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Auf Messers Schneide

Sanja Blagojevic21. Januar 2008

Nach den Präsidentenwahlen in Serbien braucht der Amtsinhaber Boris Tadic jede Unterstützung, die er bekommen kann – vor allem die von Premierminister Vojislav Kostunica, meint Sanja Blagojevic in ihrem Kommentar.

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Bild: DW

Für den amtierenden Präsidenten Boris Tadic kann es jetzt sehr eng werden: Er ist auf rund 35 Prozent gekommen, sein Gegenkandidat aber auf 39,6. Dass der radikale Tomislav Nikolic im ersten Wahlgang vorne liegen würde, war allgemein erwartet worden. Überraschend ist aber, dass die hohe Wahlbeteiligung von 61 Prozent, die eigentlich für Tadic gut gewesen wäre, nun zu einem großen Vorsprung für Nikolic geführt hat. Das heißt: Tadic braucht jetzt Unterstützung von allen Seiten.

Zünglein an der Waage

Die Liberaldemokratische Partei, deren Kandidat Cedomir Jovanovic nur gut 5 Prozent bekommen hat, und die Partei aus der Regierungskoalition G17 plus haben Tadic bereits Unterstützung zugesagt. Dann sind da noch die Minderheiten, deren Kandidat nur rund 2 Prozent bekommen hat. Doch das reicht nicht.

Es spricht alles dafür, dass auch dieses Mal Premierminister Vojislav Kostunica wieder das Zünglein an der Waage sein wird. Seit Jahren hat Kostunicas Partei nur zwischen fünfzehn und zwanzig Prozent der Wählerschaft hinter sich, dennoch schafft er es seit langem, die entscheidende Figur in der politischen Szene Serbiens zu sein. Er ist zwar mit Herz und Seele Nationalist, aber er jongliert seit langem zwischen zwei Blöcken und es gelingt ihm immer wieder, sich als Demokraten zu verkaufen. Wird er am Ende auf die Demokratie setzen, oder sich dieses Mal doch enthüllen und sein wahres, sein nationalistisches Gesicht zeigen? Wahrscheinlich spielt er die demokratische Karte. Denn warum sollte er die Radikalen offen unterstützen, wenn er von einem Präsidenten Tadic mehr profitieren kann?

Keine Vergangenheitsbewältigung

Falls Tadic gewinnt, bleibt er da, wo er sich am besten fühlt: an der Macht. Auch wenn es um den Status des Kosovo geht, liegt Präsident Tadic ganz auf seiner Linie. Er zeigt sich als überzeugter Gegner einer möglichen Unabhängigkeit der süd-serbischen Provinz und lässt keine Möglichkeit aus, das vor der UNO und westlichen Institutionen laut zu sagen. Und obwohl Tadic seit 2004 Präsident ist, hat er nicht dafür gesorgt, dass der Kriegsverbrecher Ratko Mladic an das Haager-Tribunal ausgeliefert wird. Tadic hat sich zwar protokollarisch bei Bosniern und Kroaten für die Kriegsverbrechen entschuldigt. Er hat aber nichts dazu beigetragen, dass seine Landsleute sich mit der eigenen verbrecherischen Vergangenheit auseinandersetzen.

Und auch wirtschaftlich kann sich Kostunica über die Zusammenarbeit mit Tadic nicht beschweren. Ihre beiden Parteien haben die größten staatlichen Firmen untereinander aufgeteilt: So mischt sich keiner in das Geschäft des anderen ein und jede Partei hat ihre eigene Geldquelle.

Und obwohl die Koalition der auf den ersten Blick unterschiedlichen, in der Realität aber sehr ähnlichen Partner Tadic und Kostunica immer wieder einen wackeligen Eindruck macht, sind die beiden in Wirklichkeit nur schwer trennbar. Auch wenn es seltsam anmutet: beide können ohne den jeweils anderen nicht existieren. Und immer wenn es zu Meinungsverschiedenheiten gekommen ist, wurde das untereinander geregelt. Jeder hat bekommen, was er wollte.

Die Rolle der EU

Egal wie sich Premierminister Kostunica entscheidet, die Europäische Union könnte einiges tun, um Boris Tadic Rückenwind zu geben, denn bei dieser Wahl steht viel auf dem Spiel. Obwohl sich der demokratische und europäisch orientierte Kandidat Tadic zum Beispiel in der Kosovo-Frage nicht von der harten Linie der anderen serbischen Parteien unterscheidet, sollte Brüssel ihn unterstützen. Und zwar mit konkreten Taten, wie der Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens oder einer völligen Visafreiheit für Serben.

Das könnte helfen, würde aber nicht alles entscheiden. Tadic braucht jetzt innerhalb Serbiens jede Unterstützung, die er bekommen kann. Vor allem die von Kostunica. Doch der gewiefte Taktiker wird mit Sicherheit versuchen, das Rennen um die Präsidentschaft so spannend wie möglich zu machen.