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Bahrain im Unruhezustand

1. August 2011

Die größte Oppositionsgruppe Al-Wefak in Bahrain ist aus dem nationalen Dialog ausgetreten, weil sie sich nicht ernst genommen fühlt. Und König Khalifa schwankt zwischen Dialogversprechen und Härte.

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Demonstranten in Bahrain schwenken ihre Fahnen (Foto: DPA)
Die Proteste auf den Straßen haben zwar abgenommen, aber der Unmut ist großBild: picture alliance/dpa

"Wir beenden diesen Gipfel, der sich Dialog nennt. Er geht nicht auf die Forderungen und Wünsche der Menschen ein. Außerdem hat er keinerlei Verbindung zu den aktuellen politischen Unruhen in Bahrain", sagte der stellvertretende Generalsekretär der schiitischen Al-Wefak, Hussain al Daihi. 300 Vertreter verschiedener Parteien, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, aber auch religiöser Autoritäten waren zum nationalen Dialog eingeladen. Sie sollten gemeinsam über eine Aussöhnung diskutieren.

Al-Wefak durfte mit lediglich fünf Vertretern teilnehmen und sah sich in ihrem Misstrauen bestätigt: Wieder einmal sei die Opposition unterrepräsentiert, obwohl die Schiiten die größte Wählergruppe darstellten. Deshalb gab der schiitische Al-Wefak-Block seinen Rückzug aus den Gesprächen bekannt. Der nationale Dialog sei von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen, sagt der Bahrain-Experte Faraz Sanei von der Organisation Human Rights Watch. Es habe keine ernsthafte Anstrengung von Seiten der bahrainischen Regierung gegeben, um eine Versöhnung in die Wege zu leiten. "Der nationale Dialog ist auf jeden Fall tot", so Sanei.

Eine Mehrheit ohne Stimme

Eine Schiitin geht an einem Graffiti in Karzakan in Bahrain vorbei (Foto: AP)
Im schiitischen Dorf Karzakan wird ein Machtwechsel gefordertBild: dapd

Die Schiiten in Bahrain machen mit etwa 70 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung aus. Sie werden aber seit mehr als 200 Jahren von sunnitischen Herrschern regiert. Im Februar waren deshalb Unruhen ausgebrochen. Die Schiiten fühlen sich sozial, wirtschaftlich und politisch diskriminiert.

Wie beim Thema Wahlen zum Beispiel. Schiiten dürfen nur über weniger als 50 Prozent der Sitze entscheiden. Schiitische Wahlkreise sind mit bis zu 30.000 Stimmen meist sehr groß. Sunnitische Wahlkreise hingegen sind mit etwa 3.000 Stimmen überwiegend klein. Jeder Wahlkreis kann jeweils über einen Abgeordneten abstimmen, so dass eine künstliche Mehrheit an Sunniten im Parlament hergestellt wird.

Es handele sich in erster Linie also um einen Verteilungskonflikt zwischen Sunniten und Schiiten, sagt die Islamwissenschaftlerin Katja Niethammer von der Universität Hamburg. Die schiitischen Dörfer im Königreich Bahrain seien meist unterentwickelt. Außerdem sei die Arbeitslosigkeit in der schiitischen Bevölkerung viel höher als in der sunnitischen, so Niethammer.

Inspiriert vom arabischen Frühling

Es ist nicht das erste Mal, dass es in dem Inselstaat Bahrain zu Protesten kommt. Bereits in den 1980er und 1990er Jahren gingen die Schiiten auf die Barrikaden. Es folgte jedes Mal zuerst Repression und dann eine Liberalisierungswelle. Grundlegend geändert hatte sich damals aber nichts.

Inspiriert vom arabischen Frühling sind die Menschen in Bahrain im Februar wieder auf die Straße gegangen. Dieses Mal will sich die Opposition nicht so einfach abspeisen lassen. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass König Hamad bin Isa Al-Khalifa nach den Protesten mit über 30 Toten das Kriegsrecht verhängte, den Aufstand mit Hilfe Saudi-Arabiens brutal niederschlug und zahlreiche Aktivisten verhaften ließ. Faraz Sanei von Human Rights Watch berichtet außerdem von über 2000 Entlassungen vor allem schiitischer Arbeiter und Angestellter.

König Hamad bin Isa Al Khalifa (Foto: AP)
König Hamad bin Isa Al Khalifa - Welchen Weg wird er gehen?Bild: AP

König Khalifa behauptet, der Aufstand sei vom schiitisch dominierten Iran gesteuert. Katja Niethammer hält das allerdings für unwahrscheinlich. "Das Regime sagt natürlich immer, die Opposition sei iranisch bezahlt. Ich würde es auch nicht völlig ausschließen, dass da Geld fließt. Was man aber sagen kann, ist, dass es den bahrainischen Schiiten um ihre eigenen Rechte geht, damit sie in ihrem eigenen Land partizipieren können."

Mit dem Iran habe das erstmal nicht viel zu tun. Zudem habe der Iran in den Augen vieler Bahrainer ein abgewirtschaftetes System, das sie selber auch nicht wollten. Ein religiöses Vorbild sei für die Schiiten Bahrains auch eher Großayatollah Sistani im Irak.

Einmischung von Außen

Doch es scheint, als könne sich das Königshaus für keine klare Gangart im Bezug auf die Proteste entscheiden. Im Juni ließ der König überraschend das Kriegsrecht aufheben und wirbt bis heute vergeblich, um die Rückkehr der Formel 1-Rennen in den Golfstaat. Außerdem setzte er eine unabhängige Untersuchungskommission zu den blutigen Protesten vom Frühjahr ein. Das Gremium wird von dem international renommierten Menschenrechtsexperten Mahmoud Cherif Bassiouni geleitet. Die Kommission hat die Aufgabe, die Ereignisse rund um die Demonstrationen vollständig zu rekonstruieren und Menschenrechtsverletzungen zu benennen.

Der Untersuchungsbericht soll dem König spätestens am 30. Oktober vorgelegt und vollständig veröffentlicht werden. Bassiouni und sein Team könnten in alles Einsicht nehmen, was mit dieser Zeit zu tun habe, so Sanei von Human Rights Watch. "Es liegt dann allerdings an der bahrainischen Regierung, was sie aus den Empfehlungen des Komitees macht."

Doch Bahrain entscheidet nicht ganz allein über seine Zukunft. Die fünfte Flotte der USA liegt vor der Küste des Landes. Entsprechend stark ist das amerikanische Interesse an Stabilität. Nachbar Saudi-Arabien fürchtet eine Kettenreaktion, denn im ölreichen Osten Saudi-Arabiens leben Schiiten, die auch Forderungen an ihre sunnitischen Herrscher stellen könnten. Damit das nicht passiert, hat der saudische König Abdullah neben seinen Soldaten Millionen von Dollar und Öl nach Bahrain geschickt, um den Haushalt zu stabilisieren. Und seine Tochter hat zwischenzeitlich den bahrainischen Königssohn Scheich Khalid geheiratet. Eine Hochzeit und wohl auch eine strategische Allianz.

Autorin: Diana Hodali
Redaktion: Thomas Latschan