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Auf der Suche nach dem echten Silbermann-Klang

Rick Fulker13. September 2013

Der klangvolle Name lockt Barockmusik-Liebhaber nach Sachsen. Wer aber war Gottfried Silbermann?

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Silbermann-Orgel von1731 in der Kirche Reinhardtsgrimma (Foto: Gottfried-Silbermann-Gesellschaft/ Detlev-Müller)
Bild: Gottfried-Silbermann-Gesellschaft/Detlev Müller

Organisten, Orgelbauer und Musikliebhaber aus aller Welt pilgern nach der landschaftlich äußerst reizvollen Gegend zwischen Dresden, Freiberg und Erzgebirge auf der Suche nach dem echten Silbermann-Klang. Diesen Klang beschrieb Albrecht Koch, Organist und Präsident der Gottfried-Silbermann-Gesellschaft in einem Interview für die DW so: "Wir nennen es den 'silbernen' Klang. Die höheren Töne sind kräftig aber klingen nie schrill, sie tun nie weh. Darunter gibt es jenes emphatische, physisch erlebbare Fundament, also einen stark betonten Bass. Drittens: Jedes Register hat eine unglaubliche Schönheit und Tiefe."

Von dem berühmten Orgelbaumeister gibt es keinerlei Bildnis und nur wenige Schriftzeugnisse. Einige Eckdaten sind bekannt: Vor 330 Jahren, am 14. Januar 1683, wurde Gottfried Silbermann in einem sächsischen Dorf namens Kleinbobritzsch geboren. Er verstarb 70 Jahre später in Dresden. Er soll ein sehr streitbarer Mann gewesen sein. Worüber hat er gestritten? Über die Kunst des Orgelbaus, und darin schloss er keine Kompromisse.

Brüderliche Unterweisung

1701, als 18-Jähriger, ging Gottfried Silbermann in das Elsass und ließ sich bei seinem berühmten Bruder, Andreas Silbermann, in das Orgelbauhandwerk einweisen. 1710 kehrte er nach Sachsen zurück und erhielt bald danach den Auftrag, die Orgel im Freiberger Dom zu bauen. 1714 wurde dieses berühmteste Instrument seiner Freiberger Werkstatt fertig.

Vor Ort fand Silbermann alles, was er für seine Orgeln benötigte. Freiberg war eine Bergbaustadt, so war Erz für die Pfeifen vorhanden. Holz in hoher Qualität wurde vom Kamm des Erzgebirges im Frühjahr herunter geflößt. Die kulturellen und wirtschaftlichen Bedingungen in Sachsen waren günstig. Die Region hatte sich von den Schäden des Dreißigjährigen Krieges längst erholt; so besaßen Städte, Gemeinden und Adel Mittel, um teure Schlösser, Kirchen und Orgel zu bauen. Um Steuereinkünfte zu erwirtschaften, wollte der sächsische Hof Künstler und Handwerker anbinden .

Mit ausgeprägtem Wirtschaftssinn schränkte der Orgelbaumeister Silbermann seinen Auftragskreis ein, um Reise- und Transportkosten zu sparen. Zwischen 1710 und 1753 entstanden 46 Silbermann-Orgeln. Dass davon rund 30 heute noch erhalten sind, zeugt von der Qualität des Materials und ihrer Verarbeitung. Zusätzlich entstanden Cembali, Hammerklaviere und Klavichorde in Silbermanns Freiberger Werkstatt.

Blick auf Orgelpfeifen (Foto: picture-alliance/dpa)
Die Orgel in Helbigsdorf, Kreis Freiberg, bei der RestaurierungBild: picture-alliance/dpa

Der unnachgiebige Handwerker

Bestrebt, seinen Namen in die Welt hinauszutragen, bemühte Gottfried Silbermann sich um einen Titel beim sächsischen Hof und bekam ihn auch: "Kurfürstlich Sächsischer Königlich Polnischer Hof- und Landorgelbauer". Für sein Handwerk war das eine Art Adelstitel. Mit Vertragspartnern verhandelte Silbermann selbstbewusst und auf Augenhöhe, ohne Rücksicht auf deren gesellschaftlichen Stand. Auch in Musikerkreisen genoss er hohen Respekt. Johann Kühnau, Kantor an der Thomaskirche in Leipzig, attestierte: "Nie gab es jemanden mit einem ähnlich gründlich fundierten mathematischen und mechanischen Wissen in der Kunst des Orgelbaus."

Überliefert ist auch eine Begegnung mit Kühnaus Nachfolger Johann Sebastian Bach im Jahr 1746. Bach sollte das Instrument von Silbermanns Schüler Zacharias Hildebrandt für die Wenzelskirche in Naumburg begutachten. Die Zusammenkunft gibt einen der wenigen Hinweise auf Silbermanns Charakterzüge. Bach, der gern in damals ungewöhnlichen Tonarten komponierte, wollte den Orgelbaumeister zu einer anderen Art der Stimmung seiner Instrumente bewegen.

Silbermann hielt jedoch an seine Prinzipien und an seiner Mittelton-Stimmung fest.

Silbermann-Orgel-von-1742-in-der-Stadtkirche-Zöblitz (Foto: Gottfried-Silbermann-Gesellschaft)
Erfreut auch das Auge: Silbermann-Orgel von 1742 in der Stadtkirche ZöblitzBild: Gottfried-Silbermann-Gesellschaft

Der Nachlass

Silbermann verstarb 1753 als vermögender Mann - in der Zunft war das damals keine Selbstverständlichkeit. Ihn kann man durchaus den "Stradivari der Orgel" nennen. Da gibt es allerdings doch einen wesentlichen Unterschied, so Albrecht Koch: "Die meisten Instrumente von Stradivari, die jetzt auf den großen Konzertbühnen der Welt gespielt werden, sind umgebaut worden. Sie haben neue Saiten, was Tonumfang und Tongebung stark verändert. Die Silbermann-Orgeln, falls sie nicht original erhalten sind, wurden dagegen in den letzten 20 bis 30 Jahren restauriert und dabei wieder auf den ursprünglichen Zustand zurück versetzt. So glaube ich, dass die Orgel das authentischere Barock-Instrument ist."

Klang und Bauprinzipien der Silbermann-Orgeln hatten nachhaltigen Einfluss in Sachsen und darüber hinaus; es existieren viele moderne Kopien seiner Instrumente. So berichtete Koch: "Patrick Collon, Orgelbauer aus Brüssel, erzählte mir, wie er in den 1970er Jahren mit dem Orgelbauer Jürgen Ahrend hier war. Er sagte: 'So etwas haben wir vorher noch nie gesehen!' Das zeigt, wie traditionell das Orgelbauhandwerk eigentlich ist. Nachdem wir eine große Technisierung hatten, ausgehend vom Ende des 19. Jahrhunderts, sind wir wieder bei der mechanischen Orgel angelangt, weil sie sich doch als das beste und zuverlässigste System erwiesen hat."

Albrecht Koch sitz an einem Orgeltisch (Foto: Albrecht Koch)
Organist Albrecht KochBild: Albrecht Koch