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Auf einem Auge blind

Peter Philipp6. Februar 2004

Präsident Musharraf hat den "Vater" des pakistanischen Atomwaffenprogramms begnadigt. Washington zeigte sich mit dieser Entwicklung in der Atomaffäre zufrieden. Die amerikanische Reaktion kommentiert Peter Philipp.

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So geht das unter Freunden: Da drohen die Vereinigten Staaten zwar mit Sanktionen und vielleicht sogar mit Gewalt gegenüber Staaten, die angeblich oder auch wirklich an der Herstellung von Atomwaffen gebastelt haben. Wenn sich dann aber herausstellt, dass diese Staaten ihr Know-how von einem bezogen haben, der gerade zu Washingtons Verbündeten zählt, dann erntet dieser sogar noch Lob dafür, dass er "klaren Tisch" gemacht habe.

So und nicht anders ist es im Fall Pakistans geschehen: Da hat sich herausgestellt, dass Nationalheld Abdul Kadir Khan, der "Vater" der pakistanischen (oder gar: islamischen) Atombombe, sein Wissen großzügig mit Iran, Libyen und Nordkorea geteilt habe. Khan gesteht in einer kurzen Fernsehansprache und Präsident Musharraf begnadigt ihn. Eine weitere Untersuchung oder gar Kontrollen von außen verbittet Musharraf sich: Unsinn - Pakistan sei souverän und durchaus in der Lage, die Dinge selbst zu untersuchen.

Mit solch markigen Sprüchen wird sich der Präsident, der jüngst mehrere Attentatsversuche überlebte, wohl auch bei seinen Feinden Zustimmung und Anerkennung holen. Aber auch in Washington? Ja, denn dort begrüßte man, dass Musharraf "das Netzwerk um Khan aufgebrochen" habe. Kein Wort der Kritik, denn man braucht den General im
Präsidentenamt. Man braucht ihn im Kampf gegen den Terrorismus, man braucht ihn zur Beruhigung der Ostflanke Afghanistans. Und da drückt man wohl schonmal ein Auge zu.

Was Washington nicht weiter zu interessieren scheint, ist mehr als offensichtlich: Dass nämlich in Pakistan kaum etwas ohne Zustimmung, sicher aber nicht ohne Wissen der Militärs geschieht. Und man räumt mit der Erklärung vom "Netzwerk" indirekt ja auch ein, dass Khan nicht Einzeltäter war - wie Islamabad es jetzt gerne dargestellt hätte.

Nur: Washington weiß natürlich auch, dass ein zu genaues
Hinsehen unangenehme Ergebnisse und Folgen bringen könnte. Was, wenn die Komplizenschaft des Militärs sich klar ergeben würde? Was, wenn auch noch dokumentiert würde, wie Pakistan zu seinem nuklearen Know-how nur mit chinesischer Hilfe gelangt ist? Dann müsste Washington reagieren und dann hätten die USA gleich mehrere Staaten verärgert, zu denen es gute oder doch wenigsten korrekte Beziehungen unterhalten will.

Natürlich ist es nicht die Freundschaft zu Präsident Musharraf oder - noch weniger - zu Pakistan, die Washington auf einem Auge erblinden lässt. Es ist die Staatsräson eines Weißen Hauses, das seine Politik wenigstens in einigen Teilen der Welt immer deutlicher von eigenen Vorgaben abhängig macht und nicht von den Gegebenheiten vor Ort. Mit der Folge, dass diese Politik immer häufiger inkonsequent wirkt. Aber, was tut man nicht alles für Freunde ...