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Auszeichnung für kongolesischen Arzt

Philipp Sandner1. Dezember 2013

Allen Bedrohungen zum Trotz: Denis Mukwege setzt sich für Frauen ein, die in der Demokratischen Republik Kongo Opfer von Gewalt wurden. Dafür wird ihm nun in Stockholm der Alternative Nobelpreis verliehen.

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Denis Mukwege bei der Arbeit (Foto: Right Livelihood Award)
Bild: Stina Berge

Donnerstag, 25. Oktober 2012: Unbekannte dringen schwer bewaffnet in das Anwesen eines kongolesischen Arztes ein, als er gerade mit dem Auto nach Hause kommt. Ein Angestellter versucht den Arzt zu warnen - und bezahlt dafür mit dem Leben. Der Hausherr entkommt unverletzt. Das Attentat ist bis heute nicht aufgeklärt worden. Der Arzt, auf den es die Angreifer abgesehen hatten, ist Denis Mukwege, Leiter des Panzi-Krankenhauses in der ostkongolesischen Universitätsstadt Bukavu. Er ist spezialisiert auf gynäkologische Eingriffe und behandelt täglich Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt wurden. Wiederholt sprach er sich gegen sexualisierte Gewalt als Mittel der Kriegsführung aus - ein Engagement, das offenbar manchen zu weit ging.

Für seinen Einsatz wird Mukwege am Montag (02.12.2013) in Stockholm der "Right Livelihood Award" verliehen - besser bekannt als Alternativer Nobelpreis. Das gab die Stiftung bereits im September bekannt - und löste Freude in seiner kongolesischen Heimat aus. Mukwege sei eine große Hilfe für die vergewaltigten Frauen, sagt Thérèse Mema von der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der Erzdiözese von Bukavu. "Er steht ihnen zur Seite, berät sie in allen Fragen und ist doch bescheiden", erklärt sie der Deutschen Welle. "Deshalb freuen wir uns sehr, dass ihm die ganze Welt diesen Preis verleiht."

"Für andere da sein"

Seine Arbeit ist Berufung für den heute 58-Jährigen. Inspirationsquelle sei ihm sein Vater gewesen, ein Pfarrer. "Er hat mir die Gabe vermittelt, für andere da zu sein", sagte Mukwege der Deutschen Welle, als ihm 2009 der Olof-Palme-Preis verliehen wurde. "Für mich war das eine ganz kleine Sache, aber ich sagte mir, es wäre gut, diese Arbeit fortzusetzen." Nach einem Studium der Medizin im Nachbarland Burundi arbeitete er zunächst in einem Krankenhaus im kleinen Ort Lemera in der ländlichen Region Südkivu. Er war schockiert, wie viele Frauen dort alltäglich starben - etwa bei der Geburt ihrer Kinder. "Das hat mich dazu bewegt, mich mehr auf die Behandlung von Frauen zu spezialisieren", sagt Mukwege. Er schloss ein Studium der Gynäkologie und Geburtshilfe in Frankreich an.

Das Panzi-Krankenhaus in Bukavu (Foto: AFP)
Das Panzi-Krankenhaus in BukavuBild: Adia Tshipuku/AFP/Getty Images

Zurück im Kongo, damals noch Zaire genannt, sah sich Mukwege dann ganz neuen Herausforderungen gegenüber. Lemera lag Mitte der 1990er Jahre mitten im Kampfgebiet der Kongokriege und wurde 1996 komplett zerstört. Die verschiedenen Rebellengruppen und Soldaten setzten zunehmend Vergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung ein. Mit internationaler Unterstützung zog Mukwege ein neues Projekt auf - das Panzi-Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Bukavu. Besonders mit seiner gynäkologischen Abteilung machte sich das Krankenhaus schnell einen Namen. Hier behandelten Mukwege und seine Kollegen Frauen und Mädchen aus der ganzen Provinz, die den Kriegsparteien in den Dörfern schutzlos ausgeliefert waren.

Einsatz für Frauenrechte

"Es sind die Frauen, die die kongolesische Gesellschaft am Leben erhalten", sagt der Gynäkologe. "Man braucht nur durch die Straßen zu gehen, um festzustellen, dass es die Frauen sind, die in der Gesellschaft die meiste Arbeit leisten." Damit würden sie gerade die heranwachsende Generation unterstützen, in dem sie etwa ihren Kindern die Schulbildung finanzierten. Die Kämpfer würden daher bewusst die Entscheidung treffen, zuerst die Frauen zu attackieren.

Karte der kongolesischen Provinzen Nord- und Südkivu mit den Nachbarländern Uganda, Ruanda und Burundi (Grafik: DW).
Kriegsschauplatz seit zwei Jahrzehnten: die Kivu-Provinzen im Ostkongo

Längst ist Mukwege viel mehr als ein behandelnder Arzt - er ist ein dezidierter Verfechter der Frauenrechte im Kongo. Er hat Programme für die psychologische und juristische Betreuung von Vergewaltigungsopfern ins Leben gerufen. Mukwege will das Problem bei der Wurzel anpacken und spricht sich gegen die seit Jahren florierende Kriegswirtschaft im Kongo aus, bei der sich Rebellen und Regierungen Rohstoffeinnahmen sichern wollen. Ohne internationalen Druck werde hier nichts passieren, sagt er: "Es wird nichts ändern, einen einzelnen Rebellen einzusperren. Heute sperrt man einen ein, und morgen wird ein neuer geboren." Um für den Frieden im Kongo einzutreten, sprach Mukwege im September 2012 vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Exakt einen Monat später folgte das Attentat. Mit seiner Frau und seinen zwei Kindern floh er daraufhin nach Europa.

Immer wieder zurück

Doch das Schicksal seines Volkes ließ dem Kongolesen im Exil keine Ruhe. Obendrein machten sich nun Frauenorganisationen für ihn stark, boten an, selbst einen Wachdienst für ihn auf die Beine zu stellen. Keine drei Monate später war Mukwege zurück und lebt seitdem rund um die Uhr in seinem Panzi-Krankenhaus, wo er sich am sichersten fühlt. Mehrfach wurde er für seinen Einsatz geehrt, zuletzt in Paris in die französische Ehrenlegion aufgenommen - die höchste Auszeichnung des Landes.

Denis Mukwege (Foto: EPA)
Auch nach dem Attentat scheut Mukwege öffentliche Auftritte nichtBild: picture-alliance/dpa

Die Nachricht von seiner erneuten Auszeichnung freute auch seine deutsche Kooperationspartnerin Gisela Schneider, die Leiterin des Deutschen Instituts für ärztliche Mission (DIfäM). Seit über zehn Jahren arbeitet das Institut intensiv mit Mukwege zusammen, unterstützt sein Krankenhaus und die medizinische Ausbildung vor Ort. Gisela Schneider, die Mukwege noch vier Wochen vor der Bekanntgabe im Kongo besucht hat, war begeistert: "Das war eine hervorragende Entscheidung, weil hier eine Person geehrt wird, die sich tatsächlich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt - und das mit dem ganzen Leben." Zusammen mit drei weiteren Preisträgern erhält Mukwege rund 230.000 Euro.