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Politik

Aussöhnung durch Jugendaustausch

13. Dezember 2016

Die Kriege auf dem Balkan gehören der Vergangenheit an - doch die Vorurteile und Ängste sind immer noch präsent. Sie abzubauen, ist das Ziel eines neuen regionalen Jugendwerks. Adelheid Feilcke berichtet aus Tirana.

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Albanien Regional Youth Cooperation Office in Tirana
Bild: Adelheid Feilcke

Die Erfahrungen der kriegerischen und ethnischen Konflikte auf dem Balkan sind noch präsent, das Wissen über die Lebenswirklichkeit und die Perspektiven der Nachbarn auch bei jungen Menschen gering. Das soll sich ändern. Die Idee: Ein Balkan-Jugendwerk nach dem Vorbild des Deutsch-Französischen Jugendwerks. Im Bewusstsein einer schwierigen und schmerzhaften Vergangenheit sollen Jugendliche dadurch die Möglichkeit erhalten, die Menschen und die Kultur ihrer Nachbarn kennenzulernen, Freundschaften zu knüpfen und Vorurteile zu überwinden.

Die Regierungen der Länder Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montengro, Kosovo, Mazedonien und Albanien haben sich während der Westbalkankonferenz in Paris im Juli gemeinschaftlich auf den Aufbau eines Regionalen Jugendkooperationszentrums (RYCO) verpflichtet. Kaum sechs Monate später wurde es in Tirana feierlich eröffnet. "Europa kann nicht ohne den Beitrag der Jugendlichen aus den Ländern des Westbalkans aufgebaut werden", postulierte bei diesem Anlass Harlem Désir, Staatssekretär für Europa-Fragen im französischen Außenministerium. Und deshalb ist das Balkan-Jugendwerk prioritär und erstes sichtbares Ergebnis im sogenannten Berlin-Prozess, der 2014 von Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien angestoßen wurde. Das Ziel: Die sechs Balkanländer, die noch nicht in der EU sind, enger miteinander zu verzahnen und gemeinschaftlich an die EU heranzuführen.

Albanien Regional Youth Cooperation Office in Tirana
Startschuss für grenzüberschreitende Projekte auf dem BalkanBild: Adelheid Feilcke

Labor der europäischen Zusammenarbeit

Gerade zu einem Zeitpunkt, an dem Europa vor einer Zerreißprobe steht, wird das neue Jugendwerk als ein Meilenstein der grenzübergreifenden Zusammenarbeit und als wichtiges Zeichen der Völkerverständigung und des Friedens gesehen. Der serbische Minister für Sport und Jugend, Vanja Udovicic, beschreibt das Ziel des Jugendwerks gegenüber der DW so: "Wir wollen den jungen Menschen ermöglichen, durch ihr nachhaltiges Engagement und durch Kreativität ihre Träume zu verwirklichen und etwas Großes zu schaffen. Sie werden damit die klare Botschaft in die Welt senden, dass es auf dem Balkan keinen Platz für Feindschaften und Hass gibt."

Das RYCO soll ein einzigartiges "Labor" für grenzüberschreitende Projekte und die europäische Zusammenarbeit sein, wünschen sich die sechs Jugendvertreter, die den Prozess von Anfang an mitgestaltet haben. Doch wie soll das konkret umgesetzt werden? Noch gibt es außer zwei Büros, einigen Computern und  Büromöbeln in Tirana keine Infrastruktur. Dabei ist das erklärte Ziel, schon im nächsten Jahr erste Projekte an den Start zu bringen. Eine Million Euro stellen die beteiligten Länder dafür bereit. "Es ist der Anfang eines Prozesses, der zwar nicht leicht ist, aber hoffentlich lange wirken wird", erklärt der albanische Minister für Soziale Angelegenheiten, Jugend und Sport, Blendi Klosi, gegenüber der DW. Deshalb ist es gut, dass das deutsch-französische Jugendwerk von Beginn an den Jugendvertretern, die die Vorbereitungen zusammen mit den Ministerien betrieben haben, zur Seite stand: "Wir folgen dem Modell des sehr erfolgreichen Deutsch-Französischen Jugendwerks, und ich hoffe, dass auch bei uns die Zusammenarbeit sehr erfolgreich und fruchtbar sein wird", sagt Klosi.

Mit Transparenz gegen das Misstrauen

Das 1963 gegründete Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) ist Vorbild und Inspirationsquelle für das RYCO. Es organisiert seit vielen Jahren auch Programme zum interkulturellen Austausch unter Jugendlichen auf dem Balkan und trägt durch seine Expertise entscheidend zu den bisher gelungenen Vorbereitungen für das RYCO bei. Für Generalsekretärin Beatrice Angrand hat dieses Engagement auch eine klare politische Dimension: "Das RYCO ist sehr wichtig für den Frieden und die Stabilität in der Region, deren Bedeutung für Europa wir nicht unterschätzen sollten".

Albanien Regional Youth Cooperation Office in Tirana
Eröffnung des neuen Balkan-Jugendwerks in Tirana Bild: Adelheid Feilcke

Welche Projekte sollen aufgesetzt werden, wer darf sich bewerben? Wie sieht das Verfahren aus, wer entscheidet? Fragen über Fragen, die nicht nur formal zu lösen sind. Denn es geht, wie so oft, wenn Gelder verteilt werden, um Transparenz und Chancengleichheit. Tief sitzt bei den Vertretern der Zivilgesellschaft die Angst, dass die Politik, dass einflussreiche Interessengruppen die Gelder und Entscheidungen dominieren und bestimmen wollen. Deshalb ist das Jugendwerk schon im Ansatz so aufgestellt, dass neben den sechs Regierungsvertretern auch sechs Jugendvertreter der Länder zum Governing Board gehören. Und so war eine zentrale Forderung der Teilnehmer einer sogenannten Boost-Konferenz mit 50 regionalen und internationalen Experten aus Politik und Zivilgesellschaft, im Anschluss an die RYCO-Eröffnung in Tirana: Alles muss fair, inklusiv, transparent und niederschwellig gestaltet werden, damit auch Randgruppen und sozial benachteiligte Gruppen an den Ausschreibungen teilnehmen können. 

Der nächste Schritt ist nun erst einmal, einen geeigneten und in allen beteiligten Ländern akzeptierten Generalsekretär zu finden, dafür läuft das Verfahren jetzt an. Frank Morawietz, Südosteuropa-Beauftragter des Deutsch-Französischen Jugendwerks und Mitglied des internationalen Koordinationsteams von RYCO, weiß, dass es in dem komplizierten Geflecht der Länder und Interessen noch viele Fallstricke gibt: "Damit das RYCO wirklich ein Erfolg ist und vielleicht zur 'Visitenkarte' des Berlin-Prozesses wird, bedarf es noch erheblicher Anstrengungen."