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Bühne frei für Uraltfußball?

19. Februar 2012

Hertha BSC sorgt für eine Sensation: Bis zum Saisonende soll Otto Rehhagel das Traineramt übernehmen. Verzweiflungstat oder innovative Idee? Vor allem ist es kurzfristig gedacht, findet DW-Sportredakteurin Olivia Fritz.

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Berlins neuer Trainer Otto Rehhagel sitzt auf einer Pressekonferenz auf dem Podium. Rehhagel ist nach über zwölf Jahren wieder in der Bundesliga angekommen. Der 73-Jährige wurde offiziell als neuer Trainer beim krisengeschüttelten Aufsteiger Hertha BSC vorgestellt. "Hertha ist ein besondere Reiz für mich", sagte er bei seiner Vorstellung, bei der über 15 Kamerateams und mehr als 50 Journalisten anwesend waren. (Foto: Sebastian Willnow/dapd)
Bild: dapd

Michael Preetz ist doch immer wieder für eine Überraschung gut. Der Manager der krisengeschüttelten Hertha hat mit seiner neuesten Trainerwahl für eine faustdicke Sensation gesorgt, denn Otto Rehhagel hatte nun wirklich niemand auf dem Zettel. Zu lang war "König Otto" schon aus dem Bundesligageschäft und eigentlich auch schon in den – wenn auch inoffiziellen – Ruhestand getreten. Doch eine Fußball-Rente mit 73 Jahren scheint keine Option zu sein für den Europameister-Trainer von 2004.

Letzte Chance für Preetz

Selbstverständlich hat Rehhagel die Bundesliga geprägt wie kein Zweiter und Enormes geschafft. Er hat auch mehrfach für Sensationen gesorgt. Das alles wird ihm niemand mehr nehmen können, sagt er und hat natürlich damit Recht. Doch bei seiner Antrittsrede spricht er auch davon, dass es nicht klappen könnte mit dem Klassenerhalt – dann hätte es eben nicht gereicht. Diese Worte wird Michael Preetz wohl oder übel vernommen haben. Und der weiß genau: An dem Erfolg des neuen Trainers hängt auch seine eigene Zukunft beim Hauptstadtklub. Nach dem katastrophalen Fehlgriff mit Michael Skibbe, den er bereitwillig einräumte und den die Hertha teuer bezahlt hat, wackelt Preetz´ Stuhl beträchtlich. Immerhin: Die Hauptstadtpresse wird sich von nun an auf den prominenten Coach konzentrieren und Preetz erst einmal aus der Schusslinie nehmen. Dabei muss der Manager aber auch klarkommen mit dem herrschsüchtigen Trainer, der kaum einen starken Mann neben sich duldet und Sätze prägte wie: "Modern spielt, wer gewinnt." Einmischen verboten, das hat der Fußball-Oldie, der sich heute noch als "demokratischer Diktator" bezeichnet, gleich klargemacht.

Feuerwehrmann statt Zukunftsaufbau

Bis zum Saisonende hat Rehhagel Zeit, das sind zwölf Spiele. Als klassischer "Feuerwehrmann" ist er gekommen, um den Klassenerhalt zu sichern. Das ist kurzfristig gedacht! Denn Kontinuität, Gesamtentwicklung des Vereins und auch moderne Lehrmethoden spielten bei dieser Entscheidung keine Rolle - sondern Erfahrung. 820 Ligaspiele als Trainer ist eine hohe Hausnummer. Zwölf Jahre Bundesliga-Abstinenz aber auch! Heute sind Trainer wie Jürgen Klopp und Thomas Tuchel erfolgreich. Weil sie modernen, schnellen, offensiven Fußball spielen lassen. Jedes Jahr absolvieren über 20 neue Fußballlehrer ihre Prüfung an der Hennes-Weisweiler-Akademie und sammeln dann in den unteren Ligen oder Nachwuchsmannschaften Praxis. Für sie alle ist die Verpflichtung eines "Trainer-Opas" ein Schlag ins Gesicht.

Und ob die jungen Spieler der Facebook-Generation etwas anfangen können mit dem autoritären Führungsstil eines über 70-Jährigen, der Fußball spielte, als das Fernsehen noch Schwarz-Weiß-Bilder lieferte? Den Libero wird Otto Rehhagel wohl nicht wieder einführen. Dennoch bleibt fraglich, ob er den Anschluss an das schnelllebige, nervenaufreibende und kräftezehrende Bundesligageschäft schnell wiederfinden kann. Daran sind nämlich schon viel jüngere Kollegen nervlich und körperlich gescheitert.

Autorin: Olivia Fritz
Redaktion: Calle Kops