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Auftakt zur Ära der Instabilität?

Michael Knigge / cgn27. Januar 2016

Der Sicherheitsbericht zur Münchner Sicherheitskonferenz zieht ein negatives Fazit für das abgelaufene Jahr und auch der Ausblick für 2016 ist nicht gut. Es gilt als Jahr der wachsenden Krisen.

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Syrien Bombenanschläge in Homs
Bild: Reuters/Sana

Es wäre unfair zu behaupten, dass die Autoren des diesjährigen Berichts zur Münchner Sicherheitskonferenz nicht versuchen würden, für das Jahr 2015 ein paar positive Entwicklungen zu präsentieren. Allerdings war es ein Jahr, das von zahlreichen Krisen gekennzeichnet war, die anstatt gelöst zu werden, immer weiter eskaliert sind. Die wenigen positiven Errungenschaften des vergangenen Jahres lassen sich demnach wie folgt skizzieren:

Weniger als zehn Prozent der Weltbevölkerung lebt heute in extremer Armut. Tatsächlich ist dies eine drastische Reduzierung im Vergleich zu den Zahlen, die noch vor 25 Jahren erhoben wurden. Damals lebten rund 40 Prozent aller Menschen auf der Erde in extremer Armut.

In Paris haben die Regierenden der Welt ein potentiell bahnbrechendes Abkommen zu Bekämpfung des Klimawandels unterzeichnet.

Positives auch aus dem Nahen Osten. Nach Jahren langwieriger Verhandlungen haben sich die wichtigsten internationalen Kräfte und der Iran hinsichtlich des Atomprogramms geeignet.

Grenzenlose Konflikte

Aber abgesehen von diesen drei positiven Entwicklungen haben im vergangenen Jahr die Konflikte weiter deutlich zugenommen. Was diese Auseinandersetzungen so gefährlich und unberechenbar macht, ist die Tatsache, dass sie sich über Grenzen hinweg immer weiter verlagern. Das beste Beispiel für diese neue Grenzenlosigkeit ist nach dem Sicherheitsbericht der Nahe Osten. Der Krieg in Syrien habe sich zu einer uneingeschränkten Krise entwickelt. Auf mittlere Sicht kann es durchaus sein, dass alle bestehenden Staatsgrenzen im Nahen Osten in Frage gestellt werden. Das heißt, der Krieg dehnt sich immer weiter aus. Zudem hat sich der Krieg in Syrien zum Haupttreiber der weltweiten Flüchtlingskrise entwickelt. So ist 2015 das Jahr mit den größten Flüchtlingszahlen seit dem Zweiten Weltkrieg geworden.

Beispielhaft ist hier der Krieg mit dem so genannten Islamischen Staat (IS) zu nennen, der über die Grenzen der jeweiligen Länder hinausgeht. In destabilisierten Staaten, die quasi ein Vakuum aufweisen, hat der IS seinen Einfluss weit über seine Herkunftsorte in Syrien und dem Irak ausgeweitet. Der IS benutzt neueste Kommunikationsmethoden und hat etwa bei den Anschlägen in Paris gezeigt, dass er bereit ist, die offenen Grenzen in Europa für seine Terroranschläge zu nutzen.

Europa wird jedoch nicht nur durch den islamistischen Terrorismus bedroht. Die Sicherheitsordnung des Kontinents sei immer noch ungewiss. Der Ukraine-Konflikt bleibe nach wie vor ungelöst und die politische Einheit Europas werde durch den dramatischen Zustrom an Flüchtlingen und extreme Meinungsverschiedenheiten darüber, wie man damit umgehen soll, herausgefordert, heißt es in dem Report. Zu allem Übel ist auch ein Wiederaufleben des Nationalismus zu beobachten, mit der Folge, dass in Europa der grenzfreie Schengen-Raum in Gefahr gerate.

Ukraine Militär Winter
Der Ukraine-Konflikt geht unvermindert weiterBild: Getty Images/AFP/A. Stepanov

Lösungen für diese Krisen seien schwer zu schaffen, so der Bericht. Dies liege zum Teil an der Passivität innerhalb der Regierungen Europas und zum anderen am rücksichtslosen Verhalten einzelner Länder.

Europa fehlt gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

Einer der Hauptgründe für die jüngsten schwierigen Entwicklungen ist, dass sich die USA als Hauptkrisenmanager der Welt zurückgezogen hat. Zumindest in zwei Konflikten, in der Ukraine und in Syrien, spielen die USA eine weniger wichtige Rolle als in früheren Konflikten. Europa, das sich bislang immer als solider Akteur auf der internationalen Bühne präsentiert hatte, zeigt nun, dass man es versäumt hat, eine glaubwürdige Außen- und Sicherheitspolitik, wie im Vertrag von Lissabon vorgesehen, zu etablieren. Nun wird die Außenpolitik vom Streit über die Flüchtlingskrise und vielen anderen Problemen überrollt.

Dieser Unwille oder auch die Unfähigkeit der wichtigsten westlichen Mächte eine stärkere internationale Führungsrolle zu spielen, habe dazu geführt, dass ein Machtvakuum in den verschiedenen Konflikten entstanden sei. Diese erhöhen das Potenzial für weitere globale Krisen. Man könne durchaus behaupten, dass seit dem Ende des Kalten Krieges die Gefahr einer unbeabsichtigten Eskalation nie höher war, sagt Tobias Bunde, einer der Autoren des Sicherheitsberichts.

Droht ein weiterer Konflikt im Nahen Osten?

Auch die Beziehungen zwischen Russland und des europäischen Staaten gelten weiterhin als belastet. Im Nahen Osten könnten die Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien nicht schlechter sein. Es fehlen hier nur noch die direkten militärischen Konfrontationen, so der Bericht. Auch die Spannungen zwischen der Türkei und Russland sind sprunghaft angestiegen. In Asien hat die expansive Außenpolitik Chinas bei anderen Staaten für Unruhe gesorgt, so dass sich die Länder dort eine stärkere Rolle der USA wünschen.

So bleibt das Ergebnis des Sicherheitsberichtes und der Ausblick düster: Das Jahr 2016 wird wahrscheinlich ein Jahr der wachsenden Risiken, einschließlich militärischen Konfrontation. Es herrscht die Unsicherheit, auch hinsichtlich eines grundlegenden gesellschaftlichen Wandels, der sich anbahnen könnte. Es ist der Anfang einer instabilen internationalen Ära. Es sei schwer darauf eine Antwort zu geben, wie sich die internationale Gemeinschaft verhalten soll, so der Bericht. Gegenseitige Anerkennung und ein gemeinsames Handeln wäre ein guter Anfang, sagt Bunde.

Bildergalerie Flüchtlinge an griechischen Tankstellen
Europa hat immer noch keine gemeinsame Lösung beim FlüchtlingsproblemBild: DW/D. Cupolo