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Banken unter Aufsicht

Daniel Wortmann6. September 2002

Die Finanzmärkte in Europa sollen einheitlicher werden. Die EU-Finanzminister wollen dazu eine übergreifende Finanzaufsicht schaffen. Über die Ausgestaltung der neuen Einheit ist man sich jedoch alles andere als einig.

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EU-Finanzminister: auf dem Weg zur Allfinanzbehörde?Bild: AP

Bereits im April hatten Bundesfinanzminister Hans Eichel und sein britischer Kollege Gordon Brown ihre Vorstellungen zur Schaffung einer europäischen Finanzaufsicht dargelegt. In diesen Tagen wird das Ergebnis der Arbeit von 18 Aufsichtsexperten erwartet, die im Auftrag der Europäischen Kommission verschiedene Reformvorschläge erarbeitet haben.

Streit um Aufsichtsbehörde

Hans Eichel
Will eine schnelle Reform der Finanzaufsicht: Finanzminister Hans EichelBild: AP

Unterdessen ist zwischen den beteiligten Interessengruppen ein heftiger Streit über die Zukunft der Finanzaufsicht entbrannt. Die Europäische Zentralbank und die Notenbanken der einzelnen Mitgliedsstaaten bangen um ihren Einfluss im zukünftigen Kontrollmechanismus, da die Finanzminister offenbar auf eine Lösung setzen, die eine gestalterische Führungsrolle der nationalen Notenbanken ausschließt. Auch das "Banking Supervision Committee" der Europäischen Zentralbank soll anscheinend keine zentrale Rolle spielen.

Offenbar wollen die Finanzminister die Reglementierung der Banken und Versicherungen nach dem gleichen Prinzip reformieren, nach dem bereits die Regulierung der Wertpapiermärkte neu geordnet wurde. Damit könnten Gesetzgebungsgebungsprozesse vereinfacht und deren Umsetzung beschleunigt werden. Neben einer solchen Vereinheitlichung der Regulierung wird zudem erwartet, dass die Kontrolle von Wertpapierhandel, Banken und Versicherungen letztendlich in einer Behörde gebündelt wird. Somit würde die gesamte Finanzaufsicht auf die europäische Ebene verlagert werden.

Bundesbank gegen neue Institution

Edgar Meister, Vorstandsmitglied der Bundesbank und zugleich Vorsitzender des "Banking Supervision Committee", wandte sich im Gespräch mit DW-WORLD gegen die Schaffung einer solchen Allfinanzbehörde: "Wir brauchen derzeit keine neue Institution. Es gibt in Europa ein dezentrales Aufsichtssystem, das sehr effizient arbeitet." Die Kombination von nationaler Kompetenz und europäischer Abstimmung habe sich bewährt.

Der Euro kommt bald
Will mitreden: Europäische Zentralbank in FrankfurtBild: AP

Auch Reinhard Schmidt, Finanzexperte an der Goethe-Universität in Frankfurt, hegt Zweifel am Nutzen einer derartigen Einrichtung . "Im Bankwesen spielen nationale Gegebenheiten eine viel größere Rolle", sagte er im DW-WORLD-Interview. "Daher wäre es vernünftig, die Bankenaufsicht differenziert von der Kapitalmarktaufsicht zu betrachten." Während eine europäische Kooperation angebracht sei, müssten die Kontrollorgane möglichst nah an den beaufsichtigten Institutionen sein.

Sparkassen fordern nationale Aufsicht

Diese Aufgabe könne am besten eine nationale Aufsichtsbehörde erledigen, betont auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband. Die zukünftige Struktur der Finanzaufsicht in Europa müsse sich daran orientieren, dass ein Großteil des Kundengeschäfts in regionalen und nationalen Märkten ablaufe. Aus diesem Grund solle die Beaufsichtigung von Kreditinstituten in nationaler Verantwortung belassen werden.

Eine europäische Allfinanzbehörde wäre für Schmidt ohnehin ein "bürokratischer Alptraum par excellence". Zentrales Problem seien dabei die nationalen Interessengegensätze: "Für eine solche Einrichtung müsste man sich dann auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Dabei würde kaum etwas Vernünftiges herauskommen."

Privatbanken wollen einheitliche Kontrolle

Rolf Breuer
Plädiert für Allfinanzbehörde: Rolf BreuerBild: AP

Die deutschen Privatbanken, die sich im Bundesverband deutscher Banken organisiert haben, teilen die Kritik nicht. Erst kürzlich hat sich Verbandspräsident Rolf Breuer mittelfristig für die Gründung einer EU-Allfinanzaufsicht ausgesprochen. Die heute übliche gleichzeitige Beaufsichtigung durch mehrere Behörden hält er für zu kostspielig. Zudem sei es wünschenswert, wenn in allen Ländern die gleichen Kontrollmechanismen herrschten.

Finanzexperte Schmidt hält das nicht für sinnvoll. "Ein Modell nationaler Regulierung, das am besten bei der Bundesbank angesiedelt wäre, würde den Gegebenheiten im Bankgewerbe am ehesten gerecht werden", betonte er. Allerdings erscheint die Umsetzung eines solchen Modells mittlerweile fraglich. Seitdem Hans Eichel Anfang des Jahres mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Allfinanzbehörde auf nationaler Ebene eingeführt hat, erscheint damit auch der europäische Weg vorgezeichnet. "Man gelangt vor diesem Hintergrund zwangsläufig zu der Vision einer gesamteuropäischen Allfinanzaufsicht", schrieb Schmidt schon Ende letzten Jahres in einer Fachzeitschrift.

Ob sich diese Vermutung bewahrheitet, wird sich bald zeigen – bis Oktober wollen die EU-Finanzminister über die Zukunft der Finanzaufsicht in Europa entscheiden.