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Aufwind für das G36

Udo Bauer14. Oktober 2015

Gleich mehrere Untersuchungen zum G36 nahm Verteidigungsministerin von der Leyen entgegen. Sie sieht sich in ihrer Entscheidung bestärkt, das Sturmgewehr auszumustern. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

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Deutschland Sturmgewehr G36
Bild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Den öffentlichen Auftritt beherrscht Ursula von der Leyen - da kann kommen, was will. Lächelnd und charmant nimmt sie zwei Gutachten zum G36 entgegen. Das Sturmgewehr, dessen Ära sie bei der Bundeswehr vor einigen Monaten für beendet erklärt hat. Das eine Papier stammt von Hans-Peter Müller, dem Vorsitzenden einer Sachverständigengruppe. Er sollte die Schuldigen an dem jahrelangen Hin und Her in Bundeswehr und Ministerium suchen und die Schwachstellen vor allem im Beschaffungswesen benennen.

Das Gutachten bestätigt, was die Ministerin schon immer über den altmodischen "Männerverein" Bundeswehr gedacht hat: kein modernes Management, kein funktionierendes Controlling, keine Compliance-Kultur, ein altmodisches Computernetzwerk und überhaupt keiner ist Schuld an dem ganzen Skandal, weil die Verantwortlichkeiten ständig gewechselt haben. Um das zu ändern, ist von der Leyen einst als Ministerin angetreten.

Kein G36-Skandal?

Das Gefühl, das das "Pannengewehr" G36, mit dem man angeblich auf zehn Meter kein Scheunentor trifft, ein echter Skandal ist oder war, will sich nicht mehr einstellen, wenn man in das zweite Gutachten schaut.

Zwei würdige ältere Herren überreichen es der Ministerin: Winfried Nachtwei, langjähriger Verteidigungsexperte der Grünen und der FDP-Politiker Hellmut Königshaus, ehemaliger Wehrbeauftragter. Sie haben sich mit 150 Soldaten über die angeblichen Präzisionsprobleme des G36 im heißgeschossenen Zustand unterhalten. Mit Soldaten, die in Afghanistan viel echte Kampferfahrung gesammelt haben.

Ursula von der Leyen CDU (Foto: dpa)
Lächeln trotz weiter steigendem Druck: Verteidigungsministerin Ursula von der LeyenBild: picture-alliance/dpa/K.Nietfeld

Geliefert wie bestellt

Sein Fazit: Mit dem G36 hat es keinerlei Präzisionsprobleme in Gefechten gegeben. Die Waffe sei im Gegenteil bedienungsfreundlich, zuverlässig und alles andere als ein Pannengewehr, sagen die Befragten. Kein deutscher Soldat sei wegen des mangelhaften Gewehrs ums Leben gekommen oder verletzt worden. Was eigentlich wie ein Schuss vor den Bug der Ministerin war, lächelt von der Leyen weg. Und lässt noch einmal erklären, dass in mehreren Labortests "einwandfrei erwiesen" wurde, dass das G36 - wenn heißgeschossen - viel unpräziser sei als vergleichbare Waffen und deshalb bald durch eine neue Waffe ersetzt werden muss.

Das G36 ist vor 19 Jahren in die Truppe eingeführt werden, sollte 20 Jahre lang die Standardwaffe der deutschen Soldaten sein und war es auch (fast). Mittlerweile gibt es natürlich bessere Waffen, die mehr können und mehr abkönnen. Aber die deutsche Waffenschmiede Heckler & Koch hatte derzeit das geliefert, was bestellt war und was dem damaligen Stand der Technik entsprach.

Infografik Probleme mit Sturmgewehr G36 Deutsch
Ergebnis bisheriger Untersuchungen

Schwächere Position im Verfahren?

Tatsache ist aber auch: Das Verteidigungsministerium und Heckler & Koch liefern sich einen veritablen Rechtsstreit um das G36. Die Leyen-Behörde vertritt den Standpunkt, das Gewehr habe Produktmängel und macht Minderungsansprüche geltend. Heckler & Koch bestreitet das und hat in Koblenz eine Feststellungsklage eingereicht. Gut möglich, dass das Nachtwei-Königshaus-Gutachten jetzt die Verfahrensposition des Ministeriums schwächt. Dem Lächeln der Ministerin tut das keinen Abbruch - noch nicht.