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Erste Rede zur Lage der Union

7. September 2010

Von der europäischen Wirtschaft über die Roma-Abschiebungen bis zum europäischen Gemeinschaftsgeist: José Manuel Barroso hielt die erste Rede zur Lage der Union. Die Parlamentarier fordern mehr Standhaftigkeit.

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Jose Manuel Barroso im Europaparlament (Foto: AP)
Das erste Mal: Die Rede zur Lage der UnionBild: AP

José Manuel Barroso ist der erste EU-Kommissionspräsident, der sich in einer Rede zur Lage der Nation an die Europaabgeordneten wendet. Am Dienstag (07.09.2010) blickte er sowohl in die Zukunft als auch auf die derzeitige Situation in der EU. Barroso sieht die Union nach wie vor stark von der Finanz- und Wirtschaftskrise geprägt. Europa habe die Krise bislang zwar recht gut bewältigt, doch nun müsse die europäische Wirtschaft grüner, nachhaltiger, sozialer und wettbewerbsfähiger werden, sagte er in seiner Rede. Wichtig sei dabei der Gemeinschaftsgeist. "Europa muss zeigen, dass es mehr ist als 27 verschiedene nationale Lösungen. Entweder wir schwimmen zusammen oder wir gehen jeder für sich unter. Wir werden nur Erfolg haben, wenn wir europäisch denken, egal ob wir national, regional oder lokal handeln."

Der Kommissionspräsident sprach sich auch für EU-eigene Steuern aus, um unabhängiger von den Zuwendungen der angespannten nationalen Haushalte zu werden. Doch die meisten Mitgliedsstaaten sind strikt gegen eine solche Lösung.

Wunsch nach klaren Worten

Roma werden am Flughafen von Polizisten begleitet (Foto: dpa)
Nur indirekt ein Thema: die Roma-AbschiebungenBild: AP

Die EU-Abgeordneten spendeten Barroso in seiner halbstündigen Rede zum ersten Mal Applaus, als er indirekt die Abschiebungen von Roma aus Frankreich ansprach. Jeder in Europa müsse sich an die Gesetze halten, sagte der EU-Kommissionspräsident. Und Regierungen müssten auch die Menschenrechte von Minderheiten achten. "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben keinen Platz in Europa. In solch heiklen Fragen müssen wir alle verantwortlich handeln. Ich rufe entschieden dazu auf, nicht die Geister der europäischen Vergangenheit wiederzuerwecken."

Die Kritik im Parlament entzündete sich gerade an Barrosos Zurückhaltung. Der Präsident habe eine zu weiche Haltung gegenüber den Mitgliedsstaaten, kritisierte Martin Schulz, Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion. Das betreffe auch die Roma-Abschiebungen in Frankreich. Er wandte sich direkt an Barroso: "Eine Regierung, die innenpolitisch unter Druck steht, darf nicht zum Mittel der Hexenjagd auf Minderheiten greifen. Und das kann man mit einem Namen benennen: Das ist die Regierung von Nicolas Sarkozy, Francois Fillon und Brice Hortefeux. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten die Namen genannt, dann hätten wir gewusst: Barroso nimmt den Kampf auf." Die Abgeordneten zeigten Schulz ihre Unterstützung mit lautem Applaus.

Anwesenheitspflicht für die Parlamentarier

EU-Parlamentarier sehen Barroso auf einer Leinwand (Foto: AP)
Die EU-Parlamentarier sind nicht völlig überzeugtBild: AP

Die Europäer müssten gemeinsam eine größere Rolle in der Welt spielen - dieser Appell zog sich wie ein roter Faden durch Barrosos Rede. Doch Joseph Daul, der Chef der christdemokratischen Fraktion, findet das unglaubwürdig. "Wie können wir zum Beispiel unsere Abwesenheit vom Verhandlungstisch zwischen Israel und Palästina rechtfertigen, obwohl wir der wichtigste Geldgeber der Region sind?", fragte er.

Auch wenn der Name "Bericht zur Lage der Union" an die jährliche Rede des amerikanischen Präsidenten erinnern soll, haben beide Ereignisse wenig gemeinsam: Während Millionen Amerikaner die Rede ihres Präsidenten zur besten Sendezeit im Fernsehen verfolgen, besteht Barrosos Publikum aus Europaabgeordneten. Und aus Sorge, Barroso werde vor leerem Haus sprechen, hatten die Fraktionsvorsitzenden den Abgeordneten zeitweilig sogar mit einer Kürzung ihrer Sitzungsgelder gedroht, sollten sie dem Ereignis fernbleiben.

Autor:Christoph Hasselbach
Redaktion: Julia Kuckelkorn