1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Gesellschaft

Heiliger Geburtenbaum von Straße bedroht

30. September 2019

Der Umgang Australiens mit seinen Ureinwohnern gilt seit jeher als heikel. Im Südosten plant die Regierung, einen heiligen Baum für den Ausbau eines Highways zu fällen. Aborigines und deren Unterstützer wehren sich.

https://p.dw.com/p/3QSqE
Der Geburtenbaum der Djab Wurrung in Australien
Protestcamp für den Erhalt des Geburtenbaums und gegen die Abholzung weiterer Bäume Bild: picture-alliance/dpa/C. Sator

Auf den ersten Blick ist es ein Baum wie jeder andere. Nur wer genauer hinschaut, sieht den Hohlraum im Inneren des Stamms und die Markierungen. Hier haben Aborigines-Frauen im Lauf der Jahrhunderte Kinder zur Welt gebracht. Der Rote Eukalyptus ist ein sogenannter Geburtenbaum, mehr als 600 Jahre alt. Im Boden haben viele Generationen Aborigines nach Entbindungen die Plazenta, den Mutterkuchen, vergraben.

Für den Stamm der Djab Wurrung, der hier schon lebte, lange bevor die Weißen kamen, sind der Baum und die Erde heilig.

Jetzt allerdings soll der Geburtenbaum abgeholzt werden, damit der Western Highway - die Hauptverbindung zwischen den Großstädten Melbourne und Adelaide - ausgebaut und zwei Spuren breiter gemacht werden kann. Die zuständige Regierung des Bundesstaats Victoria begründet die Pläne mit der Bedeutung der Straße für die gesamte Region und mit der Sicherheit. Auf dem viel befahrenen Highway gab es seit 2014 mindestens zwölf Verkehrstote.

Der Geburtenbaum der Djab Wurrung in Australien
Um die Bäume herum haben Gegner der Straßenbaupläne ein Camp errichtetBild: picture-alliance/dpa/C. Sator

Auf einer Strecke von zwölfeinhalb Kilometern in der Nähe der Stadt Ararat sollen insgesamt mehr als 1350 Bäume fallen. Nach Angaben der Straßenbaubehörde könnten es sogar 3000 sein. Doch inzwischen ist der Protest so groß, dass der Beginn der Bauarbeiten mehrfach verschoben werden musste. Zwei Jahre ist man schon in Verzug.

Rund um den Baum kampieren seit Monaten mehrere Dutzend Leute: einige Aborigines, aber noch mehr Weiße. Die meiste Zeit waren die Proteste friedlich. Inzwischen kommt es vermehrt zu Handgreiflichkeiten.

Der Geburtenbaum der Djab Wurrung in Australien
Der Stein des Anstoßes: Dieser Highway soll verbreitert und ausgebaut werdenBild: picture-alliance/dpa/C. Sator

Der Geburtenbaum ist zu einer Angelegenheit von nationaler Bedeutung geworden. Viele sehen darin einen weiteren Beweis, wie wenig Rücksicht Australiens weiße Mehrheit immer noch auf die Ureinwohner nimmt. Die etwa 700.000 Aborigines sind in sehr vielen Belangen immer noch benachteiligt.

Nur ein Lippenbekenntnis?

2008 verabschiedete das australische Parlament eine Resolution, die die langjährige Diskriminierung der Ureinwohner anerkannte. Der damalige Ministerpräsident Kevin Rudd sagte: "Für die Erniedrigung und Herabsetzung, die einem stolzen Volk und einer stolzen Kultur zugefügt wurden, sagen wir Entschuldigung." In Rudds Rede hieß es weiter: "Die Zeit ist gekommen, für die australische Nation ein neues Kapitel in ihrer Geschichte aufzuschlagen, in dem wir das Unrecht der Vergangenheit ausgleichen und so mit Zuversicht in die Zukunft schreiten." Für die Protestierenden dürften diese Worte heute wie Hohn klingen.

Der Geburtenbaum der Djab Wurrung in Australien
Zellanach Djab Mara führt die Proteste anBild: picture-alliance/dpa/C. Sator

Geleitet wird das Protestcamp von Zellanach Djab Mara. Den Baum vergleicht er mit der Kathedrale Notre-Dame in Paris, die ebenfalls mehr als 600 Jahre alt ist und deren Brand im Frühjahr überall Schlagzeilen machte. "Ich kann auch nicht einfach in eure Kirche gehen, die Stühle herausnehmen, weil ich da einen Highway durchbauen will, und sagen: 'Das Gebäude bleibt ja stehen.' So darf das auch hier nicht sein."

Inzwischen gibt es vonseiten des Staates das Angebot, einen kleinen Teil der Bäume wegen deren kultureller Bedeutung zu verschonen: 15 von mehr als 1350. Dazu würde auch der Geburtenbaum gehören. Djab Mara sagt jedoch: "Man kann nicht nur Teile der Kirche anerkennen. Man muss die ganze Kirche anerkennen."

ust/se (dpa, abc, Twitter, VicRoads)