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"Deutsche Mythen" im Haus der Geschichte

Maria-Therese Eiblmeier
16. März 2018

Inmitten der aktuellen Heimat-Debatte zeigt das Bonner Museum deutsch-deutsche Mythen nach 1945. Dabei wird deutlich: Kollektive Erinnerungen stiften Identität. Und - na klar: Der Fußball ist wichtig fürs Land.

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"Die Traktoristin": Statue von Walter Arnold vor der Inschrift "Arbeiter und Bauernstaat"
Der Arbeiter- und Bauernstaat war ein Mythos der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) Bild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

Schon im Eingangsbereich teilt sich die aktuelle Ausstellung im Haus der Geschichte in Bonn in zwei deutsche Bereiche: die Gründungsmythen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) auf der einen, die Gründungsmythen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) auf der anderen Seite. Beide entwickelten sich nach 1949 als zwei politisch völlig unterschiedlich ausgerichtete deutsche Staaten.

Auf der linken Seite werden für die ersten Jahre der westdeutschen BRD das sogenannte Wirtschaftswunder und die Einführung der D-Mark als Mythen einer erfolgreichen Aufbauzeit nach der Staatsgründung 1949 aufgeführt. Rechts stehen Plakate und Zeugnisse sozialistischer Propaganda für die ersten Jahre der DDR. Der von oben verordnete "Antifaschismus" ist ein Gründungsmythos der ostdeutschen Republik.

"Mythen versammeln Menschen hinter sich"

Bei Mythen handele es sich nicht um erfundene Sagen oder "Fake News", wie man heute sagen würde, erklärt Kurator Daniel Kosthorst, sondern um "Erzählungen der kollektiven Erinnerung". Einen gemeinsamen deutschen Mythos gebe es deshalb im getrennten Nachkriegsdeutschland nicht, wie man in der Ausstellung gut sehen kann. Beide deutsche Staaten haben jeweils ihre eigenen, oft politisch grundierten Mythen entwickelt.

Welche Ereignisse aus Politik, Sport, Kultur oder Gesellschaft seit Ende des Zweiten Weltkrieges zu Mythen geworden sind und welche nicht, davon können sich die Besucher anhand von 900 Exponaten aus sieben Jahrzehnten ein eigenes Bild machen. Die historische Auswahl zeigt vor allem, wie subjektiv Mythen wahrgenommen und weitererzählt werden.

Mythen seien generell "ein schwieriges, aber spannendes Thema", betont Hans Walter Hütter, der Präsident der Stiftung Haus der Geschichte in Bonn. Der Begriff allein sei schwer definierbar, für ihn stehe allerdings fest: "Mythen versammeln Menschen hinter sich."

Flash-Galerie Deutschland Geschichte Kultur Fußball WM 1954 Nationalmannschaft
Sie versetzten ein ganzes Land in Ekstase: Die Weltmeister 1954 um Fritz Walter und Horst EckelBild: picture-alliance/dpa

WM-Sieg 1954: "Wir sind wieder wer"

Die Ausstellung war in ähnlicher Form bereits im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig zu sehen. In Bonn prangt in großen Lettern ein Zitat des französischen Schriftstellers Marcel Proust an der ersten Wand des Ausstellungsrundgangs: "Erst im Gedächtnis formt sich die Wirklichkeit." Und oft kann erst aus rückblickender Perspektive beurteilt werden, ob aus einem Ereignis ein historisch bedeutsames Datum oder sogar ein Mythos wird.

Ein gutes Beispiel ist der Sieg der westdeutschen Nationalmannschaft über Ungarn bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in Bern. In der Ausstellung ist die legendäre Radio-Reportage von Herbert Zimmermann zum Siegtreffer der Deutschen im Original-Ton zu hören - sie ist fest verankert im kollektiven Gedächtnis der westdeutschen Gesellschaft. "Wir sind wieder wer", hieß es damals in der westdeutschen Bevölkerung voller Stolz über den WM-Triumph.

Für ein gesamtdeutsches Identitätsgefühl sorgte dann 2006 auch wieder der Fußball: Während des "Sommermärchens" feierten Ost- und Westdeutsche gemeinsam. Der berühmte Spickzettel von Torhüter Jens Lehmann mit den Schussvorlieben der argentinischen Schützen erinnert daran.

Die Ausstellung "Deutsche Mythen seit 1945" ist bis zum 14. Oktober im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen. Der Eintritt ist frei.