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Bam pa da da!

Marcus Bösch24. Oktober 2002

Die "schule für dichtung" feiert 10. Geburtstag. Rastlos auf der Suche nach dem Experimentellen dozieren Beat-Poeten, Sprachakrobaten und Popstars in Wien. Kann die Akademie mit Internet-Kursen auch die Welt retten?

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Dichtung statt Kaffee in WienBild: SFD

Am Anfang steht das Nichts. Das Blatt ist weiß, das Word-Dokument gähnend leer. Vielleicht kommt irgendwann die Idee – und wenn man Glück hat, gibt es am Ende einen Text, einen Entwurf, ein Ergebnis. Die Idee des Wiener Poeten Christian Ide Hintze, eine Literaturakademie für experimentelle Prosa und Poetik ins Leben zu rufen, hat 1992 vor allem "Lachstürme" ausgelöst. Mittlerweile "steht außer Frage, dass man Literatur auch lernen kann", erzählt Hintze, der die Schule für Dichtung (sfd) leitet.

Yoko Onos Garnknäuel

Im Oktober diesen Jahres feiert das "autonom verwaltete Lehr- und Lerninstitut" seinen Geburtstag. Der Altmeister der todtraurigen Popballade, Nick Cave, der selbst bereits an der sfd über Liebeslieder dozierte, wird es sich nicht nehmen lassen, die Feierlichkeiten mit einem Konzert zu unterstützen. Bedauerlicherweise hat Yoko Ono, John-Lennon-Witwe und eine der einflussreichsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, kurzerhand abgesagt – ohne Angabe von Gründen heißt es. Die für ihre Performance angebrachten Garnknäuel wollen die Veranstalter hängen lassen.

Nick Cave
Musiker Nick CaveBild: DPA

Bekannte österreichische und internationale Autoren wie Ernst Jandl und H.C. Artmann haben die "sfd" von Anbeginn begleitet. Nur aktive Schreiberlinge dürfen schließlich Dozent werden. Nicht nur Allen Ginsberg, Schlüsselfigur der amerikanischen Beat-Generation, hat seine einzige Vorlesung in Europa an der "schule für dichtung" gehalten. Auch der verstorbene Popstar Falco durfte dort lehren. Berührungsängste hat man im "welcome center for travelling poets" nämlich nicht – weder mit Popkultur noch mit Digitalen Medien.

Poesie im Thermalbad

Orientiert am Vorbild, der "Jack Kerouac School" in Boulder im US-Bundesstaat Colorado, steht ein erweiterter Poesiebegriff im Mittelpunkt der Akademie. Das Seminarangebot der vergangenen Jahre reichte dabei vom schlichten Vier-Zeilen-Gedicht über Erlebnisse in der U-Bahn bis zum etwas komplexeren "Schreiben im Wasser"-Projekt. Dabei fanden im Thermalbad Oberlaa bei Partnerübungen auch eine Unterwasserbeschallungsanlage und wasserfeste Schreibtafeln ihren Einsatz.

Seit drei Jahren findet die aktive Auseinandersetzung mit der Nachkriegsavantgarde allerdings nur noch im Internet statt. Aber 230.000 Euro vom Kulturetat der Stadt Wien und aus Bundesmitteln reichen nur sehr begrenzt, Installationen, Performances oder computergestützte Sprachgebilde zu finanzieren. Nichts geändert hat sich allerdings an den Teilnehmerbedingungen: Mitmachen kann im Prinzip jeder der über einen Internetanschluss und eine E-Mailadresse verfügt.

Verrückte Volkshochschule

Allen Ginsberg
Poet Allen GinsbergBild: AP

Der vermeintliche Eindruck eines gehobenen Volkshochschulangebots im Netz muss beim Blick auf die Mitglieder schnell revidiert werden. Machen doch erfahrene Autoren, die an ihrem Stil feilen wollen, gut die Hälfte der Teilnehmer aus. Der ein oder andere wird dabei ambitioniert Ziele ansteuern, die über die schnöde Textproduktion weit hinaus reichen. Um es mit den Worten Allen Ginsbergs zu sagen: "Die international verrückte Weisheits-Dicht-Schule soll die Menschheit retten. Bam pa da da!". Ob das mit guten Texten funktioniert, sei dahingestellt: Bam pa da da!