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Aufschub bei Fiskalpakt?

Sabine Kinkartz21. Juni 2012

Bundesregierung und Opposition sind sich einig, die Mehrheit im Bundestag steht. Neues Ungemach droht indes aus Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht könnte den Rettungsschirm ESM ausbremsen.

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Der Fraktionschef der SPD, Frank-Walter Steinmeier (Mitte r) und der Vorsitzende der Partei, Sigmar Gabriel (Mitte l), informieren am Donnerstag (21.06.2012) vor dem Kanzleramt in Berlin wartende Journalisten über den Ausgang der Gespräche mit der Bundesregierung über den Fiskalpakt. Hinter verschlossenen Türen fand ein Treffen der Partei- und Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU, FDP, SPD, Grüne und Linke mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zum europäischen Fiskalpakt und Euro- Rettungsschirm ESM statt. Foto: Wolfgang Kumm dpa/lbn
Bild: picture-alliance/dpa

Am Ende war es nur noch die Linke, die aus ihrer Ablehnung weiterhin keinen Hehl macht. Mit dem Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin in Europa werde "der Sozialabbau in Marmor gemeißelt", so die Parteivorsitzende Katja Kipping. Der Pakt enthalte so große Kürzungs- und Verarmungsprogramme, dass die Linke ihn im Bundestag ablehnen und vor dem Bundesverfassungsgericht klagen werde, kündigte Kipping nach einem mehrstündigen Gespräch im Kanzleramt an.

Dort hatten die Spitzenpolitiker aller im Bundestag vertretenen Parteien an diesem Donnerstag (21.6.) noch einmal mehr als drei Stunden darüber verhandelt, wie eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag für die Ratifizierung des Fiskalpakts und zustande kommen könnte.

Alles erreicht, was durchsetzbar war

Im Ergebnis konnten sich SPD und Grüne mit ihrer Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer durchsetzen. Grünen-Parteichef Cem Özdemir erklärte, die Bundesregierung habe sich in zentralen Punkten auf die Opposition zubewegt. Die reine Sparpolitik sei zu Ende. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sagte, man habe sich mit der Bundeskanzlerin auf ein Maßnahmenpaket für Wachstum und Beschäftigung in Europa geeinigt. Dafür müsse es eine nachhaltige Einnahmequelle geben und das sei die Besteuerung der Finanzmärkte. Wenn es dafür in der Euro-Zone keine Mehrheit geben werde, dann werde Deutschland darauf abzielen, die Steuer mit neun Mitgliedsländern in einer "Koalition der Willigen" durchzusetzen, so Gabriel.

Berlin: Zustimmung zu Fiskalpakt

SPD-Fraktionsführer Frank-Walter Steinmeier ergänzte, die zurückliegenden acht Wochen Verhandlung seien ein "hartes Stück Arbeit" gewesen. Insgesamt sei aber ein Ergebnis erzielt worden, bei dem er "mit einigem Selbstbewusstsein" vor seine Fraktion treten und Zustimmung signalisieren könne.

Kein Schuldentilgungsfonds

Auch die Regierungskoalition ist mit dem Verhandlungsergebnis offenbar zufrieden. Union und FDP konnten den von der Opposition geforderten europäischen Schuldentilgungsfonds abblocken und das, so betonte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle, sei "ein ganz wichtiger Punkt" gewesen. "Ich bin sehr zufrieden, dass wir die gigantische Fehlentwicklung, die eine Vergemeinschaftung der Schulden dargestellt hätte, nicht auf den Weg bringen", so Brüderle nach dem Gespräch. "Da setzen wir ein deutliches Zeichen gegen die Begehrlichkeiten unserer Partner in Europa und der Euro-Zone: Der deutsche Staatshaushalt kann nicht die Probleme aller unserer Partnerländer lösen."

Die Grünen scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass der von ihnen zuvor vehement geforderte Schuldentilgungsfonds vorerst keine Chance auf eine Umsetzung hat. Parteichef Özdemir erklärte allerdings, angesichts der sich zuspitzenden Krise in Europa gebe es nach wie vor Anlass zur Sorge, was die Zukunft des Euro angehe. Entwarnung könne nicht gegeben werden. "Es bleibt das Problem, dass wir dramatische Schulden haben, von denen die Staaten realistischerweise nicht einfach runterkommen werden."

Die Zinsraten von sechs bis sieben Prozent für spanische und italienische Staatsanleihen würden zeigen, dass die Staaten ihre Probleme mit einem Sparkurs alleine nicht lösen könnten. Die Bundesregierung habe keine Antwort darauf, wie sich die Euro-Staaten aus der erpresserischen Umklammerung der Finanzmärkte befreien könnten. "Die Bundesregierung sieht die Lösung ausschließlich beim Konsolidieren, das reicht uns nicht", so Özdemir.

ARCHIV - Ein Sitzung des Bundesrates in Berlin. Foto: Tim Brakemeier dpa
Im Bundesrat führen die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer das WortBild: picture-alliance/dpa

Bundesländer müssen noch zustimmen

Für die Regierung ist der entscheidende Punkt, dass der Fiskalpakt und der dauerhafte Rettungsschirm ESM nun doch noch vor der Sommerpause in einem Paket im Bundestag ratifiziert werden können. "Ich lasse mich auf Triumphgeheul, wer hat sich gegen wen durchgesetzt, nicht ein", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Es seien schwierige Verhandlungen gewesen, die aber von der Einsicht getragen worden seien, dass Deutschland als wirtschaftsstärkstes Land in Europa seinen Beitrag leisten müsse, um den Euro zu stabilisieren und die Krise zu überwinden. "Das ist eine wichtige Botschaft für Europa, ein Signal an die Märkte, dass wir in Europa handlungsfähig sind", so Kauder.

Der Unionsfraktionschef ist sich sicher, dass auch die Bundesländer dem Fiskalpakt zustimmen werden. Hier steht eine Einigung noch aus. Die Länder befürchten, dass durch den Fiskalpakt größere finanzielle Belastungen auf sie zukommen könnten, und fordern einen finanziellen Ausgleich. Am kommenden Sonntag trifft sich die Bundeskanzlerin zu abschließenden Gesprächen mit den Ministerpräsidenten.

Stoppt Karlsruhe den ESM?

Am kommenden Freitag soll zunächst der Bundestag, und anschließend der Bundesrat über den Fiskalpakt und den ESM abstimmen. Unmittelbar danach, so haben sie es jedenfalls angekündigt, werden die Linkspartei und die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin beim Bundesverfassungsgericht gegen die Gesetze klagen. In einem solchen Fall, so sagte eine Gerichtssprecherin in Karlsruhe, würde der zuständige Zweite Senat allerdings den Bundespräsidenten bitten, mit der Unterzeichnung der Gesetze zu warten. Die Richter müssten dann erst einmal das umfangreiche Material sichten.

Ein Aufschub hätte zur Folge, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM nicht, wie geplant, zum 1. Juli in Kraft treten könnte. Angesichts der anhaltenden Turbulenzen in der Euro-Zone wäre das sicherlich keine gute Nachricht.