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Bangladesch schließt Meuterei-Prozess ab

Sanjiv Burman24. Oktober 2012

In Bangladesch ist der größte Militärprozess des Landes zu Ende gegangen. Fast 6.000 Angehörige der Grenzschutztruppen wurden wegen der Meuterei von 2009 zu maximal sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

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Soldat der Bangladesh Rifles
Bild: DW

Es waren zwei Tage, die das ganze Land in einen Schockzustand versetzten. Am 25. Februar 2009 brach eine Meuterei im Hauptquartier der paramilitärischen Grenztruppen "Bangladesh Rifles" (BDR) in Dhaka aus. Sie breitete sich auf BDR-Stützpunkte im ganzen Land aus, Tausende Soldaten erhoben die Waffen gegen ihre Offiziere. 74 Menschen wurden getötet, darunter 57 Armeeoffiziere, teilweise wurden auch deren Familienmitglieder brutal ermordet. Am nächsten Tag konnte der Aufstand niedergeschlagen werden.

Hintergrund der Meuterei war die traditionelle, noch aus der britischen Kolonialzeit herrührende Diskriminierung der Grenzschutztruppen als "Armee zweiter Klasse". Häufig wurden den Grenzschutzeinheiten auch Offiziere der regulären Armee vorgesetzt, gegen die sich die Wut der Soldaten der "Rifles" bei dem Aufstand entlud. Die "Bangladesh Rifles" haben sich inzwischen in "Border Guard Bangladesh" umbenannt, um sich auch symbolisch von jener Meuterei zu distanzieren.

6.000 Urteile

Vor einer Reihe von militärischen Sondergerichten, die Elemente der Militärgerichtsbarkeit und des Zivilrechts zur Grundlage hatten, wurde den Meuterern seit Oktober 2009 der Prozess gemacht. Die Angeklagten hatten keine Anwälte und kein Berufungsrecht. Am 20.10.2012 fanden die Prozesse mit der Verurteilung von 723 Angeklagten durch ein Gericht in Dhaka ihren Abschluss. 64 von ihnen erhielten wegen Meuterei die maximale Strafe von sieben Jahren Gefängnis, die übrigen geringere Gefängnisstrafen. Damit sind fast 6.000 Angehörige der Grenzschutztruppen zu Gefängnisstrafen verurteilt worden.

Gebäude des Sondergerichts in Dhaka zur Aburteilung der Meuterer (Foto: DW)
Gebäude des Sondergerichts in Dhaka zur Aburteilung der MeutererBild: Harun Ur Rashid Swapan

Soldaten, denen im Zusammenhang mit der Meuterei Mord und andere schwere Verbrechen vorgeworfen werden, müssen sich weiterhin vor Zivilgerichten verantworten, ihnen droht bei einem Schuldspruch die Todesstrafe. Als eine Reaktion auf die Meuterei wurde eine Gesetzesänderung eingeführt, wonach künftig auch bei Meuterei die Todesstrafe verhängt werden kann.

Justiz statt Rache

Die Beurteilung des gesamten Gerichtsverfahrens unter rechtstaatlichem Blickwinkel fällt bei in- und ausländischen Beobachtern unterschiedlich aus. So lobt der ehemalige Brigadegeneral Muhammad Sakhawat Hussain die Entschlossenheit der Richter, die wahren Gründe für die Meuterei herauszufinden. Deshalb sei das Gerichtsverfahren von vorneherein in zwei Teile gegliedert worden: Zunächst wurde die Meuterei als solche untersucht, danach ging es um Einzeltaten, die während der Meuterei begangen wurden.

Gefangener hinter Gittern (Foto: DW)
Einer von rund 6.000 AngeklagtenBild: Harun Ur Rashid

Andererseits gab es schon im Vorfeld des Prozesses Kritik. Human Rights Watch (HRW) behauptete, Angeklagte seien gefoltert worden. HRW hatte noch im Juli 2012 die Regierung von Bangladesch aufgefordert, das Verfahren zu unterbrechen. Nach dem abschließenden Gerichtsurteil sah sich HRW bestätigt: Die Gewaltverbrechen, die im Zuge der Meuterei begangen wurden, müssten aufgeklärt und bestraft werden. Allerdings nicht durch Massenprozesse, bei denen Rechte der Angeklagten missachtet worden seien, so Asien-Experte Brad Adams von HRW.

Positive Zeichen

Dennoch war es angesichts der häufigen Interventionen der Armee seit der Unabhängigkeit Bangladeschs 1972 für Beobachter im In- und Ausland ein positives Zeichen, dass die Armee nach der Meuterei auf Rache verzichtete und einem Justizverfahren seinen Lauf ließ.

Verwundete auf einem Jep im Unabhängigkeitskrieg Bangladeschs. (Foto: AP)
Bangladesch will Verbrechen aus dem Unabhängigkeitskrieg juristisch aufarbeiten.Bild: AP

Ähnlich positiv werden die Entwicklungen bei dem 2010 eingesetzten Internationalen Kriegsverbrechertribunal (trotz des Namens ist es keine Einrichtung der UN) zur Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen während des Unabhängigkeitskampfs von 1971 bewertet. In dem jüngsten Bericht von Amnesty International wird anerkannt, dass das Tribunal im Mai 2011 viele Verfahrensmängel behoben habe. Und auch bei diesem Prozess hatte man – wie bei dem Prozess gegen die Meuterer - gewaltsame Reaktionen befürchtet, die bisher aber ausgeblieben sind.