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Keltischer Tiger wählt

Julia Elvers-Guyot23. Mai 2007

Die Wiederwahl des irischen Premiers Ahern ist ungewiss, ein Linksruck bei der Parlamentswahl nicht ausgeschlossen. Die Wirtschaft sieht einen möglichen Regierungswechsel gelassen: Dem keltischen Tiger geht es gut.

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Blick auf die irische Westküste, Quelle: nbp
Unternehmen erwartet in Irland auch nach den Parlamentswahlen kein unruhiges Wasser

Ende der 1980er Jahre sorgte die Ansiedlung neuer Elektronik- und Computerfirmen für einen Wirtschaftsboom in Irland. Niedrige Arbeitslosenzahlen und ein zeitweise zweistelliges Wirtschaftswachstum wandelten das Bild der Insel vom ehemaligen Armenhaus Europas zum "keltischen Tiger".

Bertie Ahern an einem Rednerpult, Quelle: AP
Seit 1997 an der Macht: Bertie Ahern (Archivbild)Bild: AP

Seit zehn Jahren ist Bertie Ahern Ministerpräsident. Während dieser Zeit setzte sich der Wirtschaftsboom fort, und die Arbeitslosenquote lag 2006 bei 4,4 Prozent. Angesichts dieser Erfolgsbilanz strebt der Chef der konservativen Partei Fianna Fáil ("Soldaten des Schicksals") nun eine dritte Amtszeit an. Doch ob ihm dies gelingt, ist unsicher. "Mein Job besteht darin, jede mögliche Stimme zu bekommen", sagte Ahern in einem seiner letzten Interviews vor der Parlamentswahl am Donnerstag (24.5.). Er räumte jedoch ein, dass seine Partei bei der Regierungsbildung möglicherweise keine Rolle spielen werde. "Vielleicht kommen andere auf die notwendigen Wählerstimmen und wollen mich nicht haben."

Buchmacher: "Regenbogenkoalition" wahrscheinlich

In den Meinungsumfragen lagen die größte Oppositionspartei Fine Gael ("Familie der Gälen") und die Labour Partei lange Zeit gleichauf mit der jetzigen Regierungskoalition aus der Fianna Fáil von Ahern und den liberalen Progressiven Demokraten. Kurz vor der Wahl konnte Ahern nach einem Fernseh-Duell mit seinem Herausforderer Enda Kenny von Fine Gael zwar aufholen. Aherns Koalitionspartner fiel in der Wählergunst jedoch auf zwei Prozent zurück.

Letzten Umfragen zufolge kommen Fianna Fáil und Progressive Democrats zusammen auf etwa 43 Prozent. Auf dieselbe Zahl könnte das Oppositionslager kommen, wenn sich Fine Gael und Labour mit den Grünen zusammenschließen sollten. Eine solche "Regenbogenkoalition" gilt bei Meinungsforschern als die wahrscheinlichere Regierung in Dublin. Doch da die Prognosen von Tag zu Tag stark variieren, will sich niemand genau festlegen.

Stabile Wirtschaft

Ein Fußgänger geht an einem Wahlplakat von Bertie Ahern in Dublin vorbei, Quelle: dpa
Der Wahlkampf ist auf allen Straßen und in allen Medien präsentBild: PA/dpa

Egal, wie die neue Regierung aussieht: Unternehmer befürchten keine einschneidenden Veränderungen. Auch, wenn das Wirtschaftswachstum auf etwa sechs Prozent gesunken ist, sieht es für die Wirtschaft nach wie vor gut aus. "Die Iren sind grundsätzlich sehr 'pro Investment' eingestellt. Man lebt hier davon, dass ausländische Investoren ins Land kommen. Da macht es keinen großen Unterschied, wer an der Regierung ist", sagt Werner Schwanberg, Vizepräsident der deutsch-irischen Handelskammer. Schwanberg lebt seit 1991 in Irland und hat schon andere Regierungs-Koalitionen als die von Ahern erlebt - sie alle hätten wirtschaftlich die gleichen Ziele verfolgt.

Für die guten Wirtschaftszahlen nennt Schwanberg mehrere Gründe: Ein anhaltender Bauboom, ein Mindestarbeitslohn, der viele ausländische Arbeitnehmer - insbesondere aus Polen und den baltischen Staaten - anlockt, Beihilfen aus Brüssel sowie zahlreiche ausländische Investoren. "Außerdem gehen die Tourismuszahlen nach oben, weil aus Großbritannien sehr viele Touristen kommen - was wiederum daran liegt, dass die Probleme in Nordirland weitgehend gelöst worden sind", sagt der Vizepräsident der deutsch-irischen Handelskammer.

Kehrseite der Medaille: Gesundheitssystem und Infrastruktur

Während die Regierungsparteien mit den Wirtschaftserfolgen zu punkten versuchen, weisen die Oppositionsparteien darauf hin, dass trotz dieser Wirtschaftserfolge eine schlechte Sozialpolitik gemacht worden sei. "Die Schwäche des irischen Systems ist in der sehr schlechten Infrastrukturpolitik zu sehen. Dies gilt für den Verkehrsbereich, aber insbesondere für den Gesundheits- und Sozialbereich", sagt Reinold Herber, Attaché für Politik und Presse an der Deutschen Botschaft in Dublin.

Irlands Wirtschaft profitiert von niedrigen Unternehmenssteuern. Doch durch die zurückhaltende Steuerpolitik fehlt Geld für den Sozialbereich. "Hier neigt Irland dazu, sich an eine amerikanische Philosophie anzulehnen, wo man mehr dem privaten Bereich zuordnet als dem sozialen und gesellschaftlichen Bereich", so Reinold Herber. Ob das nach einem Regierungswechsel anders würde, ist zumindest fraglich, denn keine Partei spricht sich für eine Erhöhung der Unternehmenssteuern aus.

Mögliches Zünglein an der Waage: Sinn Féin

Hier könnte die irlandweit operierende Partei Sinn Féin ins Spiel kommen. Die nationalistische Partei verspricht sich vor allem Stimmengewinne für ihre Rolle beim Friedensprozess in Nordirland und der kürzlichen Regierungsbildung in Belfast.

Laut Umfragen kann Sinn Féin mit neun bis zehn Prozent der Stimmen rechnen. Dieses starke Ergebnis führt der Vizepräsident der deutsch-irischen Handelskammer Werner Schwanberg in erster Linie auf die Unzufriedenheit mit dem Gesundheitswesen und der Infrastruktur zurück. "Aber ob sie koalitionsfähig sind, das bezweifele ich", so Schwanberg. Zumindest haben alle Parteien eine Koalition mit Sinn Féin im Vorhinein abgelehnt.