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Kunst

Kassel zeigt Satire aus der Türkei

20. Juli 2017

Seit dem Putschversuch vor einem Jahr in der Türkei hat Präsident Erdogan die Pressefreiheit stark eingeschränkt und die Demokratie beschnitten. Die Caricatura Kassel zeigt, was Cartoonisten in diesen Zeiten noch dürfen.

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Deutschland Ausstellung "Schluss mit lustig - Aktuelle Satire aus der Türkei"
Bild: LeMan/Caricatura

Präsident Recep Tayyip Erdogan mit Hitlerbart zu zeigen, ist okay. Ihn als Tier darzustellen, das geht überhaupt nicht. Zu groß die Herabwürdigung in dem Fall, werde Erdogan doch als Führer in seiner Bewegung gesehen, erklärt die in Istanbul lebende Kuratorin von "Schluss mit Lustig - Aktuelle Satire aus der Türkei" Sabine Küper-Busch. Eine Karikatur, in der zwei Schafe kundtun, nicht vom Hirten Erdogan behütet werden zu wollen - auch das geht nicht. Die Zeichnung zog ein Ermittlungsverfahren nach sich.

Ganz im Gegensatz zur Hitlerdarstellung. Die Zeichnung auf dem Titel der Karikaturzeitschrift "LeMan", die den türkischen Präsidenten in der Manier des ehemaligen deutschen Diktators zeigt (s. Foto unten), sowie rund 70 weitere Arbeiten 50 prominenter türkischer Cartoonisten sind vom 20. Juli bis 27. August in der Caricatura-Galerie in Kassel zu sehen. Darunter zwei Filme sowie zwei leere Leinwände, die erst während der Ausstellung gestaltet werden.

Eine Frau betrachtet eine der Charikaturen in der Ausstellung "Schluss mit Lustig" in der Caricatura. (Foto: Picture alliance/dpa/G. Gehlen)
"Schluss mit Lustig" zeigt unter anderem Titel der wichtigsten Satirezeitschriften der TürkeiBild: Picture alliance/dpa/G. Gehlen

Grenzen der Pressefreiheit mal anders sichtbar

Besonders ist, dass sämtliche Werke, ehe sie nach Hessen kamen, zuvor in der Türkei publiziert wurden, und zwar - anders als bei der Karikatur mit Erdogan und den Schafen - ohne negative Folgen für die Künstler. Besucher bekommen so einen Eindruck, wie weit Cartoonisten mit ihren Zeichnungen in Erdogans Türkei nach dem Putsch noch gehen können, ohne eine Strafverfolgung zu fürchten. 

Die Übersetzung ins Deutsche der Arbeiten sowie Führungen auf Deutsch und Türkisch erleichtern es den Besuchern zudem, den Sinn der einzelnen Karikaturen und Zeichnungen zu erschließen. 

Im Fokus: Gesellschaftskritik

Thematisch geht es den Karikaturisten aber nicht allein um Erdogan, sondern vielmehr um Kritik an der Gesellschaft. Ihre Werke behandeln feministische Themen und sexuelle Tabus, setzen sich mit der Flüchtlingskrise und US-Präsident Donald Trump auseinander. 

Ramize Erer hält ein Mikro in der Hand. (Foto: Imago/R. J. Panoramic)
Ramize Erer im Januar beim Internationalen Comicfestival von AngloulêmeBild: Imago/R. J. Panoramic

Die in Istanbul und Paris lebende Karikaturistin Ramize Erer räumt allerdings auch ein, dass unter den türkischen Satirezeichnern im Moment eine starke Selbstzensur herrsche. "Jeder überlegt sich fünfmal, was er zeichnet." Und so trauen sich Zeichner in der Türkei immer seltener an politische Themen, weil schon jetzt zahlreiche Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung laufen. 

Unter den 160 derzeit in der Türkei inhaftierten Journalisten befinde sich ebenfalls ein Cartoonist, die Szene werde insgesamt sehr gegängelt, präzisiert Kuratorin Küper-Busch. Auch wenn es eine Zensur im eigentlichen Sinne nicht gebe, drohe stets ein Ermittlungsverfahren. Im vergangenen Jahr etwa wurden zwei Karikaturisten der Satire-Zeitschrift "Penguen" wegen Beleidigung Erdogans zu hohen Geldstrafen verurteilt.

Zeichner Tan Cemal Genç aus der Türkei -betrachtet eine kleine gelbe Figur, die eine Pistolenkugel abfängt. (Foto: picture alliance/dpa/G. Gehlen)
Zeichner Tan Cemal Genç widmete diese kleine gelbe Figur den getöteten Karikaturisten von "Charlie Hebdo"Bild: picture alliance/dpa/G. Gehlen

Soziale Netzwerke als Zufluchtsort?

Der Karikaturist Tan Cemal Genç publiziert aus den genannanten Gründen momentan hauptsächlich in Sozialen Netzwerken. Diese, so Genç, stünden weniger im Fokus der Behörden. 

Auf Dauer hoffe er aber natürlich, dass sich die Lage wieder bessere. "Der Ärger über die Regierung wird stärker", sagt er. Auch wenn dies von außen nur wenig wahrgenommen werde. Fakt sei, dass die Regierung große Angst vor der Aufmerksamkeit des Auslandes habe.

bb/pl (mit dpa, epd)

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