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Tourismus in Masuren

Linda Vierecke30. November 2007

3000 Seen, dunkle Wälder und einsame Alleen. Wer nach Masuren, in Ostpolen fährt, sucht das Naturerlebnis. Die Schönheit der Region hat sich herumgesprochen und Masuren verliert den Charme der Einsamkeit.

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Ein Staker stößt ein längliches Holzboot voller Touristen durch den Fluss krutyn vorbei an einer Winterwaldlandschaft. (Foto: DW / L.Vierecke)
Staken auf der Krutyna hat eigentlich nur im Sommer SaisonBild: DW

Kristina Kocioł lebt schon seit ihrer Geburt in Masuren. Sie ist ein polnisches Original, oder ein deutsches, so genau weiß sie das auch nicht mehr. 1939 ist sie als Deutsche in Masuren geboren. Als die Region 1945 Polen zugeteilt wurde, blieb ihre Familie dort. Später heiratete sie einen Polen. Ihr Geld verdient sie sich heute als Stakerin. Das kleine Holzboot stößt sie mit einer langen Stange vom Grund ab und bewegt das wacklige Gefährt langsam voran.

Eine alte Frau mit Handschuhen, Schal und Mütze schlägt die Hände zusammen und schaut zur Seite. (Foto: DW/L.Vierecke)
Warm angezogen für die Fahrt auf der Krutyna: Stakerin KristinaBild: DW

"Staker gab es eigentlich schon immer in der Krutyna. Lange Zeit war das eingeschlafen. Aber seit die Touristen wieder kommen, gibt es uns Staker auch wieder hier", sagt sie. Die Touristen kommen seit Anfang der 90er wieder und weil es jedes Jahr mehr werden, hat die 68jährige Kristina beschlossen, ihre Rente noch ein paar Jahre zu verschieben. "Die Leute kommen und wollen nur mit mir fahren", sagt sie stolz. Das Boot gleitet sanft durch den kleinen Fluss Krutyna im Dörfchen Krutyn. Ausnahmsweise auch im November, bei drei Grad minus.

Dicke Fische im Aquarium

Krutyn ist im Winter fast ausgestorben, kaum ein Boot mehr im Wasser, die Geschäfte sind geschlossen. Die sechs Restaurants mit Werbetafeln auf Deutsch zeugen davon, dass im Sommer Tausende deutsche Touristen nach Krutyn strömen. "Dicke Fische, die in ihren Aquarien durch die Landschaft fahren", nennen sie die Bewohner Masurens. Krutyn ist fester Bestandteil der Reisebustouren nach Masuren, genau wie das belebte Städtchen Mikołajki und das ehemalige Führerhauptquartier, die Wolfsschanze.

"Manchmal sind hier so viele Boote unterwegs, dass das Wasser vom Staken und von den Paddelbooten ganz grau und schlammig ist“, erzählt Kristina besorgt. "Die Krutyna ist dann wie eine Autobahn!" Apropos Autobahn: Die würden hier einige sehr gerne sehen. Die Anbindung ist schlecht: Für die 220 Kilometer von Krutyn nach Warschau braucht man auch bei freien Straßen fast drei Stunden. Nur Landstraßen verbinden die versteckten Orte an den tausenden Seen in Masuren. Und je weiter man in das Land hinein fährt, desto schmaler scheinen die von Bäumen umschlossenen Alleen zu werden.

Alleebäume oder Autobahn

Alexander Potockis Jagdhof liegt am Ende einer solchen Allee im kleinen Ort Galkowo. "Die Region ist genau wegen dieser Alleen bekannt. Sie sind Teil des Landschaftsbildes. Aber die Verwaltung will sie abholzen um die Straßen zu verbreitern", sagt er und schüttelt den Kopf.

Eine Allee von Bäumen umringt im Nebel. (Foto: DW/L.Vierecke)
Müssen vielleicht bald breiteren Straßen weichen: Alleebäume in MasurenBild: DW

Zur Verwaltung in der Wojewodschaft Ermsland/Masuren gehört auch Rafał Wolski. Seiner Meinung nach, bleibt der Region nichts anderes übrig, als die alten Alleen zu verbreitern. "Diese Alleen sind gebaut für Pferdefuhrwerke Ende des 19. Jahrhunderts, die müssen wir verbreitern. Da kann nicht jeder Baum stehen bleiben."

Die malerischen Alleen würden dann nur noch auf kleinen Nebenstraßen übrig bleiben. Doch für Wolski ist klar: Ohne vernünftig ausgebaute Straßen kommen keine Touristen. "Wir wollen, dass Masuren eine Insel bleibt. Aber keine einsame Insel."

Mit dem Flugzeug nach Masuren

Dazu gehört auch, dass sich Touristen in Zukunft die Fahrt mit dem Auto in die abgelegene Region sparen könnten. Ein Flughafen für die Region Masuren ist schon in Planung. Drei Millionen Euro würde dieser der Wojewodschaft kosten. Einen Investor gibt es angeblich auch schon, und die ersten Fluggesellschaften hätten schon Interesse angemeldet.

Ein alter Holzhaus mit Schnee bedeckt. (Foto: DW, L.Vierecke)
Masurischer Baustil: Alexander Potockis Jagdhof in GalkowoBild: DW

Die abgelegene Gegend würde dann schnell ein ganzes Stück näher an die europäischen Städte heran rücken. Wochenendeausflüge nach Masuren wären dann wohl aus ganz Europa möglich. Auch Alexander Potockis ist für den Bau des Flughafens, denn auch sein Hof würde davon profitieren. "Man muss die Region besser anschließen, aber man darf eben nicht dabei das Landschaftsbild verändern", sagt er. Sein Wohnhaus und den Gasthof hat er deshalb auch, im Stil der masurischen Häuser, mit viel Holz gebaut.

Die Saison erweitern

Das größte Problem für Hotelbetreiber ist noch immer die kurze Saison in Masuren. Im Sommer sind die Betten der kleinen Hoteliers voll, im Winter herrscht gähnende Leere. Deshalb brütet man hier über neue Konzepte. Wellness-Tourismus ist dabei nur eine Idee. Schließlich haben viele der masurischen Häuser traditionell bereits eine Sauna im Garten. Auch das Eissegeln haben Geschäftsmänner als Touristenmagnet entdeckt.

Eine ältere Dame mit kurzen blonden haaren steht in einem Trachtenkostüm an der Theke eines Gasthofs. (Foto: DW/ L.Vierecke)
"Im Winter länger schlafen" - Stakerin KristinaBild: DW

Noch ist Masuren im Winter aber ein Geheimtipp für Hartgesottene, die Minusgrade lieben, die sich an schneebedeckten, weiten Feldern nicht satt sehen können und auf der Suche sind nach einer natürlichen Langsamkeit. Wenn die Touristen aber doch bald auch im Winter kommen, dann wären die Staker bald ganzjährig beschäftigt. "Die meisten haben im Winter andere Jobs. Einer arbeitet im Winter im Wald, ein anderer ist Computerfachmann. Und manche schlafen auch einfach länger“, erzählt Stakerin Kristina. Damit wäre es dann wohl vorbei.