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Keine besten Freundinnen

Kay-Alexander Scholz, Berlin12. Februar 2016

Der Antrittsbesuch der polnischen Ministerpräsidentin in Berlin machte ziemlich viele Differenzen deutlich. Angela Merkel wird aus Warschau für ihren Flüchtlingsplan wohl wenig Unterstützung bekommen.

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Beata Szydlo und Angela Merkel bei einer Pressekonferenz in Kanzleramt (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/E.Contini

So kühl war es schon lange nicht mehr bei einer Pressekonferenz im Kanzleramt. Und das lag nicht an der Klima-Anlage. Beata Szydlo schaute nur ein einziges Mal zu Angela Merkel hinüber. Ein echtes Lächeln? Fehlanzeige! Stattdessen nur hochgezogene Mundwinkel für die Kamera. Polens neue Ministerpräsident hielt sich mit beiden Armen am Stehpult fest, ihre Pupillen sprangen ständig hin und her. Dennoch versteckte sie Ihre Nervosität gut hinter einer eisigen Fassade. Das dunkelblaue Jackett und die weiße Blusen saßen Millimeter-genau. Merkel dagegen wirkte fast zersaust. Nicht wirklich, aber man merkte ihr an, dass ihr gemeinsames Gespräch zuvor nicht einfach gewesen sein kann.

Wie die Schale, so der Kern. Wer sich vom lange erwarteten Antrittsbesuch Szydlos Kompromisse erhofft hatte, wurde enttäuscht. Einen "festen Relokationsmechanismus" werde Polen nicht akzeptieren, also nicht dem Merkel-Vorschlag über die Verteilung von Flüchtlingen folgen. Immerhin aber stehe die neue Regierung zur Zusage der Vorgängerregierung in Warschau, sich an der Verteilung der 160.000 syrischen Flüchtlinge mit 7000 Plätzen zu beteiligen. Insgesamt aber seien die bisherigen Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik nicht "so wirksam", das Problem sei noch sichtbar. Stattdessen sollte die Politik nun "effektive und effiziente Lösungen" suchen.

Die Aussage wollte Merkel dann nicht unkommentiert lassen. Man könne doch nicht schon nach sechs, sieben Monaten sagen, dass etwas gescheitert sei. Bei der "Solidarnosc"-Bewegung in Polen habe es ja auch lange gedauert, bevor es Erfolge gab.

Szydlo: Bei uns leben schon eine Million Flüchtlinge

Nach dem Besuch im Kanzleramt hielt Szydlo bei der Körber-Stiftung eine 40-minütige Grundsatz-Rede. Hier wurde sie noch deutlicher. Polen wolle sich in der Flüchtlingsfrage nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen, so ihr Tenor. Schließlich habe ihr Land bereits eine Million Flüchtlinge aus dem Nachbarland Ukraine aufgenommen - und bekomme dafür keinerlei Unterstützung von der EU, sagte sie. Was die EU-Flüchtlingspolitik beträfe, sei es für Polen wichtig, darauf Einfluss haben zu können, welche Entscheidungen getroffen werden. Auch diese Aussage konnte als Kritik verstanden werden - nämlich auf die mehr oder weniger einsame Entscheidung Merkels, die Grenzen zu öffnen und damit auch die Situation in den Nachbarländern zu verändern.

Beata Szydlo bei der Körber-Stiftung in Berlin (Foto: dpa)
Beata Szydlo verlangte Respekt vor polnischen BelangenBild: picture-alliance/dpa/v. Jutrczenka

Einig waren sich beide Regierungschefinnen immerhin in dem Wunsch, die Briten in der EU halten zu wollen. Außerdem wolle man, was wohl eher als Symbol zu bewerten ist, ein humanitäres Projekt auf die Beine stellen. In einem der Nachbarländer Syriens soll gemeinsam eine Schule oder ein Krankenhaus für Flüchtlinge gebaut werden.

Einmischung in innere Angelegenheiten?

"Souveränität", "Respekt" und "Freiheit" waren Worte, die Szydlo in ihrer, teilweise frei gehaltenen Rede häufig verwendete. Die 52-jährige Völkerkundlerin verwies auch auf Polens Geschichte: Vor 1989, also unter Sowjet-Einfluss, hätte ihr Volk kein Recht auf eigene Entscheidungen gehabt. Sie hätten dafür kämpfen müssen, ihre Meinung sagen zu dürfen.

Doch was die Diskussion in Europa über die polnische Innenpolitik angeht, da zog Szydlo dann doch deutliche Grenzen der Meinungsfreiheit. Ihre Argumentation: Die derzeitigen Veränderungen in Polen hätte die Mehrheit der Bevölkerung so gewollt. Deshalb habe ihre Partei, die nationalkonservative PiS, eine absolute Regierungsmehrheit bekommen. Natürlich würden die jetzigen Veränderungen "nicht allen Milieus munden". Ihre Proteste aber seien letztlich doch Ausdruck der funktionierenden Demokratie in Polen.

Deutsche Medien würden sich manchmal schlecht darüber informieren, wie die neue Regierung arbeitet, behauptete Szydlo und nannte ein Beispiel: Was mit den polnischen Medien passiere, sei so auch schon in Frankreich eingeführt worden. Es gebe also gar keinen Grund, noch länger darüber zu sprechen - basta. Auch die Frage des Umgangs mit dem Verfassungsgericht sei eine interne Angelegenheit Polens. Die EU solle stattdessen lieber eine Antwort auf die Flüchtlingskrise finden.

Kritik an Northstream-Pipeline

Ein weiterer Streitpunkt, den Szydlo in der Körber-Stiftung ansprach: das Gaspipeline-Projekt Northstream II. Die Ministerpräsidentin kritisierte das Projekt scharf. Die Unterstützung dieses "politischen Projekts" sei unvereinbar mit der Politik der gemeinsamen Sanktionen gegenüber Russland. Als Resultat könnten die proeuropäischen Reformen in der Ukraine geschwächt und das Land destabilisiert werden. Zudem unterlaufe das Projekt das Ziel der EU, sich bei der Energieversorgung unabhängiger von Russland zu machen.