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Rechner aus der Steinzeit

22. Juni 2010

"Ich war zu faul zum Rechnen", sagte Konrad Zuse von sich - und erfand den Computer. Zum 100. Geburtstag des Mannes, der die Welt veränderte, baut nun dessen Sohn den legendären Rechner Z3 im eigenen Arbeitszimmer nach.

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Konrad Zuse im Alter von 80 Jahren (Foto: AP)
Konrad Zuse als 80-JährigerBild: AP

Der Boden ist bedeckt mit Kisten, Kabeln und Lötkolben. Hier lebt also der Sohn von Konrad Zuse, dem Erfinder des ersten funktionsfähigen Computers. Informatikprofessor Horst Zuse lacht: "Hier sieht's wahrscheinlich so ähnlich aus wie bei meinem Vater 1936." Der lebte nur wenige Straßen entfernt, in einer Wohnung in Berlin-Kreuzberg, wo er als frisch examinierter Bauingenieur seinen erstaunten Eltern verkündete, dass er soeben seinen Job gekündigt habe und nun das Wohnzimmer brauche für den Bau einer vollautomatischen Rechenmaschine.

Kreativ war Konrad Zuse schon immer. Schon als Kind soll er im Rechenunterricht lieber Karikaturen von seinen Lehrern gezeichnet haben, als endlos lange Zahlenreihen von der Tafel abzuschreiben. Im Bauingenieursstudium empfand er die Rechnerei fast als Fluch. "Ich war einfach zu faul zum Rechnen", hat er auch später gerne gesagt und damit den Grund genannt für seine bahnbrechende Erfindung. Das Rechnen sollte eine Maschine übernehmen, die mehr können sollte als die damals schon existierenden Tischrechenmaschinen. An denen tippte man sich bei komplizierten Rechenaufgaben halb tot – und musste sogar immer wieder handschriftlich Zwischenergebnisse notieren. Darüber konnten Tage und Wochen vergehen. Die Erfindung der Z3 war eine Revolution.

Zuse Z3 (im Deutschen Museum in München)
Groß wie zwei Schränke: die legendäre Z3Bild: Teslaton

Hundert Fragen an den Vater

Jetzt baut sein Sohn Horst, Informatikprofessor an der Technischen Universität Berlin, die berühmte Z3 in den eigenen vier Wänden nach. Es sei eine technische Herausforderung, das mal selbst zu machen und nachzuvollziehen, was das "alte Herr" da gemacht habe, sagt Horst Zuse leidenschaftlich. Heute hätte er noch an die hundert Fragen an seinen Vater, was die Maschine angeht. Manchmal sitze er auch nur staunend davor und denke: "Genialer konnte man das nicht machen!"

Groß wie zwei Schränke ist die Wundermaschine mit ihren Bits und Bytes. Sie hat keinen Monitor, keine Maus und keine Tastatur, sondern sie besteht aus unzähligen Schaltungen - himmelblaue Relais, die man früher noch für Telefone mit Wählscheibe benutzt hat. Und noch nicht mal die hatte sein Vater damals zur Verfügung. Denn solche Relais waren zu teuer, und weil er seine Idee als Autodidakt und Privatmann verfolgte, musste Konrad Zuse zunächst alles selbst finanzieren.

Mit Laubsäge und Blech

"Da hat er sich kiloweise Bleche aus dem Altwarenhandel besorgt und hat die mit der Laubsäge ausgesägt, an die 30.000 Stück!" Unterstützt wurde er dabei von seinen Kommilitonen. Die hätten zwar nicht wirklich gewusst, was sie da letztendlich machen, aber offenbar besaß Konrad Zuse große Überzeugungskraft.

Röhre des Großrechners Z 22 von 1957 (Foto: Uli Deck dpa/lsw (c) dpa - Report+++
Rechner mit RöhreBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Zum Glück hat er nicht alles völlig alleine gemacht, kann man heute sagen, denn ohne Augenzeugen hätte Konrad Zuse nach dem Zweiten Weltkrieg nie beweisen können, dass er wirklich der Erste war, der einen Computer erfunden hat: Im Krieg waren die ersten Zuse-Computer zerstört worden, und in der Zwischenzeit hatten die Amerikaner ebenfalls ein Computermodell vorgestellt und Patentrechte angemeldet. Nachbauten gibt es mittlerweile einige, etwa im Technikmuseum Berlin.

Mathe? Versteh ich auch nicht!

Bei seinem eigenen Nachbau fühlt sich Horst Zuse nicht nur angetrieben vom Wunsch, auf den Spuren des Vaters zu wandeln. Er will auch seinen Studenten ganz konkret zeigen, was ein Computer ist: An der Z3 kann man jedes einzelne Bit noch sehen, man kann hören, wie die Maschine rechnet, was alles in Bewegung gesetzt werden muss, nur um zwei Zahlen zu addieren. An einem modernen PC, so Zuse junior, lässt sich das alles nicht mehr nachvollziehen.

Ihm und seinen Geschwistern hat der Vater übrigens nur höchst widerwillig beim Rechnen geholfen. Horst Zuse erinnert sich noch genau: "Wenn ich ihm mal eine Matheaufgabe von meinem Lehrer vorgelegt habe, die ich nicht verstanden hatte, dann hat er gesagt: 'Versteh ich auch nicht. Schlecht formuliert!'"

Autorin: Marcela Drumm
Redaktion: Aya Bach