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Ausländische Abschlüsse leichter anerkennen

4. November 2011

Kann Deutschland es sich leisten, die Berufsabschlüsse ausländischer Fachkräfte nicht zu akzeptieren? Nein, sagen die Politiker. Deswegen soll die Anerkennung ausländischer Abschlüsse künftig erleichtert werden.

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Ein Turm aus Styropor-Bausteinen vor dem Arbeitsministerium in Berlin soll den Fachkräftemangel in Deutschland symbolisieren (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ausländer in Deutschland sollen vom 1. März 2012 an einen Rechtsanspruch auf die Prüfung ihrer im Ausland erworbenen Qualifikationen haben. Einem entsprechenden Gesetz stimmte der Bundesrat am Freitag (04.11.2011) in Berlin zu. Damit passierte ein zentrales Vorhaben von Bundesbildungsministerin Annette Schavan die Länderkammer, obwohl SPD-geführte Länder zunächst noch Ablehnung signalisiert hatten. Ihre Kritik: Ergänzende Berufsqualifikationen sollen nach den Plänen Schavans nicht gefördert werden.

Das Gesetz war bereits Ende September im Bundestag verabschiedet worden. Nach Schätzungen leben hierzulande fast 300.000 Ausländer vor allem aus Nicht-EU-Ländern, die unterhalb ihrer Qualifikation arbeiten, weil ihre Berufsabschlüsse nicht anerkannt werden. Innerhalb von drei Monaten nach Vorlage aller Unterlagen sollen sie künftig Klarheit bekommen. In dem Bescheid soll ihnen auch mitgeteilt werden, welche Weiterbildung notwendig wäre, damit ihr Abschluss als gleichwertig anerkannt wird. Damit wird eine Rechtslage verändert, die von Experten als völlig unbefriedigend charakterisiert worden war.

Irrer bürokratischer Aufwand

Ein Beispiel: Anfang der 1990er Jahre kam Iris Kahan aus Israel nach Deutschland. Nach einem Bachelor-Studium und anschließender mehrjähriger College-Ausbildung war sie Sonderschullehrerin und Bewegungstherapeutin. So stand es jedenfalls auf dem Zeugnis. "In Deutschland zählte das aber nicht. Sie sagten mir, ich müsse erst einmal alles offiziell anerkennen lassen", erzählt die Israelin.

Dieses Anerkennungsverfahren wurde zum bürokratischen Hürdenlauf: Welches Ministerium war zuständig? Welche Dienststelle brauchte welche Bescheinigungen? "Es hat Wochen gedauert, bis ich die richtigen Ansprechpartner gefunden hatte", sagt Iris Kahan. Weil die zuständigen Beamten kein Hebräisch und nur selten Englisch sprachen, musste sie alle ihre Schul- und Uni-Zeugnisse sowie sämtliche Leistungsnachweise und Arbeitszeugnisse aufwändig übersetzen lassen – für umgerechnet rund 1000 Euro.

Keine Anerkennung der Abschlusszeugnisse

Ein roter Haken im Feld 'Abgelehnt' auf einem Formular (Foto: Fotolia / Stefan Rajewski)
Ende eines Hürdenlaufs ...Bild: Fotolia/Stefan Rajewski

Doch der Aufwand war umsonst: Ihr Abschluss werde in Deutschland nicht anerkannt, hieß es nach monatelanger Prüfung von den Behörden. Ihr Abschluss könne mit einem deutschen Lehramtsexamen bei weitem nicht mithalten, lautete die Erklärung. So arbeitete die Akademikerin erst einmal ein paar Jahre als Bewegungstrainerin in einem Kindergarten, bekam dafür weniger Lohn als ihre deutschen Kollegen und musste noch einmal einige Jahre an einer deutschen Universität studieren – erst dann hatte sie einen auch in Deutschland anerkannten Berufsabschluss.

Drei Monate für die Prüfung

Der Fall von Iris Kahan ist kein Einzelfall: Generationen von eingewanderten Akademikern haben diese Missachtung ihrer Berufsausbildung in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten erlebt. Das sei ein politischer Fehler, sagt Ilona Riesen, Referentin für Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln: "Es ist auf dem deutschen Arbeitsmarkt so, dass sehr stark auf formelle Abschlüsse geachtet wird. Viele Bereiche des Arbeitsmarktes sind dadurch für Migranten ohne einen deutschen Abschluss nicht zugänglich."

Autor: Armin Himmelrath
Redaktion: Svenja Üing/Martin Muno