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Autofabriken in Japan stehen still

16. März 2011

Die Jahrhundertkatastrophe hat Japans Wirtschaft ins Mark getroffen. Vor allem die Automobilindustrie muss Verluste von circa 25 Milliarden Euro verkraften und könnte um Jahre zurückgeworfen werden.

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Verbrannte Neufahrzeuge (Foto: AP)
Bild: AP

Das große Erdbeben und der darauffolgende Tsunami haben am vergangenen Freitag (11.03.2011) nicht nur ganze Landstriche in Japan verwüstet, sondern auch die Wirtschaft zum Stillstand gebracht. Besonders betroffen ist die Autoindustrie. Bei Toyota, Honda, Nissan, Mitsubishi und Mazda stehen die Fließbänder still.

Zerstörter Hafen in Miyako, Iwate-Präfektur (Foto: AP)
Zerstörte Infrastruktur bringt das Just-in-Time-Prinzip ins WankenBild: AP

Es sind einerseits beschädigte Werke, die zum Produktionsstopp gezwungen haben. Vor allem Nissan und Honda haben Produktionsstätten, die nahe des Epizentrums liegen und und direkte Schäden beklagen. Zum Kollaps hat auch das Just-in-Time-System geführt, das die japanischen Autobauer einst erfunden und perfektioniert haben. Sie konnten dadurch auf Lagerhallen verzichten und immense Kosten sparen. Doch nun lernen sie den Nachteil kennen, denn ganz unabhängig von Beschädigungen der Fabriken funktioniert das Netzwerk nicht mehr. Die Lieferketten wurden durch die zerstörte Infrastruktur unterbrochen.

Unsichere Stromversorgung

Der dritte und schwerwiegendste Grund für den Stillstand liegt in der unsicheren Stromversorgung. In weiten Teilen des Landes kommt es immer wieder zur Stromabschaltung, um einen landesweiten Blackout zu verhindern. Die Rationalisierung könnte Experten zufolge noch monatelang anhalten. Alles hängt davon ab, ob eine atomare Katastrophe am Atomkraftwerk Fukushima verhindert werden kann. Wenn nicht, dann würden die Folgen nicht mehr abzuschätzen sein.

Ein japanischer Autohändler vor den Scherben der Schaufenster nach dem Erdbeben (Foto: AP)
Vor dem Scherbenhaufen: ein japanischer Autohändler nach dem ErdbebenBild: AP

Auch wenn der GAU ausbleibt, könnten die Produktionsstopps dazu führen, dass die japanische Autoindustrie um Jahre zurückgeworfen werden, fürchten Experten. Jeder Tag Stillstand bedeutet für den weltgrößten Autohersteller Toyota, dass 40.000 weniger Fahrzeuge produziert werden. Stehen die Bänder bis zu drei Monate still, würden in ganz Japan 2,5 Millionen weniger Autos vom Band laufen, rechnet Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von CAR-Center der Uni Duisburg-Essen vor. Etwa ein Drittel könnte durch Produktionsausweitung in den Werken außerhalb Japans aufgefangen werden. "Damit würden die japanischen Autobauer etwa 1,6 Millionen Fahrzeuge verlieren", sagt Dudenhöffer. Das enspräche einem Schaden von 25 Milliarden Euro.

Das Rückgrat für die Wirtschaft

Die Automobilindustrie zählt zu den Schlüsselbranchen des Landes. Rund elf Prozent der Wirtschaftsleistung Japans wird von den Autobauern erbracht. 2010 wurden dort 9,6 Millionen Pkw und Lastwagen hergestellt, davon rollen 4,2 Millionen auf Japans Straßen. Somit ist Japan der drittgrößte Automarkt der Welt nach China und den USA. Man muss kein Prophet sein, um einen Einbruch der Pkw-Nachfrage in diesem Jahr vorauszusagen. Wer sich mit Wasser und Lebensmitteln eindecken muss, wird keinen Gedanken daran verschwenden, welches Automodell er sich demnächst zulegt.

Negative Auswirkungen auf lange Sicht

Toyota-Prius warten darauf, verschifft zu werden (Foto: AP)
Prius in Reih' und Glied: Toyota ist führend in Hybrid-TechnologieBild: AP

Langfristig könnte es für Japans Autoindustrie fatale Auswirkungen haben, wenn Forschung und Entwicklung für längere Zeit ausfallen müssten. Die Führerschaft in der Elektromobilität könnte das ostasiatische Land an die Konkorrenz verlieren. Branchenprimus Toyota muss bereits dieses Jahr um seinen Spitzenplatz zittern. Denn es ist so gut wie sicher, dass der wieder erstarke US-Gigant GM 2011 mehr Autos produzieren wird als Toyota.

Doch vorerst hat Toyota andere Sorgen. Gerade hat der japanische Traditionskonzern angekündigt, am Donnerstag (17.03.2011) mit der Produktion von Fahrzeug-Einzelteilen wieder zu beginnen. Als erstes würde die Produktion von Ersatzteilen für den inländischen Markt wieder anlaufen. Am kommenden Montag sollten die Zulieferer für die Fabriken im Übersee folgen. Unklar bleibt noch, wann die Beschäftigten in den Produktionsstätten für Autos ihre Arbeit wieder aufnehmen könnten.

Noch können Konsumenten in Europa oder den USA problemlos japanische Autos ordern. Denn fast alle großen japanischen Autobauer halten vor Ort Fabriken, um für den Markt zu produzieren. Allerdings ist auch die Automobilbranche international eng verwoben. Bei einem längeren Produktionsausfall in Japan könnten Engpässe bei Teilen in Europa nicht ausgeschlossen werden, sagt ein Sprecher von Toyota Deutschland.

Autorin: Zhang Danhong (Reuters, dpa)
Redaktion: Rolf Wenkel