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Bauern und Industrie Hand in Hand

Thomas Mösch27. Juni 2014

Die Afrikanische Union diskutiert auf ihrem Gipfel in Äquatorial-Guinea über eine produktivere Landwirtschaft. Einige Konzerne gehen schon heute neue Wege. Sie setzen auf die Zusammenarbeit mit Bauern und Regierungen.

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Afrika Weizen Mädchen Ernte
Bild: picture alliance / Gavin Hellier/Robert Harding

Für den niederländischen Bierbrauer Heineken, einen der größten weltweit, ist Afrika der am schnellsten wachsende Markt. Und Nigeria mit seinen rund 170 Millionen Einwohnern sei besonders durstig, betont der Vorstandsvorsitzende Jean-Francois van Boxmeer. Neben Hopfen braucht ein Bierbrauer auch jede Menge Getreide, seien es Gerste, Reis oder Mais. Dieses in Afrika in ausreichender Menge und Qualität zu bekommen, sei nicht einfach, so van Boxmeer. Vor 25 Jahren habe Heineken deshalb in Burundi versucht, ganz klassisch Land zu erwerben und eigene Farmen aufzubauen – und sei damit grandios gescheitert: "Wir haben verstanden, dass das kein Geschäftsmodel für Afrika ist", erklärt van Boxmeer.

"Man muss hier mit Kooperativen arbeiten und dann ist das auch erfolgreich." Die Bauern der Gemeinden vor Ort seien die wichtigsten Partner. "Die machen schließlich die Arbeit", so van Boxmeer. Es gehe darum, ihnen effektivere Arbeitsmethoden nahe zu bringen und sie mit ertragreicherem Saatgut zu versorgen. In Nigeria habe sein Unternehmen damit schon großen Erfolg: "Wir haben einheimische Sorghum-Sorten weiterentwickelt und damit die Erträge von einer auf zwei Tonnen je Hektar gesteigert", berichtet van Boxmeer. Jetzt werde an Hybrid-Sorten gearbeitet, von denen sich der Bierbrauer eine weitere Verdoppelung der Erträge verspricht.

Jean-Francois van Boxmeer, Vorstandsvorsitzende Heineken (Foto: Thomas Mösch)
van Boxmeer: "Die Bauern sind unsere Partner"Bild: DW/T. Mösch

Während die Afrikanische Union auf ihrem Gipfel (26./27.06.2014) in Äquatorial-Guinea diskutiert, wie Afrika seine schnell wachsende Bevölkerung in Zukunft selbst ernähren kann, haben van Boxmeer und Vertreter der Agrarwirtschaft schon mal vorgelegt auf dem Welt-Wirtschaftsforum für Afrika in Abuja im Mai diese Jahres.

Skepsis gegenüber Saatgut-Konzernen bleibt

Landwirt in Niger (Foto: ISSOUF SANOGO/ AFP)
Landwirt in NigerBild: Issouf Sanogo/AFP/GettyImages

Auch der US-amerikanische Saatguthersteller Dupont setzt auf die Zusammenarbeit mit Bauern, um höhere Erträge durch modernes Saatgut zu erreichen. In Äthiopien arbeitet der Konzern mit dem dortigen Landwirtschaftsministerium und der US-Entwicklungshilfeorganisation USAID seit 2013 an einem Programm, das die Maisernten deutlich steigern soll. Bauern erhalten Fortbildungsprogramme, hochwertiges Saatgut und günstige Kredite, berichtet James Borel, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Dupont. Im ersten Jahr seien 320 Modell-Felder eingerichtet worden, so Borel. "Die Bauern konnten dort den Ertrag um das Drei- bis Vierfache steigern."

Kritiker der industriellen Landwirtschaft, der Agro-Industrie, sehen dieses Engagement allerdings weiterhin mit Skepsis. Sie fürchten, dass die Konzerne lediglich nach effektiveren Methoden suchen, um ihr patentiertes und zum Teil gentechnisch verändertes Saatgut auf neue Märkte bringen. Die Bauern würden so von Industrie-Produkten abhängig gemacht.

