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BBC-Krise wegen der Kelly-Affäre

30. Januar 2004

Der Bericht von Lordrichter Hutton zum Selbstmord des Waffenexperten Kelly hat die britische Regierung entlastet – und erhebliche Kritik am Sender BBC geäußert. Dessen Führung ist inzwischen zurückgetreten.

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Greg Dyke (links) und demonstrierende BBC-MitarbeiterBild: AP

Nach der scharfen Kritik an ihrer Berichterstattung in der so genannten Kelly-Affäre ist die oberste Führungsspitze der britischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft BBC zurückgetreten. Gleichzeitig entschuldigte sie sich bei der Regierung von Premierminister Tony Blair. Der Generaldirektor und Chefredakteur der BBC, Greg Dyke, trat am Donnerstag (29.1.2004) von seinem Posten zurück. Schon am Mittwochabend hatte der Vorsitzende des höchsten Aufsichtsgremiums der BBC, Gavyn Davies, sein Amt niedergelegt. "Die BBC entschuldigt sich für ihre Fehler bei den Personen, deren Ruf davon betroffen wurde", hieß es am Donnerstag in einer Erklärung des Senders. Blair nahm die Entschuldigung an. BBC-Mitarbeiter demonstrierten gegen die Rücktritte.

"Schlussstrich ziehen"

Lordrichter Brian Hutton warf der BBC in seinem am Mittwoch vorgelegten Abschlussbericht zur Kelly-Affäre mangelnde Sorgfalt vor. Der fragliche Radiobeitrag vom Mai 2003, wonach die Regierung Geheimdienstinformationen zum Irak aufgebauscht haben soll, wurde als unhaltbar kritisiert. Der Bericht stützte sich auf Angaben des Waffenexperten David Kelly, der sich im Juli 2003 das Leben nahm.

Dyke sagte, er hoffe, dass mit seinem Rücktritt "jetzt ein Schlussstrich unter die ganze Angelegenheit gezogen werden" könne. "Ich denke, mein Weggang ist sehr wichtig, um die journalistische Unabhängigkeit der BBC zu bewahren", erklärte er. Dies sei auch während der gesamten Affäre sein vorrangiges Ziel als Intendant gewesen. Er habe stets im öffentlichen Interesse handeln wollen.

Ungeprüfte Fakten

Der amtierende Vorstandsvorsitzende der BBC, Richard Ryder, räumte nach einer Krisensitzung des Gremiums ein, es habe "ernste Mängel" im Arbeitsablauf gegeben. Blair kommentierte die Entschuldigung mit den Worten, das sei alles gewesen, was er gewollt habe. Sie erlaube, einen Schlussstrich zu ziehen und nach vorn zu schauen.

Hutton warf der BBC vor, in ihrer Berichterstattung wichtige Fakten nicht überprüft und dieses Versäumnis später nicht eingestanden zu haben. Dagegen wurde Blair von jeglicher Verantwortung für den Selbstmord Kellys freigesprochen. Der Regierungsberater war wenige Tage vor seinem Selbstmord als Quelle für den fraglichen BBC-Bericht enttarnt worden. Kellys Name wurde vom Verteidigungsministerium an die Öffentlichkeit gebracht. Der Regierung wurde deshalb vorgeworfen, ihren langjährigen Mitarbeiter enormem Druck ausgesetzt und ihn dadurch in den Selbstmord getrieben zu haben. Die Affäre heizte die Debatte über die Rechtfertigung des Irak-Krieges weiter an und stürzte die Regierung Blair in die schwerste Glaubwürdigkeitskrise seit ihrem Amtsantritt.

Besorgte Mitarbeiter

Zahlreiche britische Zeitungen reagierten am Donnerstag skeptisch auf den Hutton-Bericht und sprachen von einem einseitigen Ergebnis. Die liberale Zeitung "The Guardian" schrieb: "Die Regierung mag ja im Falle von Dr. Kellys Tod entlastet worden sein, aber das heißt nicht, dass sie die Wahrheit über den Irak sagte."

Nach Dykes Rücktritt gingen hunderte BBC-Mitarbeiter auf die Straße. Einige trugen Schilder mit der Aufschrift: "Bringt Greg zurück". "Ich bin schockiert und am Boden zerstört, und so geht es wohl den meisten Mitarbeitern der BBC", sagte der 42-jährige Techniker Harry Matharu. "Greg hat für die BBC mehr getan als irgendjemand sonst." Der 35-jährige Ingenieur Richard Curtis äußerte die Befürchtung, dass die Redakteure künftig davor zurückschrecken könnten, die Regierung in Frage zu stellen. (kap)