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Belastungsprobe der deutsch-russischen Freundschaft

Georg Matthes20. Dezember 2004

Gerhard Schröder und Wladimir Putin sind alte Freunde. Jetzt treffen sie sich in Hamburg und der Druck wächst, dass die gute Beziehung der beiden zueinander sich auch politisch auswirkt.

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Auf das GeschäftBild: AP

Es sind harte Zeiten für die Männerfreundschaft zwischen Deutschlands Bundeskanzler und dem russischen Präsident. Bereits vor Beginn der deutsch-russischen Konsultationen in Hamburg hagelte es Kritik. Amnesty International forderte Schröder auf, die russische Tschetschenienpolitik Putins öffentlich anzuprangern. Im Bundestag kritisierten die Abgeordneten Präsident Putin für die Zerschlagung des Ölriesen Yukos und 30 Professoren der Universität Hamburg zogen die im Sommer an Putin verliehene Ehrendoktorwürde wieder zurück. Das Urteil der Wissenschafter lautete: Unter Putins Führung nimmt die russische Demokratie zunehmend autoritäre Züge an.

Ökonomische Kühle spendet Wärme

Im Gegensatz zur Politik laufen die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland wie geschmiert. Am Rande der Konsultationen im Hamburg wird über die Pläne von Volkswagen oder Siemens gesprochen, die in Russland künftig kräftig investieren wollen. "Der Verdienst zweier Pragmatiker", erklärt Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik: "Die Freundschaft zwischen Schröder und Putin ist eine kalkulierte und stark wirtschaftlich ausgerichtete Partnerschaft", so der Russland-Experte. "Was Schröder im Osten gefällt ist, dass dieser riesige russische Markt zum Greifen nahe erscheint". Putin wiederum, so Rahr, habe ein starkes Interesse, Öl und Gas in den Westen zu verkaufen. Schon jetzt wird ein Drittel des deutschen Energiebedarfs mit Lieferungen aus Russland gedeckt.

Schlittenfahrt statt Saunagang

Schlittenfahrt Gerhard Schröder und Wladimir Putin
Auf dem Weg zum gemeinsamen Weihnachtsfest. Schröder und Putin im Winter 2001.Bild: dpa

Die Freundschaft zwischen Russland und Deutschland hat schon lange Tradition. Doch nicht immer stand die Wirtschaft dabei im Vordergrund. "Im Gegensatz zu der Beziehung zwischen Kohl und Jelzin ist die Beziehung Schröder-Putin erschreckend unpolitisch. Für ihre Vorgänger war der Zusammenbruch der Sowjetunion fast unvorstellbar, aber für Schröder und Putin sind das Realitäten", erklärt Rahr. Reduziert man die Freundschaft auf eine einfache Formel, so der Russland-Experte, dann lautet sie: Interessensgemeinschaft, statt Wertegemeinschaft. Doch genau daran könnten die guten Beziehungen scheitern. Wird Schröder immer wieder vor die Entscheidung gestellt, entweder zu Putin zu halten, oder den europäischen Wertekonsens im Westen zu verteidigen, muss er seinen russischen Freund auf die Dauer fallen lassen. "Doch das versteht Putin nicht“, sagt Rahr. Der Streit um die Wahlen in der Ukraine habe klar gemacht, Schröder konnte Putin nicht verteidigen, auch wenn er wollte.

Wirtschaftliche Erfolge reichen nicht

Für den russischen Staatschef ist die ständige Kritik aus Deutschland schwer zu verstehen. Putins Frau ist Germanistin, seine Töchter gehen auf eine deutsche Schule, er selbst hat als KGB-Mann lange in Dresden gelebt. "Vor rund fünf Jahren hat er sich gesagt, ich will die russische Öffnung in den Westen und ich will sie über die Freundschaft zu Gerhard Schröder erreichen", sagt Alexander Rahr. Jetzt müsse Putin einräumen, dass die Rechnung nicht aufgegangen ist. In den letzten vier Jahren hat Russland 50 Prozent seiner kolossalen Schulden getilgt und will in den nächsten zwei Jahren weitere 30 Milliarden Euro zurückzahlen. Auf Deutschland entfielen davon jährlich bis zu 2,5 Milliarden und für dieses Engagement wird sich Putin in Russland rechtfertigen müssen.

Politische Hoffnungen

Schröder und Putin
Putin und Schröder in Petersburg 2001. Die beiden Freunde sind einen langen Weg gekommen.Bild: AP

Putin ringt um Annerkennung im Westen, bekommt sie aber nicht. Schröder will sie ihm geben und wird dafür angeprangert. Dabei ist der deutsche Bundeskanzler einer der wenigen in Europa, die sich ernsthaft darüber Gedanken machen, wie man künftig politisch mit Russland umgehen soll. Was bleibt, sind die wirtschaftlichen Beziehungen und die schweißen die beiden Staatsmänner immer mehr zusammen. "Wir müssen jetzt ganz genau hinschauen, was Russland mit seiner neuen Stärke macht“, sagt Alexander Rahr. Nutzt sie Putin um das Land zu einer Diktatur auszubauen, rächen sich Schröders Solidaritätsbekundungen. Doch noch, so Rahr, hat Putin die rote Linie nicht überschritten, bei der man sagen müsste: Russland ist unwiderruflich vom Weg der Demokratie abgerückt.