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Bauern in Mexiko kämpfen gegen den Bau einer Gaspipeline

Désirée Therre
30. Oktober 2018

Im Süden Mexikos soll eine Gaspipeline gebaut werden. Viele indigene Bewohner wollen ihr Land nicht dafür hergeben. Doch der Druck auf sie nimmt stetig zu.

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Mexiko Chila de Juárez
Bild: DW/L. Martinez

Als Doña Maura Aparicio Torres sich entschied in den Kampf zu ziehen, hatte sie gerade den Mais ausgesät. An diesem Tag im Mai 2017 bemerkte sie einen Mann auf ihrem Grundstück, der durch ihr Maisfeld zum Haus ging, achtlos auf ihre Pflanzen trat, sich etwas auf seinen Block schrieb und ihr Land, ihr Haus, fotografierte.

Derselbe Mann kam Tage später wieder und forderte die Papiere für ihr Grundstück. Seine Erklärung: "Wir werden hier eine Gaspipeline bauen." 

Im Jahr 2015 erhielt das kanadische Unternehmen TransCanada den Zuschlag für den Bau einer 287 Kilometer langen Erdgasleitung durch den Süden des Landes bis zum Golf von Mexiko. Den Bau genehmigte die staatliche Energiebehörde. Die Gasleitung Tuxpan-Tula soll künftig Erdgas durch die vier Bundesstaaten Mexiko, Veracruz, Hidalgo und Puebla transportieren.

Ein Großteil der Pipeline ist schon fertig, 90 Kilometer fehlen. Ein Teil davon soll durch das Dorf Chila de Juárez führen sollen, durch das Feld, auf dem Doña Maura Mais und Erdnüsse anbaut. Die Gasleitung ist Teil der Energiereform, die unter Mexikos früherem Präsidenten Peña Nieto gestartet wurde.

Widerstand gegen den Staat

"Unsere Ernte ist das Wertvollste, was wir haben", sagt Doña Maura vom Volk der Otomí. Die 47-Jährige ist in Chila de Juárez geboren. Dort in den Bergen lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern. Das Haus gehört ihr. Einst kaufte sie es ihrer Schwiegermutter ab. Die Entscheidung, sich gegen den Staat und das ausländische Unternehmen zu stellen, fiel schnell: "Ich weiß gar nicht wohin, wenn ich mein Land verliere", sagt sie.

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Eine Straße im mexikanischen Chila de Juárez - auf einer Wand ein Graffiti: "Sagt nein zur Gaspipeline, wir sind ein indigene Gemeinde und fordern Respekt"
"Sagt nein zur Gaspipeline, wir sind ein indigene Gemeinde und fordern Respekt" steht auf der Hauswand in Chila de Juárez.Bild: DW/D. Therre

Heute ist sie Teil einer Protestbewegung, die von einem Regionalrat der Indigenen für Puebla und Hidalgo angeführt und beraten wird. Man trifft sich, tauscht Informationen aus, klagt gemeinsam gegen Transcanada.

Vor allem müsse der Rat über die Machenschaften des Unternehmens aufklären, sagt Oliveria Montes, Sprecherin des Rats. Denn oft versprächen diese Unternehmen Geld, das sie später nicht zahlten. 

Es herrscht Misstrauen gegenüber allen: dem Unternehmen, dem Staat und selbst gegenüber dem Nachbarn. "Sobald einer in der Gemeinde sein Land verkauft, denkt der Nachbar, er müsse auch verkaufen", erklärt sie. 

Der Mann kam wieder. Doña Maura erinnert sich nicht genau daran, wie oft er ihr Grundstück betrat. Vielleicht acht oder zehn Mal? Auf jeden Fall bot er ihr Geld an. "Wie viel?", fragte sie. Er legte sich nicht fest. "Wir werden dich umsiedeln", sagte der Mann. "Wohin?" "Gib mir die Papiere deines Grundstücks." "Nein", sagte Doña Maura. "Ob ihr geht oder nicht, wir werden hier bauen", erwiderte er und hinterließ seine Telefonnummer. Sie rief nie an. 

