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Serena Williams Wonderwoman

Marko Langer
23. Januar 2017

Sie dreht Musik-Videos und füllt die Stadien. Sie hämmert ihre Gegnerinnen mit Aufschlag und Return vom Platz. Bald dürfte sie zurück an der Weltspitze sein. Dabei ist Serena Williams längst mehr als ein Tennis-Profi.

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Australien Serena Williams Australien Open 2017
Bild: Getty Images/C. Brunskill

Es war ein grässliches Spiel. Am Anfang schaffte es Serena Williams nicht, ihren Aufschlag durchzubringen. Und danach - wieder nicht. Einmal half der späteren Siegerin gleich zweimal hintereinander die Netzkante, und die unterlegene Barbora Strycova schaute, als würde sie Williams gerne in dieses Netz einwickeln und zur Strafe für soviel Glück im Yarra River in Melbourne verklappen, wo schon andere Siegerinnen und Sieger baden gingen, zumeist freiwillig allerdings. Das hat die Tschechin dann aber doch nicht gemacht. Vielleicht, weil Serena wie zur Vorsicht beide Hände zur Entschuldigung hob. 

Nicht zum Spaß hier

Am Ende siegte Serena bei der Australian Open 7:5, 6:4 gegen die tapfer kämpfende Tschechin, die zwar clever spielt, aber selbst an besten Tagen kein Gradmesser für die beste Tennisspielerin der Welt sein dürfte. Aber nun, da sich Angelique Kerber so schnell aus dem Turnier in Australien verabschiedet hat, rechnen viele Beobachter wie etwa die kundige Martina Navratilova damit, dass sich "Serena" ihre Krone zurückholt bei den Australian Open. Es klang fast wie eine Drohung, als sie vor ein paar Tagen sagte: "I'm only here for one reason." Nein, Frau Serena Jameka Williams ist nicht zum Spaß hier in Melbourne.

Tennis - Australian Open - Melbourne Park, Melbourne, Australia
Bild: Reuters/J. Reed

"C'mon!" Dieser laute, gepresste Schrei etwa nach Aufschlag-Assen, die sich dann später doch einstellten, war auch im Spiel gegen Strychova wieder zu hören. Der Stuhlschiedsrichterin reichte es nach dem ersten Satz und sie murmelte "Serena" - niemand nennt sie anders auf der Tour - eine sanfte Warnung zu. Dabei ist dieses "C'mon", das eigentlich "Come on" heißen soll, nichts anderes als die Corporate identity der Serena Williams auf der Zielgeraden ihrer fulminanten Karriere. Sie spielt gelegentlich gruselig fehleranfällig, bewegt sich schwerfällig, streut Bälle und schaut danach manchmal so verdutzt, als könne sie selbst nicht verstehen, wo dieses Ding nun wieder hingeflogen ist. Aber: Serena ist nach Verletzungspausen wieder da - und gewinnt.

Gnadenlose Vorhand

Und das mit dem grässlichen Tennis ist auch sehr relativ. Wer einmal den Spielerinnen zuhört, die auf der anderen Seite des Platzes Serena gegenüberstehen, vermag sich einigermaßen vorzustellen, mit welcher Wucht die 35-Jährige zum Beispiel den Aufschlag ins Feld donnern kann oder gnadenlos die Vorhand cross zurückhämmert, wenn der eigene Aufschlag mal nicht druckvoll oder lang genug ist. "C'mon!" Sie selbst fand ihre Partie gegen Strycova übrigens gar nicht so schlecht. 

Tennis Serena Williams Box Anna Wintour und Shelby Bryan
Wenn Serena Williams spielt, sitzt manchmal nicht nur ihre Mutter Oracene (vorne, Mitte) in der Zuschauerbox. Vogue-Chefin Anna Wintour (hinten links) schaut dann auch gelegentlich vorbei - hier in Wimbledon 2015Bild: picture alliance/empics/S. Dempsey

In der Pressekonferenz danach interessierten sich die Journalisten bezeichnenderweise eher für die Hochzeitspläne von Frau Williams als für sportliche Fragen. Im Dezember hatte die Sportlerin ihre Verlobung mit Landsmann Alexis Ohanian bekannt gegeben. Der Mitbegründer der Social-News-Plattform Reddit habe vor ihr "niedergekniet und hat die Frage mit vier Wörtern gestellt", verriet Williams via Facebook. How sweet! Manchmal sei ihr Leben wie ein Märchen, meint Serena gelegentlich.

Die Diva

Überhaupt hatte man im vergangenen Jahr das Gefühl, Serena Williams meine es nicht mehr ganz so ernst mit dem Profitennis. Nach 22 Grand-Slam-Siegen wäre es ihr nicht zu verdenken. Immer wieder tauchten Strandfotos von der Sportlerin auf, die nicht nur wegen ihres Vertrages mit Nike und den vor allem modischen Sportoutfits in den USA als Stilikone gilt. Inzwischen tritt sie mit einer Art schwarzen Ärmelschonern auf den Platz, und vor dem Warmspielen ohnehin immer mit den weißen Kopfhörern bewaffnet, die als so schwer angesagt gelten. Welche Musik sie da hört?  Als die andere große schwarze Frau des US-Showbusiness, Beyoncé, im vergangenen Jahr ihr inzwischen rekordverdächtiges Konzept-Album "Lemonade" veröffentlichte, war Serena mit dabei. Im Video zum Song "Sorry" tritt Williams wie eine Diva auf und tanzt um die Sängerin herum.

Und spätestens hier wird die neue Dimension der Karriere von Serena Williams offensichtlich. "Sorry" ist übrigens der Song, in dem Sängerin Beyoncé mit dem Kerl abrechnet, der sie mit "fucking excuses" immer wieder betrogen hat. "Middle fingers up / Put them hands high / Wave it in his face / Tell 'em boy bye", lautet die Zeile, zu der Serena Williams Gesten macht, als würde sie gerade eine Erstrundengegnerin zum Frühstück verspeisen. Frei übersetzt: "Zeig ihm dem Mittelfinger, knall ihm eine und schick den Typen zum Teufel."

USA Serena Williams und Patrick Mouratoglou
Die Königin, ihr Stab und der Trainer Patrick Mouratoglou (rechts). Dass die beiden mehr als eine Arbeitsbeziehung hatten, ist wohl Vergangenheit Bild: Getty Images/AFP/G. Wood

"Middle fingers up!" Serena Williams Superwomen. Die Organisatoren der Australian Open und anderer Turniere sind froh, dass sie wieder da ist. Die Bude ist voll, wenn Williams spielt. Ob die Britin Johanna Konta, am Mittwoch ihre nächste Gegnerin in Melbourne, diesen Frohsinn teilt, weiß man nicht so genau. Aber die Zuschauer lieben Serena mit ihrem gelegentlichen Drang zum Drama. Selbst im kalifornischen Indian Wells wird man auch 2017 wieder glücklich sein, wenn Serena anreist. 14 Jahre lang hatte sie dieses Turnier strikt gemieden, nachdem sie 2001 im Finale vom Publikum ausgepfiffen und mit unflätigen rassistischen Bemerkungen bedacht wurde. Serena Williams 2017 würde sich das nicht mehr anhören. "Middle fingers up!"