1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Aufgelesen

15. März 2011

Überall Liebe und Leidenschaft! In unserer Kolumne zeigt ein Schweizer mit französischen Wurzeln, wie man einen Liebesroman schreibt, der seufzen lässt. Und wir tauchen ein in die sehnsüchtige und reale Welt der Roma.

https://p.dw.com/p/R5bd
Bücherstapel (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Ich liebe Alex Capus. Denn Alex Capus hat ein Buch geschrieben, das einen seufzen und lächeln lässt. Obwohl auf dem Cover steht, es sei ein Roman über eine Liebe gegen alle Konventionen. Da verzieht man ja zuerst das Gesicht und denkt: Blablabla. Aber dann kommt alles anders. Es ist eine gute, geistreiche und verzückende Liebesgeschichte, dieser Roman "Léon und Louise".

Liebe gegen Konventionen – es funktioniert!

"Zu der Zeit, da mein Großvater Louise Janvier kennen lernte, war er 17 Jahre alt. Ich stelle ihn mir gern als ganz jungen Mann vor, wie er im Frühling 1918 in Cherbourg seinen Koffer aus verstärkter Pappe aufs Fahrrad band und das Haus seinen Vaters für immer verließ."

Cover Alex Capus: "Léon und Louise", Carl Hanser Verlag

Der Erste Weltkrieg ist fast zu Ende und Léon macht sich auf zu einem Job als Morser in einer Bahnstation in einem kleinen Dorf, weit weg von zu Hause. Hier trifft er auf die geheimnisvolle Louise.

"Ein sonderbares Mädchen war das gewesen. Sommersprossen und dichtes, dunkles Haar, das sie, womöglich eigenhändig, am Hinterkopf von einem Ohrläppchen zum anderen durchgehend auf gleicher Höhe abgesäbelt hatte. Ungefähr in seinem Alter (...), großer Mund und zartes Kinn, ein nettes Lächeln. Kleine weiße Zähne und eine lustig Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen. Die Augen grün."

Und wir wissen: ein Mann, der sich nach einer kurzen, nur Sekunden dauernden ersten Begegnung jedes Detail im Gesicht einer Frau merken kann, den hat es erwischt. Und das Schönste: nie wird es kitschig in diesem Buch, rührselig, absurd oder überdramatisch. Es beginnt eine intelligente und witzige Liebesgeschichte vor dem Hintergrund zweier Weltkriege. Léon und Louise bekommen sich, verlieren sich mehrmals und finden sich wieder. Das Leben sorgt dafür, dass sie nie fest zusammen sein werden, aber sich immer einander verbunden fühlen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Ist es auch. Ist ja nur ein Roman. Aber was für einer!

Leidenschaft mit bitterer Note

Leidenschaft, Liebe und Schicksal beherrschen auch den Roman "Mach mal Feuer, Kleine" von Martin Smaus. Allerdings haben alle Gefühle hier einen bitteren Beigeschmack. Erzählt wird die Geschichte von Andrej Dunka, der irgendwann in den 1960er Jahren in einer Romasiedlung in der Ostslowakei geboren wird. Mit vier Jahren kommt er zu Verwandten nach Prag und wächst am Rand der Legalität auf. Hier lernt er zu überleben in einer Nischenwelt. Immer wenn er die Grenze zu den Nicht-Roma übertritt, geht das irgendwann schief. Aber immer wieder rappelt er sich auf.

Cover Martin Smaus: "Mach mal Feuer, Kleine", dtv Premium

"Andrejko lief mit dem schönsten Mädchen von ganz Pilsen durch die Stadt und bemerkte die säuerlichen Mienen der Passanten nicht, nicht die Wut und den Neid in ihren Augen. (...) eines Abends knöpften sie sich Andrejko zu dritt vor. (...) Finger weg von ihr, du zerlauste Zigeunerfresse, sagte der Größte ruhig, während sie ihn gegen die Wand drückten...Wenn wir dich noch einmal erwischen, dann brechen wir dir die Beine, dann kannste das Laufen vergessen, kapiert?"

Autor Martin Smaus verwebt die Geschichte des ständigen Auf und Ab im Leben des Romakindes Andrej Dunka mit der Kultur der Roma und den Klischees über sie. Eine traurige Geschichte. Sie ist zwar fiktional – aber man weiß, dass mehr Wahres dran ist, als man möchte.

Kulturgeschichte der Roma

Die CD "Sinti und Roma hören" liefert dann die Fakten, hier wird die Kulturgeschichte der Sinti und Roma erzählt. Wie sie von Indien aus in die Welt emigrierten, die Bedeutung ihrer Lieder, ihrer überlieferten Geschichten, ihrer Sprachen, und wie sie ab dem 14. Jahrhundert kontinuierlich ausgegrenzt und diskriminiert wurden.

Anja Tuckermann: "Sinti und Roma hören", Sprecher: Anne Moll, Rolf Becker, Silberfuchs Verlag
Bild: Silberfuchs-Verlag

Autorin Anja Tuckermann verklärt die Welt der Roma nicht, sie kommt ihnen aber auch nicht besonders nahe. In der CD steckt trotzdem so viel Basiswissen über die Kultur der Sinti und Roma, dass man neugierig wird und sich auf die Suche nach mehr Informationen macht.

Autorin: Marlis Schaum
Redaktion: Gabriela Schaaf

Alex Capus: "Léon und Louise", Carl Hanser Verlag, 320 Seiten, ISBN 978-3-446-23630-1, 19,90 Euro

Alex Capus: "Léon und Louise", Regie: Anna Hartwich, Sprecher: Ulrich Noethen, Der Hörverlag, 6 CD, Gesamtlaufzeit ca. 280 Minuten, ISBN 978-3-86717-698-9, 19,95 Euro.

Martin Smaus: "Mach mal Feuer, Kleine", dtv Premium, 359 Seiten, ISBN 978-3-423-24827-3, 14,90 Euro.

Anja Tuckermann: "Sinti und Roma hören", Sprecher: Anne Moll, Rolf Becker, Silberfuchs Verlag, 1 CD, Gesamtlaufzeit 80 Minuten, ISBN 978-3-940665-25-6, 24 Euro.