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Bei Parkinson, Demenz, Suchterkrankungen und Depressionen – eine Therapie mit Potential

2. Juli 2012

Prof. Malek Bajbouj, Neurologe an der Berliner Charité äußert sich zur Frage, wie aussichtsreich die Therapie ist und welche weiteren Möglichkeiten die "Tiefe Hirnstimulation" eröffnet.

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DW: Eine Patientin mit schwerer Depression hat nach der Tiefen-Hirn-Stimulation wieder Lust zu reisen bekommen. Hatten sie bei ihren Patienten auch schon mal so einen Glücksfall?

Malik Bajbouj: Ja, wir hatten gerade eine Patientin, die uns vor zwei Wochen eine Postkarte aus Spanien geschrieben hat. Sie war vorher sehr schwer depressiv, war über mehrere Jahre nur zu Hause. Sie hatte ausschließlich im Bett gelegen. Nun verreist sie wieder und schreibt uns glückliche Postkarten. Sie ist wieder unternehmungslustig.

Gleichwohl gibt es ja bislang nur ganz wenige Patienten weltweit, die schon implantierte Elektroden haben. Warum sind sie von der Wirkung der Tiefen-Hirn-Stimulation trotzdem so überzeugt?

Wir müssen gegenwärtig noch vorsichtig sein. Es gibt wenige hundert Patienten, die so behandelt worden sind. Das sind in der Regel sehr schwer depressive Patienten, bei denen andere Verfahren nicht geholfen haben. In diesen Fällen konnten wir 2 von 3 Patienten helfen aus der Depression zu kommen. Das ist etwas was uns sehr optimistisch stimmt.

Was ist der große Vorteil bei dieser Therapie im Vergleich zu anderen, gängigen Behandlungsmethoden?

Es gibt eine ganze Reihe von Vorteilen, aber auch Nachteilen. Die Vorteile sind, dass es auch längerfristige Therapien sind. Also der Stimulator ist ein Schrittmacher, der stimuliert permanent im Hintergrund. Und wenn Patienten darauf angesprochen haben, dann haben sie auch einen dauerhaften Erfolg, der mehrere Jahre anhalten kann.

Nichtsdestotrotz können ja auch Nebenwirkungen auftreten. Wie sieht es da bei der Tiefen-Hirn-Stimulation aus?

Jedes Verfahren mit dem man Patienten behandelt, hat Vorteile und Nachteile. Bei der Tiefen-Hirn-Stimulation - es ist eine Operation - gibt es Operationsrisiken. Wenn man dies an Zentren durchführt, die erfahren sind, wie z.B. bei den Kollegen in Bonn, oder auch hier an der Charité, dann sind die Operationsrisiken im unteren Prozentbereich. Also eher selten.

Ist es nicht trotzdem ein starker Eingriff in die Persönlichkeit eines psychisch kranken Menschen, wenn man seine Stimmung per Knopfdruck manipuliert?

Es ist eine sehr lange Operation. Sie dauert 6 Stunden und das ist natürlich ein erheblicher Eingriff. Allerdings würde ich nicht sagen, dass es ein Eingriff in die Persönlichkeit ist. Unseren Charakter ändern wir in der Regel nicht, und die Persönlichkeit wird durch diese Operation nicht beeinflusst.

Da sehen sie keine Risiken. Welche weiteren Möglichkeiten bietet denn diese Methode? Könnte man sie auch langfristig bei anderen Krankheiten einsetzen?

Die Methode kommt ursprünglich aus der Behandlung von Bewegungsstörungen. Patienten mit Parkinson werden überwiegend damit behandelt. Einige 10 000 Menschen sind so sehr erfolgreich behandelt worden. Gegenwärtig laufen eine Reihe von Studien bei anderen Erkrankungen, z.B. Demenzerkrankungen, Suchterkrankungen. Aber da sind wir wirklich noch am Anfang.

Langzeitstudien stehen noch aus. Was glauben Sie, wann wird die Tiefen-Hirnstimulation zu einer Standardtherapie?

Ich würde erwarten, dass wir möglicherweise in 8 bis 10 Jahren, einem kleinen und relevanten Anteil an Patienten dieses Verfahren anbieten können, möglicherweise jedem zehnten Patienten mit schweren Depressionen, bei denen ansonsten nichts hilft. Und für diese Patienten ist das in 10 Jahren möglicherweise die Therapie der Wahl.

(Interview: Maria Grunwald)