Neue Agrarpolitik macht Investitionen interessant

Lydia Sasu, Netzwerk der Bauern-Organisationen Ghana (Foto: Thomas Mösch)
Lydia Sasu, Netzwerk der Bauern-Organisationen GhanaBild: DW/T. Mösch

Viele Regierungen in Afrika haben die Konzerne dagegen auf ihrer Seite, denn die stehen unter dem Druck, schnell höhere Erträge für die schnell wachsende Bevölkerung zu erreichen. Heineken-Chef van Boxmeer sieht denn auch eine neue Agrarpolitik in vielen afrikanischen Ländern als den entscheidenden Schritt hin zu einer effektiveren Landwirtschaft. Nigeria sei ein herausragend positives Beispiel, da sich hier die Regierung als aktiver Partner in der Agrarwirtschaft versteht. Das sieht auch Mansur Ahmed vom nigerianischen Mischkonzern Dangote so. Bisher war Dangote im Lebensmittelbereich ausschließlich im Import tätig und investiert erst neuderdings auch in den Anbau. Nigerias neue Agenda zum Umbau der Landwirtschaft habe erst das Klima geschaffen, das es für sein Unternehmen interessant gemacht habe, in die Landwirtschaft zu investieren, betont Ahmed.

Dangote habe in den letzten zwei Jahren Zuckerrohr-Plantagen von insgesamt 150.000 Hektar entwickelt, vor allem im Norden Nigerias. "Das wird die Abhängigkeit von Importen deutlich verringern und außerdem bis zu 180.000 Arbeitsplätze schaffen", verspricht Ahmed. Sein Chef, Aliko Dangote, der selbst aus dem nordnigerianischen Kano stammt, sieht dies als einen Beitrag, um auch den besonders armen Norden des Landes am Wirtschaftswachstum Nigerias zu beteiligen.

Industrie braucht starke Bauern

John Coumantaros, Vize-Chef "Flour Mills of Nigeria" (Foto: Thomas Mösch)
John Coumantaros, Vize-Chef "Flour Mills of Nigeria"Bild: DW/T. Mösch

Auch die "Flour Mills of Nigeria" wollen in den nächsten Jahren große Flächen in Nigeria für den Zucker und Maniok-Anbau entwickeln. "Wir investieren in die Landwirtschaft, um unsere Zulieferketten zu sichern", begründet der Vize-Chef des Konzerns, John Coumantaros, das Engagement. 500 Millionen US-Dollar will "Flour Mills" in den kommenden drei Jahren investieren. Die Firma braucht zum Beispiel mehr Maniok-Knollen für ihre Maniok-Mühle im südwestnigerianischen Ososa. "Wir haben 10.000 Hektar Ackerland im Bundesstaat Kwara entwickelt, um die nötigen Mengen zu bekommen", berichtet Coumantaros. Der Anbau von Lebensmitteln und die Verarbeitung müssten zusammengedacht werden, so Coumantaros. Deshalb arbeite seine Firma auch mit einzelnen Bauern zusammen, die sie fortbilde, damit sie die benötigten Mengen und Qualitäten liefern können.

Bildungsangebote, moderne Technik, billige Kredite und Zugang zu Land – dies seien die Bedürfnisse der Kleinbauern, betont Lydia Sasu vom Netzwerk der Bauern-Organisationen aus Ghana. Wenn die neuen Agrar-Investitionen auf diese Bedürfnisse eingehen würden, dann könnten auch die Kleinbauern ihren Anteil an der Nahrungsmittelversorgung Afrikas leisten. Für die Frauen sei der Zugang zu Land das größte Problem, erklärt die resolute Bauern-Vertreterin: "Die traditionellen Autoritäten könnten ihnen das Land geben. Und sie tun es, weil sie verstanden haben, dass wir den Frauen das Wissen für die Bewirtschaftung des Bodens vermittelt haben." Viele Frauen in Ghana könnten deshalb jetzt das Land ihrer Eltern übernehmen und weiterbewirtschaften. Das wirke auch der Landflucht entgegen, berichtet Sasu.

Neben den Bauern sei die Politik der andere wichtige Partner der Industrie, ergänzt Mühlen-Manager Coumantaros. Ein die Landwirtschaft unterstützender Gesetzesrahmen sei ebenso bedeutend wie der Ausbau von Straßen und Eisenbahnlinien und das Bereitstellen von Krediten für die Bauern. Wenn Bauern, Regierungen und Industrie sich als Partner verstünden, dann könne die Landwirtschaft in Afrika die Bedürfnisse der Zukunft decken, ist Coumantaros überzeugt.

Gentechnik soll Hunger stillen Bauer bei der Arbeit in Afrika (Foto: Alexander Joe/ dpa)
Die Bauern wollen: besseres Saatgut, effektivere AnbaumethodenBild: picture-alliance/dpa