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Brücken bauen für eine bessere Zukunft

Bettina Stehkämper2. Mai 2016

Die Infrastruktur in Bangladesch ist in einem katastrophalen Zustand. Deshalb setzt die Asiatische Entwicklungsbank auf den Ausbau in diesem Bereich. Bettina Stehkämper hat sich einige Projekte angesehen.

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Bangladesch Straßenverkehr in Dkaha
Bild: picture-alliance/dpa/B. Marks

Neue Infrastruktur für Bangladesch

Wir verlassen Jessore im Südwesten von Bangladesch. Es soll nach Narikelbari gehen, etwa 30 Kilometer entfernt. Im Bus ist die Klimaanlage gefühlt nur etwas über dem Gefrierpunkt eingestellt, aber unserer kleinen Delegation fröstelt es auch aus anderen Gründen. Der Verkehr, ein heilloses Chaos. Riesengroße Schlaglöcher, Rikschafahrer, die abenteuerlich vier Meter lange Baumstämme transportieren. Zusammengeflickte, vollbesetzte Busse, auf deren Dächern sich Menschen festhalten. In dem unübersichtlichem Gewirr Kinder, die auf die andere Straßenseite kommen wollen. Alles untermalt von einem Hupkonzert, mit einer uns unverständlichen Choreographie, mit der man sich hier aber scheinbar gut im Verkehr verständigt.

Nach anderthalb Stunden Schlangenlinienfahrt müssen wir stoppen. Mitten auf der Straße ist eine große Tribüne aufgebaut, riesige bunte Tücher darüber aufgespannt, die vor der grellen Sonne schützen sollen. Hunderte von Menschen in ihren besten Kleidern umsäumen die Straße oder sitzen unter den Tüchern. Erst glauben wir in eine Hochzeitsgesellschaft hineingekommen zu sein. Aber nein, es ist wegen uns. Der kleinen Delegation von deutschen Journalisten und den Vertretern der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) und der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die beiden Banken haben im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit über den Fluss Chitra eine 90 Meter lange Brücke gebaut. Die nächste ist 35 Kilometer entfernt. Wer aus einem Land kommt, in dem Straßenbauten von Naturschützern und Bürgerinitiativen bekämpft werden oder bestenfalls nur nerven oder ignoriert werden, versteht zuerst nicht die Festtagsstimmung.

Bangladesch Entwicklungsbank Projekte Fluss Narikelbari
Die neue Brücke bringt Hoffnung für 150.000 Menschen in der Region.Bild: Thomas Trutschel/photothek.net

90 Meter Beton bedeuten die Zukunft

150.000 Anwohner leben an den beiden Uferseiten. Um zu verstehen, muss man der fünfzehnjährigen Rume begegnen, die sich sofort mit ihrem rosafarbenen Handy an uns hängt. "Ich will Ärztin werden. Zurzeit bin ich in der zehnten Klasse und das erste Mädchen", erzählt sie. Aber es sei hart, wenn man lernen wolle. Sie muss jeden Tag den Fluss überqueren und kommt deshalb oft zu spät. Inder Regenzeit gebe es noch mehr Probleme. "Dann ist alles voll Schlamm und Wasser. Unsere Bücher und unsere Kleider werden nass“, sagt Rume.

Obwohl der Chitra gerade nur Niedrigwasser führt, versacken wir an den Ufern in grauem Schlamm. Die Situation in der Regenzeit mag man sich für die ehrgeizige Rume nicht vorstellen. Eine weiterführende Schule gibt es nur auf der einen Seite. Wenn Rume in der Monsunzeit lernen will, muss sie sich in Gefahr begeben. Bei strömendem Regen auf dem wackeligen Steg über den Fluss balancieren und mit einem marodem Boot übersetzen. Durch die neue Brücke kann sie jetzt problemlos das ganze Jahr über die Schule besuchen.

Bangladesch Entwicklungsbank Projekte Fluss Narikelbari
Früher war die Überquerung des Chitra Flusses gefährlichBild: Thomas Trutschel/photothek.net

Weniger Gefahr während der Regenzeit

Auch das Leben der Bauern und Händler kann sich nun verändern. Neben der Brücke haben ADB und KfW auch die Straßen und den lokalen Markt befestigt. Hunderte von Tagelöhnern hatten dadurch seit 2014 Arbeit. Jetzt können sie ganzjährig ihre Waren über den Fluss transportieren und an den Marktständen einigermaßen trocken verkaufen - auch während der Regenzeit. Die kann sechs bis neun Monate dauern.

Ein Teil der befestigten Marktstände wurde für Frauen reserviert, darauf drängte vor allem die KfW. Die 25-jährige Mukti Sikder ist jetzt Unternehmerin. Liebevoll hat sie Kleider und Flip-Flops auf ihrem Stand verteilt. “Die neuen Geschäfte, die durch die Brücke entstanden sind, sind gut für uns. Ich kann ab jetzt finanziell unabhängig sein. Von nun an wird es besser für uns", strahlt sie.

Bangladesch Entwicklungsbank Projekte Markt in Narikelbari
Mukti Sikder ist jetzt Unternehmerin.Bild: Thomas Trutschel/photothek.net

Hochwasserschutz als Entwicklungsgrundlage

Bangladesch ist halb so groß wie Deutschland , hat aber mit 160 Millionen doppelt so viele Einwohner. Das Land ist durchzogen von unzähligen Flüssen und liegt nur knapp über dem Meeresspiegel. Während der Regenzeit bedeutet dies "Land unter". Und für viele Arme den Verlust von Land und Heim. Denn vor den Überschwemmungen sind die Menschen kaum geschützt.

Von A nach B zu kommen heißt für Elma Morsheda Hochwasserschutz. Die Ingenieurin kümmert sich um den Hochwasserschutz in der 1,6 Millionen-Stadt Khulna. "Ohne Hochwasserschutz werden Pflanzen von der Flut ausgewaschen, Märkte und Wohngebiete überschwemmt. Die Leute verlieren ihr Einkommen und ihre Lebensgrundlage."

Mit den Geldgebern ADB und KfW wurden die Deiche befestigt. Denn der Fluss Bhairab steigt in der Regenzeit um sechs Meter an. Fast 200.000 Menschen profitieren vom besseren Uferschutz und davon, dass Straßen höher gelegt wurden. Vor allem in den ländlichen Gebieten von Bangladesch kann man davon aber nur träumen.

Tage später Ankunft wieder in Berlin. Der Taxifahrer warnt davor, dass es einen kleinen Stau auf der Stadtautobahn geben könnte. Vielleicht bräuchten wir fünf Minuten länger. Selten habe ich eine Staumeldung so tiefenentspannt vernommen.