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Beim Geld verdienen Gutes tun

Stephanie Höppner 12. Juli 2014

Als Unternehmen nicht nur ans Geld verdienen zu denken, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, liegt im Trend. Doch häufig fehlt es an der ganzheitlichen Umsetzung, bemängeln Experten.

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Deutschland Autobauer Koalitionsverhandlung Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa

Radio Ratke in Oberhausen verkauft nicht nur Elektronikartikel - das Geschäft steckt auch viel Zeit in die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, die nicht nur ihnen sondern auch der Allgemeinheit zu Gute kommen. So bietet es für berufstätige und ältere Kunden verlängerte Öffnungszeiten an - und kommt für Beratungs- und Verkaufsgespräche auch zu den Menschen nach Hause. Gleichzeitig achtet der Betrieb darauf, vor allem Personal aus dem sogenannten Knappenviertel zu rekrutieren, einem Oberhausener Stadtteil mit hoher Arbeitslosigkeit. Ein anderes Beispiel guter Ideen: Der Friseurladen "Cutman" in Berlin hat sich auf die Unterstützung hilfsbedürftiger Kinder im eigenen Kiez spezialisiert. An einer Grundschule bietet das Geschäft zum Beispiel Kunstkurse an, die Projekte wechseln halbjährlich.

Zu den herausragenden Beispielen engagierter Unternehmen gehört auch das Kölner Unternehmen Ford. Bereits seit 14 Jahren versucht es gesellschaftliche Verantwortung zu tragen - bislang konnten mehr als 1300 Projekte realisiert werden. Mitarbeiter werden sogar an zwei Tagen im Jahr freigestellt, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Unter dem Stichwort Corporate Social Responsibility - auch kurz CSR genannt - versuchen viele Unternehmen Geschäftstüchtigkeit mit Nachhaltigkeit zu verbinden. Die Aktivitäten reichen vom Handwerkerbetrieb, der in seiner Heimat Schulen unterstützt bis hin zum globalen Großkonzern, der großangelegtes Sponsoring betreibt.

Corporate Responsibility nur bei 40 Prozent

"Unternehmen machen schon sehr viel im Bereich unternehmerische Verantwortung, aber vielfach liegt der Schwerpunkt noch im CSR-Bereich: Das heißt Spenden und soziales Engagement in der Region. Aber eine der großen Herausforderungen ist die Implementierung ins Kerngeschäft, das sogenannte Corporate Responsibility", sagt Anne Fries von der concern GmbH, die gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung eine Studie zu dem Thema erstellt hat. Konkret heisst das: Nicht nur punktuell helfen, sondern die komplette Wertschöpfungskette im Blick behalten - von der Einbindung der Mitarbeiter in Deutschland bis hin zum Arbeitsschutz in der ausländischen Produktion.

Die fantastischen Vier. (Foto: Imago René Schulz )
Soziale Verantwortung bedeutet nicht nur Benefizkonzerte - sondern Nachhaltigkeit im ganzen GeschäftBild: imago/Rene Schulz

So kommen die Verfasser der Studie zu dem Schluss, dass das Tragen gesellschaftlicher Verantwortung zwar vielen Betrieben wichtig erscheint, es jedoch nur bei einem kleinen Teil täglich umgesetzt wird. In Zahlen bedeutet das: 73 Prozent befürworten Corporate Responsibility, doch lediglich 40 Prozent haben sie im Geschäftsleben integriert. Nur in etwa 10 Prozent der Unternehmen ist es Bestandteil der gesamten Strategie.

Dabei haben auch etliche Institutionen bereits ein Umdenken angestoßen. So hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Richtlinien für Unternehmen erarbeitet, ebenso wie die EU. Auch die Vereinten Nationen haben eine Richtschnur publiziert. Doch ohne Zwang gebe es keine Veränderung, so eine gängige Meinung. "Viele sind gerade am Anfang, weil es eben eine große Herausforderung ist", erklärt Anne Fries. "Man muss erstmal Überzeugungsarbeit leisten, denn die Effekte sind nicht sofort sichtbar."

Die Tradition vom "ehrbaren Kaufmann"

Markus Beckmann, der den Lehrstuhl für Corporate Sustainibility Managament an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg inne hat, plädiert für einen differenzierten Blick auf Deutschlands Unternehmen. Denn viele Themen, die in anderen Ländern als freiwilliges und lobenswertes Engagement gelten, sind in der Bundesrepublik verpflichtend. Dazu gehört zum Beispiel das Einhalten von Abfall- oder Sicherheitsstandards. "Auch dass wir einen Betriebsrat haben, wird kein Unternehmen als eine freiwillige soziale Leistung ausweisen, wenn es aufgrund seiner Größe dazu verpflichtet ist", sagt Beckmann. Gleichzeitig sei es in Deutschland Tradition, dass vor allem lokale Unternehmen sich in der "Tradition des ehrbaren Kaufmanns" sehen und sich für ihr Umfeld engagieren.

Markus Beckmann Wirtschaftswissenschaftler Universität Erlangen-Nürnberg. (Foto: privat)
Wissenschaftler Markus Beckmann: Viele Standards schon verpflichtendBild: Universität Erlangen-Nürnberg

"Was wir jetzt aber sehen, ist das im Bereich CR diese Dinge, die schon immer getan werden, von einigen Unternehmen noch proaktiver gemacht und professioneller werden - und darum geht es auch in diesem Index von Bertelsmann", sagt Beckmann. Das professionelle Handeln zeichnet sich zum Beispiel dadurch aus, dass das Unternehmen sich nicht nur punktuell engagiert, sondern sich klare Ziele setzt und die Einhaltung im Nachgang auch auswertet. Die zentrale Frage dabei lautet: "Wo kann ich Verantwortung übernehmen für Themen, bei denen ich zwar für die Gesellschaft was tun kann, aber auch ganz stark für mich selber einen eigenen Nutzen erreichen kann?" Die Professionalität zeigt sich mittlerweile auch in den Unternehmensstrukturen. So hat fast ein Fünftel eine eigene Abteilung für diese Aufgaben, fast die Hälfte Stabstellen dafür eingerichtet. Für Beckmann trotz einiger Defizite eine gute Entwicklung.