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Baustopp wegen nicht erfüllter Anforderungen

Der Indigene Rat hat einen vorläufigen Stopp des Pipeline-Baus erreicht. Der Fall liegt jetzt vor Gericht. Das gilt nicht nur für Chila de Juárez, auch für vier weitere Gemeinden. Denn bevor ein solches Megaprojekt gebaut wird, muss das mexikanische Energieministerium prüfen, ob Nachteile für die Anwohner oder die Umwelt entstehen. 

Das hat die Behörde getan, aber den entsprechenden Bericht womöglich beschönigt. Nur wenige Menschen müssten ihre Häuser verlassen. "In der Prüfung des Ministeriums war von gerade mal elf Gemeinden die Rede", sagt Raymundo Espinoza Hernández, Anwalt des Indigenen Rats. Insgesamt wären in der Region aber 459 Gemeinden von dem Bau betroffen, rund 260.000 Menschen. Grund genug, um den Bau auf Eis zu legen. 

Auf Nachfrage schiebt Transcanada die Verantwortung für die Pipeline Tuxpan-Tula auf die Unternehmenstochter Transportadora de Gas Natural de la Huasteca (TGNH). Jene Firma, die den Mann auf Doña Mauras Maisfeld schickte. Die TGNH habe gemeinsam mit der mexikanischen Regierungsbehörde, die für die Energiepolitik des Landes zuständig ist, den Kontakt zur Bevölkerung gesucht. Letztendlich sei es die Regierung, die prüfen müsse, ob gebaut werden dürfe oder nicht.

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Mexiko  Chila de Juárez -  Kampf gegen Gaspipeline: Doña Maura Aparicio Torres  vom Volk der Otomí
Doña Maura Aparicio Torres will ihr Land nicht für die Pipeline opfernBild: DW/D. Therre

"Transcanada ist sich keinerlei Enteignung indigener Gemeinden bewusst oder unterstützt solche, wo die Betroffenen nicht vorher konsultiert wurden und ihr Einverständnis gegeben haben", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Die Stimmung ist aufgeladen

Transcanada steht unter Druck: Die Firma will, dass Anfang 2019 das erste Erdgas durch die Leitung fließt. Die Erdgasleitung ist ein Puzzleteil in einem größeren Netzwerk: Irgendwann soll Gas von Brownsville in Texas über Veracruz nach Tuxpan und Tula im Herzen Mexikos fließen. Der Widerstand hat die Kosten für den Bau der Tuxpan-Tula-Pipeline von 297 Millionen US-Dollar um ein Drittel auf 397 Millionen US-Dollar steigen lassen.

"Sie werden die Gemeinden gegeneinander ausspielen", sagt Rechtsanwalt Espinoza. "Wenn die Unternehmen nicht mit legalen Mitteln den Bau vorantreiben, werden sie mit Gewalt in die Gemeinden eindringen."

Davor fürchtet sich Doña Maura. "Ich habe Angst, dass sie mich fertigmachen werden."

Pipeline zerstört heilige Berge

Ihr Mann, Salvador Murcia Escalera, steht mit der Hacke zwischen den Erdnusspflanzen, die noch klein und zart sind. Früher arbeitete er 14 Jahre als Lohnarbeiter auf einer Plantage in Kalifornien, um Geld nach Hause zu bringen. Er kehrte zurück, als ihn seine Frau anrief, dass ihr Land in Gefahr sei.

Mexiko  Chila de Juárez -  Kampf gegen Gaspipeline - Blick auf Berg der für die Otomi heilig ist
Ein heiliger Berg der OtomíBild: DW/D. Therre

"Das Land gibt uns alles", sagt Doña Maura. Das will sie sich nicht wegnehmen lassen.

Sie möchte auch nicht, dass die heiligen Berge der Otomí für die Pipeline gesprengt werden, wie es in anderen Gemeinden entlang der geplanten Pipeline schon passiert ist. Und noch weniger, dass Gas-Lecks das Wasser verseuchen.

Doña Maura schaut auf den Berg, an den sich ihr Land schmiegt. Der Legende nach stieg einst ein junger Mann mit Namen Margarito bis zur Spitze. Oben angekommen, ließ er sich müde nieder, um nie mehr herabzusteigen. Die Otomí in Chila de Juárez verehren ihn heute als Regengott. Sie bringen ihm Schafe, Bohnen und Mais auf den Berg. Wie Margarito will Doña Maura niemals weggehen.