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Glyphosat: Bayer versucht Befreiungsschlag

27. Juni 2019

Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer ändert offenbar seine Strategie, um die Klagewelle gegen den Unkrautvernichter Glyphosat in den Griff zu bekommen. Ein neuer Investor gibt sich zu erkennen.

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Symbolbild - Bayer - Monsanto
Bild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Bayer will sein Glyphosat-Problem mit einem eigens dafür ins Leben gerufenen Ausschuss im Aufsichtsrat in den Griff bekommen und erntet dafür Zuspruch des Hedgefonds Elliott. "Der Aufsichtsrat sieht die negativen Auswirkungen, die von der Unsicherheit im Zusammenhang mit den Gerichtsverfahren auf den Aktienkurs und die Wahrnehmung der Stakeholder ausgehen, und wird das Unternehmen dabei unterstützen, den Themenkomplex entschlossen und mit Umsicht voranzubringen", teilte der Dax-Konzern am Mittwochabend nach einer Sitzung des Aufsichtsrats mit. Ein neu gegründeter Ausschuss, der sich aus acht Mitgliedern des Kontrollgremiums zusammensetzen soll, werde den Vorstand beraten und Vorschläge zur Prozessstrategie machen. Mehrere Mitglieder des Ausschusses haben nach Angaben von Bayer "umfassende Erfahrung mit komplexen Gerichtsverfahren."

Die Bayer-Aktie war am Donnerstag an der Börse in Frankfurt der größte Gewinner, sie legte in der Spitze um über acht Prozent zu und kletterte wieder über die Marke von 60 Euro. Dies ist allerdings noch weit entfernt von den einstigen Höchstständen (142 Euro im April 2015).  

Bayer steht wegen der 63 Milliarden Dollar schweren Übernahme des US-Saatgut-Konzerns Monsanto - aus dessen Haus der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat stammt - unter Druck. Werner Baumann war auf der Hauptversammlung Ende April als erster amtierender Vorstandschef eines Dax-Konzerns von den Aktionären nicht entlastet worden. Denn die Rechtsstreitigkeiten rund um Glyphosat lasten schwer auf dem Aktienkurs des Konzerns. Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erregen. In den USA sieht sich Bayer deshalb mit etwa 13.400 Klägern konfrontiert.

USA Glyphosat-Prozess
Das Ehepaar Pilliod (hier mit ihren Anwälten) bekam knapp zwei Milliarden Dollar Schadensersatz zugesprochenBild: picture alliance/dpa/AP/P. Elias

Elliot schaut Bayer auf die Finger

Einem Insider zufolge scheint Bayer seinen Ansatz für Rechtsstreitigkeiten geändert zu haben. Anstelle des Versuchs, sich durchsetzen zu wollen und dafür auch bis zum Schluss zu kämpfen, gehe es nun um die schnellere Suche nach einem Vergleich, um Investoren und Mitarbeiter zu beruhigen.

Am Mittwoch wagte sich erstmals auch der Hedgefonds Elliott aus der Deckung. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte Ende 2018 von Insidern erfahren, dass der Fonds des US-Investors Paul Singer mit unter drei Prozent bei Bayer eingestiegen ist. Zu seinen Plänen hielt sich Elliott bislang bedeckt. Nun erklärte Elliott, man begrüße die geplanten Schritte und sei zuversichtlich, "dass die heutige Erklärung einen grundlegenden Wechsel in Bayers bisherigem Ansatz zur Bewältigung der rechtlichen Herausforderungen" darstelle. Daraus ergäben sich Chancen für einen "zeitnahen Vergleich mit begrenztem finanziellen Aufwand". Denn die Prozessstrategie von Bayer brauche eine grundlegende Überarbeitung. Experten rechnen bereits seit längerem mit einem Vergleich. Er dürfte zwar Milliarden kosten, Bayer könnte damit aber praktisch alle Glyphosat-Klagen auf einmal vom Tisch räumen.

Von Elliott beratene Fonds halten nach Angaben des Investors Aktien und wirtschaftlich äquivalente Instrumente an Bayer in einem Gesamtwert von 1,1 Milliarden Euro. Einem Insider zufolge beläuft sich der Anteil an Bayer auf 2,1 Prozent. Elliott erklärte, dass zwar die Lösung der Herausforderungen in den Rechtsstreitigkeiten zunächst Priorität habe. Bayer könne aber mehr für die langfristige Wertschöpfung zum Vorteil aller Stakeholder machen. "Elliott ist der Ansicht, dass der aktuell niedrige Aktienkurs von Bayer den signifikanten Wert der einzelnen Geschäftseinheiten bzw. die bestehende Wertschaffungsmöglichkeit von mehr als 30 Milliarden Euro nicht widerspiegelt", hieß es. Zu sofortigen, tiefgreifenden strukturellen Veränderungen will Elliott Bayer einem Insider zufolge nicht drängen.

USA Monsanto-Klage Dewayne Johnson
Im ersten Prozess wurden dem ehemaligen Hausmeister Dewayne Johnson im August 2018 knapp 290 Millionen Dollar Schadensersatz zugesprochen Bild: Getty Images/AFP/J. Edelson

Zusätzliche Expertise von außen

Der 20-köpfige Aufsichtsrat beschloss auch konkrete Maßnahmen zum Umgang mit den aktuellen rechtlichen Prozess- und Mediationsaktivitäten. Was genau geplant ist, ließ Bayer aber offen. Zusätzliche Expertise holt sich der Konzern mit dem US-Anwalt John Beisner von der Kanzlei Skadden ins Haus, der den Aufsichtsrat zum Rechtskomplex Glyphosat beraten soll. Beisner, der ein Experte für Produkthaftungsklagen ist und etwa für den US-Pharmakonzern Merck & Co beim Skandal um das Schmerzmittel Vioxx arbeitete, soll an den Sitzungen des neuen Ausschusses teilnehmen.

Der Ausschuss wird von Aufsichtsratschef Werner Wenning geleitet, der Bayer als Vorstandschef durch die Krise und Klagewelle wegen des Cholesterinsenkers Lipobay geführt hatte. Er wird je zur Hälfte mit Mitgliedern von der Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite besetzt. Dazu gehören unter anderem neben Betriebsratschef Oliver Zühlke auch Aufsichtsratsmitglied Paul Achleitner. Er ist als Aufsichtsratschef bei der Deutschen Bank Ärger gewohnt.

Wenning betonte, Bayer komme auch bei der von Investoren gewünschten weiteren Stärkung der Aufsichtsratsexpertise insbesondere im Bereich Landwirtschaft und Ernährung gut voran. "Wir sind mit hervorragenden und sehr angesehenen Kandidatinnen und Kandidaten im Gespräch." Aktuell sei das Gremium aber sehr gut aufgestellt, um den Herausforderungen für Bayer zu begegnen. Ein Bayer-Sprecher wollte sich nicht äußern, ob kurz- bis mittelfristig Veränderungen im Aufsichtsrat geplant sind.
hb/ab (rtr)