoffern, deren Einzelteile als Übung zusammengesetzt werden, bis jeder damit ein Handy laden konnte oder die kleine LED-Lampe leuchtete. Unter den Teilnehmern waren ungelernte Handwerker, aber auch ein älterer Elektriker. Auch bei Kolping gilt: Man lernt nie aus.

Wilhelm Kirchensteiner (l.) bei der Montage einer Lampe an einem Turmdach mit einem Kursteilnehmer des Solarenergiekurses in Paraguay (Foto: Rosa Kirchensteiner)
Wilhelm Kirchensteiner (l.) montiert mit einem Kursteilnehmer eine Lampe an einem TurmdachBild: Rosa Kirchensteiner

Zwei junge Familienväter aus Aregua waren ebenfalls mit von der Partie und konnten das neue Wissen in ihrem Heimatort, 30 Kilometer entfernt von Asuncion, gleich anwenden. Auf dem Haus der Familie Rosalino brachte Kirchensteiner zusammen mit den gerade angelernten Technikern eine Solaranlage an. Jugendliche aus dem Dorf halfen, Gräben auszuheben, um Kabel darin verlegen zu können. Nun versorgt der Strom vom Dach der Rosalinos unter anderem deren eigenes Haus, eine kleine Wasserpumpe in der Nähe und den zentralen Platz.

Die frischgebackenen Solartechniker können die Anlage selbst warten, mit ihren Fertigkeiten Geld verdienen und ihr Wissen zusätzlich weitergeben, hofft Kirchensteiner. "Hier in Paraguay ist die Armut sehr, sehr groß", sagt er. "Um da herauszukommen, brauchen wir Beschäftigung für die jungen Menschen und vor allem Ausbildung - nicht nur in Universitäten, sondern vor allem auch Ausbildung im Handwerksbereich."

Kolping steht auch für Bildungseinrichtungen im großen Stil

Neben den weltweit engagierten Kolpingfamilien in über 60 Ländern gibt es mittlerweile an einigen Standorten auch größere, professionalisierte Einrichtungen. Seit mehr als 30 Jahren existiert zum Beispiel das Kolping-Bildungswerk in Köln. Die verschiedenen Bildungsprogramme werden aus dem Europäischen Sozialfonds und vom Bundesland Nordrhein-Westfalen finanziert. Was die Förderung Jugendlicher angeht, vertrauen die staatlichen Stellen der Kolpingeinrichtung bereits seit langer Zeit.

Der 16-jährige Tobias etwa arbeitet zusammen mit vier anderen jungen Männern in der Tischlerwerkstatt des Kolping-Bildungswerks in der Domstadt. Sie alle absolvieren ein sogenanntes Werkstattjahr. 47 Teilnehmer sind es in diesem Jahr insgesamt. Sie alle nutzen die Zeit, um sich über den Besuch der Berufsschule hinaus Fertigkeiten mit praktischen Übungen im Bildungswerk anzueignen.

Tischlerwerkstatt im Kolping-Bildungswerk Köln (Foto: DW)
Tobias (16), Teilnehmer des "Werkstattjahrs"Bild: DW/J. Mahncke

Lernen, ein Lehrling zu sein

Tischlermeister und Ausbildungsleiter Clemens Fischer gibt Tipps für die anstehende Aufgabe: "Achte auf den sicheren Stand, die Füße ein wenig auseinander, wie ein Boxer", erklärt er Tobias. Der 16-Jährige schwingt seinen Körper vor und zurück, in der Hand eine Feile. Das eingespannte Holzstück vor ihm soll ein Brieföffner werden. Seine Lehrer hatten ihm geraten, sich für das Werkstattjahr zu bewerben. "Ich hatte keine Lust mehr auf Schule", erklärt Tobias. "Ich sollte dann lieber was mit Arbeit machen." Am liebsten würde er Dachdecker werden. Durch die Unterstützung des Kolping-Bildungswerks hat er bereits ein Praktikum in diesem Beruf gemacht. Nun lernt er außerdem, wie man Bewerbungen für Lehrstellen schreibt.

"Wir bringen den Jugendlichen auch ganz elementare Dinge bei: pünktlich sein oder ordentlich zu arbeiten", sagt Ausbildungsleiter Fischer. Seit 1986 ist er bei Kolping mit Freude dabei. "Wir sehen uns verpflichtet, den Jugendlichen möglichst viel Wissen und Können an die Hand zu geben, um im Leben weiterzukommen." Dazu gehören auch gelegentliche Besuche in Adolph Kolpings Geburtshaus in Kerpen. Hier erfahren die Jugendlichen etwas über die Intention Kolpings. Zwei bis drei Mal im Jahr gibt es Gottesdienste, die so gestaltet sind, dass alle mitmachen können, egal welcher Religion sie angehören.

Clemens Fischer und seine Kollegen wollen die jungen Leute genau dort fördern, wo ihr Leben ins Stocken geraten ist. In der Werkstatt hängt nicht ohne Grund auch ein Zeitungsartikel an der Wand, der über die Folgen von Drogenkonsum informiert. Daneben Fotos von ehemaligen Jahrgängen: "Er hat eine Lehrstelle bekommen", sagt Fischer und zeigt nacheinander auf die jungen Gesichter. "Sie ist gerade Mutter geworden." Manche Jugendliche verschwinden aber auch einfach wieder - schaffen den Sprung in die Arbeitswelt nicht. Andere, wie der 17-jährige Samet, reißen sich am Riemen. Er absolviert ein Werkstattjahr als Maler in Köln. "Ich habe viel Mist gebaut", sagt er und will lieber nicht näher erläutern, was das heißt. "Ich will das in Zukunft anders machen." Sein Ziel: Eine Ausbildungsstelle zu ergattern.

Café im Kolping-Bildungswerk Köln (Foto: DW)
Daniel (16, r.) und Samet (17) verkaufen im hauseigenen Café an Lehrer und andere SchülerBild: DW/J. Mahncke

Im vergangenen Jahr schaffte etwas mehr als die Hälfte der Jugendlichen des Werkstattjahres beim Kolping-Bildungswerk den Sprung in eine weiterführende Beschäftigung.