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Politik

Auf der Suche nach sich selbst

4. November 2018

Als "nicht akzeptabel" haben die Chefinnen von CDU und SPD den Zustand der großen Koalition zuletzt beschrieben. Jetzt versammeln sich die Parteispitzen zu getrennten Krisensitzungen.

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Deutschland Symbolbild CDU und SPD | Merkel und Nahles
Für die CDU beginnen die Planungen für die Zeit nach Merkel - Nahles will in der SPD (noch) nicht weichenBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Von diesem Sonntag an wollen CDU und SPD zwei Tage lang zu Klausurtagungen zusammenkommen. Die Parteien stehen vor wegweisenden Entscheidungen. Die Sozialdemokraten suchen nach den jüngsten Wahlschlappen auf Landesebene weiter nach einem Neustart. Es geht auch um die Zukunft der großen Koalition.

Dieses Regierungsbündnis stellte SPD-Vize Ralf Stegner noch vor dem Krisentreffen infrage: "Wenn die Koalition nicht drastisch und rasch Arbeit und Erscheinungsbild ändert, kann und wird sie nicht länger Bestand haben", heißt es in einem Zehn-Punkte-Papier Stegners, das er laut "Spiegel" mit führenden Vertretern des linken Parteiflügels abgesprochen hat. Das Papier hatte Stegner bereits am 29. Oktober im Internet veröffentlicht, es war aber zunächst weitgehend unbeachtet geblieben. "Wir dürfen in keinster Weise mehr dulden, dass die Union die Umsetzung von vereinbarten Punkten untergräbt, blockiert oder verschleppt - auch nicht zähneknirschend", heißt es in dem Papier. "Wir müssen allen klarmachen: Weder sind wir um jeden Preis in die große Koalition gegangen, noch werden wir um jeden Preis in der großen Koalition bleiben. "Eine große Koalition, die nicht für Stabilität sorge, habe keine Existenzberechtigung.

Berlin Bundesparteitag der SPD
SPD-Vize Ralf StegnerBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Nahles: "Kopflos alles umzuwerfen, ist Blödsinn"

Die massiven Stimmenverluste der SPD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen hatten den Druck auf Parteichefin Andrea Nahles noch einmal wachsen und Rufe in der Partei nach einem Ausstieg aus der großen Koalition wieder lauter werden lassen.

Nahles will auf der Klausurtagung den Vorstoß abwehren, den für Ende 2019 geplanten Parteitag samt Wahlen vorzuziehen - und damit früher als geplant über die Zukunft der Groko zu entscheiden. Unter anderem Juso-Chef Kevin Kühnert hatte für ein Vorziehen plädiert. Die schleswig-holsteinische SPD votierte auf einem Landesparteitag am Samstag in Kiel dafür, einen Sonderparteitag einzuberufen. Nahles will aber am bisherigen Fahrplan festhalten. Die SPD-Chefin sagte, sie wolle, dass die Partei in strittigen Fragen Klarheit finde. "Wir brauchen die Zeit bis ins nächste Jahr. Wenn wir es richtig machen wollen. Jetzt kopflos alles umzuwerfen, ist Blödsinn."

An ihre Kritiker gewandt sagte sie zudem, dass sie ihre Partei mit all ihrer "Kraft, Leidenschaft und Zuversicht" führe, "wenn jemand meint, es schneller oder besser zu können, soll er sich melden."

Dreyer wirbt für Groko

Die rheinlandpfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer warb für eine weitere Regierungsbeteiligung in der großen Koalition. "In einer Koalition muss man Kompromisse eingehen. Trotzdem gilt: In der Opposition kann man nix umsetzen", sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende der "Bild am Sonntag".  Der aktuelle Koalitionsvertrag enthalte überproportional viele SPD-Projekte, sagte Dreyer. Sie rief ihre Parteikollegen zu mehr Selbstbewusstsein auf: "Wir müssen uns in der Politik für soziale Gerechtigkeit nicht neu erfinden, aber selbstbewusst zeigen, was wir erreicht haben."

CDU sucht Merkel-Nachfolger(in)

Bei der Klausurtagung der CDU dürfte der Kampf um die Nachfolge der Parteivorsitzenden Angela Merkel im Fokus stehen. Die Bundeskanzlerin hatte unter dem Druck schwerer Stimmenverluste der Union in Hessen und Bayern angekündigt, auf dem Parteitag Ende Dezember nicht erneut als Vorsitzende anzutreten - nach 18 Jahren im Amt. Sie will aber bis zum Ende der Legislatur 2021 Kanzlerin bleiben. Die CDU-Spitze will bei ihrer Klausurtagung den Parteitag vorbereiten. Kandidaten für den Parteivorsitz sind Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der ebenso wie Spahn dem konservativen Lager zugerechnet wird.

Bildkombo Annegret Kramp-Karrenbauer Jens Spahn Friedrich Merz
Die Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz

Angesichts des bevorstehenden Führungswechsels in der CDU gab es zuletzt Warnungen vor einem Rechtsschwenk der Partei. "Es darf keinen Bruch geben mit dem Kurs der Mitte der letzten Jahre", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er wandte sich auch gegen die starke Fixierung von Spahn auf das Thema Migration. Dies sei nicht das wichtigste Thema, sagte Günther. Er verwies auf andere wichtige Themen wie soziale Sicherung, Digitalisierung, Pflege und Fachkräftemangel.

Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und Bundesvize Armin Laschet hatte seine Partei zuletzt vor einem Rechtsruck unter einer neuen Führung gewarnt. Der  "Süddeutschen Zeitung" hatte Laschet gesagt, er wolle sich dafür einsetzen, dass die Christdemokraten den "Kurs der Mitte" nicht verlassen.

Was wird aus der Groko?

Der Ausgang der Wahl zum CDU-Vorsitz könnte gravierende Folgen für die Zukunft der Koalition haben. Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte der dpa am Rande eines Besuchs in Martinsburg im US-Bundesstaat West Virginia: "Ich glaube, jeder Vorsitzende der CDU hat im Kern den Anspruch, der nächste Kanzler zu werden." Gabriel spekulierte, dass Merkel bereits nach der Europawahl im kommenden Mai auch das Amt der Regierungschefin aufgeben könnte. Er geht davon aus, dass die große Koalition dann vermutlich am Ende wäre. "Die Sozialdemokratie ist aufgrund der Wahlergebnisse tief verunsichert, ob sie in dieser Koalition bleiben soll. Und ich glaube, es wäre außerordentlich schwierig, die SPD zu überzeugen, noch einmal im deutschen Parlament einen CDU-Kanzler zu wählen."

Nahles sagte der "Süddeutschen Zeitung" mit Blick auf den Kampf um die Merkel-Nachfolge in der CDU: "Wir wären naiv, wenn wir uns nicht auf alle Szenarien vorbereiten würden." Für die SPD sei entscheidend, ob die Union ihren Richtungsstreit durch eine neue Person an der Spitze der CDU in den Griff bekomme. "Wenn der Streit aber bleibt, ist die Regierung nichts wert."

rk/haz (dpa, afp)