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Streik im Güterverkehr

Rolf Wenkel (rri)2. November 2007

Die Lokführer dürfen nun auch im Güter- und Fernverkehr streiken. Ein Streik im Güterverkehr könnte zu erheblichen volkswirtschaftlichen Schäden führen. Der Imageverlust der Bahn dürfte auch einen Börsengang belasten.

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Güterwaggons warten auf drei nebeneinander liegenden Gleisen vor roten Signalen (Quelle: AP)
Rote Ampel für den Güterverkehr?Bild: AP

Das sächsische Landesarbeitsgericht in Chemnitz hat das Streikverbot im Fern- und Güterverkehr der Bahn am Freitag (02.11.2007) aufgehoben. Die Lokführergewerkschaft GDL will diese Bereiche nun frühestens ab Montag bestreiken. Bisher waren Blockaden nur im Regionalverkehr zulässig. Diese Entscheidung hatte die GDL angefochten. Das Gericht musste in dem Berufungsverfahren über die Zulässigkeit von Streiks im laufenden Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn entscheiden. Nach der Entscheidung der ersten Instanz durfte die GDL bislang nur zu Arbeitsniederlegungen im Regionalverkehr aufrufen. Für den Güter- und Fernverkehr galt ein Streikverbot.

Die volkswirtschaftlichen Schäden des Urteils könnten erheblich sein. Pro Tag befördert die Bahn in Deutschland rund 4,6 Millionen Reisende. Claudia Kemfert, Verkehrsexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, hat ausgerechnet, was passiert, wenn durch Streiks im Personennahverkehr nur rund eine Million Fahrgäste betroffen werden: "Man kann davon ausgehen, dass es hier volkswirtschaftliche Schäden bis zu 25 Millionen Euro pro Tag verursachen kann."

Güter-Streik belastet abhängige Betriebe

Verladekräne an Kaimauer (Quelle: AP)
Auch der Seeverkehr zum Hamburger Hafen wäre von einem Bahn-Streik betroffenBild: AP

Wohlgemerkt: Dies gilt nur für punktuelle Streiks im Personennahverkehr. Ungleich größer werden die wirtschaftlichen Schäden, wenn die rund 5000 Güterzüge, die täglich in Deutschland unterwegs sind, nicht mehr rollen. Rund 100.000 Lastkraftwagen müssten sich jeden Tag zusätzlich über Deutschlands Straßen quälen, wenn der Transport per Schiene ausfällt. Rund 18 Prozent des gesamten Güter-Transports in Deutschland werden über die Schiene abgewickelt.

"Einige Produktionen, zum Beispiel in der Metallverarbeitung, produzieren just in time, das heißt, sie sind darauf angewiesen, dass die Güter über die Bahn an die entsprechenden Produktionsorte geliefert werden", sagt Kemfert. Fallen diese Lieferungen aus, kommt es schnell zum Chaos, mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen für die betroffenen Betriebe. Wenn landesweit mehr als eine Woche lang überhaupt kein Zug mehr fahren würde, "dann wird es für Deutschland kritisch. Man sollte vermeiden, dass das wirklich passiert", warnt sie.

See- und Auslandsverkehr betroffen

Porträt Claudia Kemfert (Quelle: DIW)
Claudia Kemfert ist Verkehrsexpertin am Deutschen Institut für WirtschaftsforschungBild: presse

Vor allem die Stahl- und Autobranche, Kraftwerke und Seehäfen wären von Streiks im Güterverkehr betroffen. Porsche zum Beispiel könnte in Leipzig nicht mehr produzieren, wenn die Karossen für den Cayenne aus dem VW-Werk im slowakischen Bratislava ausblieben. Beim Stahlkonzern Salzgitter zum Beispiel müsste die Produktion gedrosselt werden, wenn die Erzlieferungen vom Hamburger Hafen ins stocken gerieten, Kraftwerke könnten bei ausbleibenden Kohlelieferungen keinen Strom mehr produzieren. Maximal zwei Tage können die deutschen Seehäfen überbrücken, wenn die per Schiff angelieferten Waren nicht per Bahn weiterbefördert werden. Danach wären die Lager voll, die Schiffe würden sich stauen und der Verkehr schließlich völlig zusammenbrechen. Glaubt man der Bahn, wären auch Deutschlands Nachbarstaaten betroffen, denn rund 60 Prozent aller Gütertransporte auf der Schiene sind nach Konzern-Angaben grenzüberschreitend.

Image-Schaden schlecht für Börsengang

Hinzu kommt ein großer Imageschaden für die Bahn selbst, wenn große Industriekunden der Bahn künftig eine Absage erteilen und auf andere Transportwege umstellen. In der Folge wäre dies nicht das einzige Problem: Für ihren Börsengang "braucht [die Bahn] kapitalstarke Investoren. Die sind natürlich im Moment abgeschreckt durch solche Querelen und langfristige Arbeitsstreiks", sagt Kemfert. Außerdem müsse man davon ausgehen, dass erhöhte Arbeitskosten, Lohnkosten entstünden. "Damit wird die Bahn auch unattraktiv für Investoren - der Börsengang könnte in Gefahr geraten."

Die Bahn selbst will die volkswirtschaftlichen Kosten eines Streiks im Güterverkehr übrigens nicht beziffern. Sie verweist auf Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, nach denen mit Kosten von einer halben Milliarde Euro zu rechnen ist. Pro Tag.