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Die Fremde Indiens

Sarah Wessel8. März 2007

Gleichzeitig Modernität zu beweisen und traditionelle Klischees zu bedienen, ist gar nicht so einfach. Auch die Aussteller des diesjährigen ITB-Partnerlandes Indien versuchen, diesen Balanceakt zu vollbringen.

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Indische Künstler tanzen auf der Bühne des Kulturpalais am Funkturm
Indische Künstler geben auf der ITB Einblicke in ihre KulturBild: Sarah Wessel

Graue Auslegware bedeckt die Bühne, die vor einem silbernen, Falten schlagenden Vorhang steht, von dem sie sich nur wenig abhebt. Das Kulturpalais der Berliner Messehallen wirkt am ersten Ausstellungstag der Internationalen Tourismus-Börse ITB ziemlich blass. Erst eine Gruppe Inder zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Die für westliche Verhältnisse recht klein Gewachsenen sind in weite Stoffe gehüllt. Sie tragen grelle Farben, glänzend-goldenen Schmuck. Die Lippen der Frauen sind rot bemalt, ihre dunklen Augen schwarz umrandet. Lädierte Turnschuhe und dunkelblaue Rucksäcke verraten den Kostümcharakter dieser Aufmachung. Im Alltag seien die Inder eben "deutsch" gekleidet, erklärt Saravanan Ganesan, der zusammen mit den Indern in das Kulturpalais kommt. Nur an Festtagen oder bei kulturellen Veranstaltungen würde man sich noch traditionell kleiden.

Gebete vor den Auftritten

Auf dem Kärtchen, dass Saravanan Ganesan an einem Schlüsselband um den Hals hängt, steht "Indische Botschaft". Eigentlich sei der 30-jährige Student an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt und mache einen Master of European Studies, erzählt er. Auf der ITB koordiniert er die Auftritte der eingeflogenen Inder. Seit fast sechs Jahren ist er schon in Deutschland. Nach einem Jurastudium und dreijähriger Arbeit als Anwalt habe er bemerkt, dass das nicht seine Traumjob war. In Indien begann er dann Deutsch zu lernen und so sei er auf die Idee gekommen, in Deutschland zu studieren.

Indische Musiker trommeln auf einem Instrument namens "Pung"
"Pung" heißt das Instrument, auf dem diese Inder aus Manipur trommelnBild: Sarah Wessel

Seine Worte gehen unter im Auftritt der barfüssigen Trommler aus dem indischen Manipur. Ihre ovalen Instrumente heißen "Pung", wie Saravanan sich von einem anderen Inder erklären lässt. Die vier abwechselnd klatschenden und trommelnden Männer tanzen synchron. Dann singen sie so laut, dass jede Unterhaltung schwer fällt. Fünf grell gekleidete Männer aus dem indischen Punjab beten etwas entfernt von der Bühne. Bei ihrem anschließenden Auftritt wirkt ihr zähnezeigendes Grinsen authentisch. Ihre Bewegungen sind fast akrobatisch. Saravanan Ganesan ist entsetzt, als der Vergleich zu den bunten, lauten Bollywood-Filmen gezogen wird.

Viele Stühle sind unbesetzt. Die wenigen, europäisch wirkenden Beobachter stimmen nur zaghaft in das rhytmische Klatschen der indischen Zuschauer ein. Saravanan Ganesan beschreibt grundlegende kulturelle Unterschiede. In Deutschland fehle ihm die indische Spontanität. "Für mich ist irritierend, dass man hier immer Termine macht." Außerdem komme es ihm so vor, als ob die Deutschen viel langsamer seien. Dafür würden sie die Dinge aber gut durchdenken. Außerdem gefalle ihm, dass die berufliche Hierarchie in Deutschland nicht zu Kommunikationsbarrieren führe.

Kopfmassagen locken

Eine Inderin verkauft bunte Tücher auf der ITB
Auch indische Stoffe und Tücher werden auf der ITB verkauftBild: Sarah Wessel

In der Halle 5.2b, die für die indischen Aussteller vorgesehen ist, fühlt sich Indien authentischer an. Anzugtragende Inder stehen in kleinen Gruppen an Tischen. Indische Frauen tragen akkurate Zweiteiler oder die traditionellen, weiten Stoffe. Diese Tücher gibt es an einem Stand auch zu kaufen. Eine zierliche, ältere Inderin feilscht mit den Vorbeikommenden um die Preise. Einige Schritte weiter steht ein schnell und unverständlich Englisch sprechender Inder. Er zeigt auf sein Schild, auf dem "Dr. J. S. Nair" steht und stellt sich als Manager vor.

Neben ihm durchwühlt ein kleinerer Mann gerade die Haare einer jungen Frau. Sie sitzt auf einer mit weißen Handtüchern bedeckten Liege. Mit starkem Druck bewegt der Masseur seine Finger dann von der Stirn zu den Schläfen und oberhalb der Ohren auf den Hinterkopf. Das sei gut gegen Stress und Migräne, erklärt der Manager. Worte wie "Ayurveda" und "Spa" sind auf die Rückwand der kleinen Kabine geschrieben. Saravanan Ganesan erzählt später, dass im Gegensatz zum Ayurveda-Boom hierzulande in Indien der Gebrauch klassischer Medizin zunehme. Die Wirkung setze einfach schneller ein. "Für Ayurveda braucht man Zeit und Geduld."

Bei der Eröffnungsveranstaltung spricht der ITB-Direktor Michael Buck über den Kulturtourismus und den Wunsch der Touristen nach authentischen Erlebnissen. Doch dass auch die indische Kultur sich trotz großer Mentalitätsunterschiede den Spuren der westlichen Anpassung nicht entziehen kann, ist auch auf der weltgrößten Tourismus-Messe unverkennbar.