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Benzingipfel soll E10-Chaos beenden

8. März 2011

Die Einführung des sogenannten Biosprits E10 wurde zum Debakel. Nun soll ein "Benzingipfel" retten, was noch zu retten ist. Eingeladen hierzu hat der Wirtschaftsminister und so den zuständigen Umweltminister ausgebootet.

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Roter Benzinkanister vor blühendem Rapsfeld (Foto: Fotolia)
Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen soll die CO2-Bilanz verbessernBild: Fotolia/Günter Menzl

Die Blamage könnte kaum größer sein. Um die Biosprit-Richtlinie der EU umzusetzen, hatte die Bundesregierung die Einführung von E10 ab Januar 2011 beschlossen. Was in anderen EU-Ländern reibungslos funktioniert, führte in Deutschland zum Desaster. Nachdem der Einführungstermin bereits um Wochen verschoben werden musste, weil die Mineralölwirtschaft ihre Tankstellen nicht rechtzeitig umgerüstet hatte, strafte der deutsche Autofahrer aus Angst um seinen Motor den neuen Sprit mit größtmöglicher Verachtung. Folglich bleiben die Raffinerien auf E10 sitzen, während reguläres Super an manchen Orten knapp wurde. In dieser Situation griff der Bundeswirtschaftsminister ein.

Verbraucherstreik aus Verunsicherung

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (rechts) und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sitzen nebeneinander (Foto: dpa)
Kabinettskollegen Brüderle (rechts) und Röttgen: Das Heft des Handelns aus der Hand genommenBild: picture-alliance/dpa

Rainer Brüderle (FDP) lud Tankstellenbetreiber und Autohersteller, Verbände und Kabinettskollegen für diesen Dienstag (08.03.2011) zum "Benzingipfel" ein – und nahm dem zuständigen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) das Heft aus der Hand. "Was wir bei E 10 erleben, ist ein Käuferstreik", sagte Brüderle im Radio Berlin-Brandenburg. Deshalb müsse die Kommunikation verbessert und die Akzeptanz des Biokraftstoffs erhöht werden. Es lägen verschiedene Verbesserungsvorschläge auf dem Tisch.

Angesichts der Bandbreite dieser Vorschläge scheint beinahe jede Lösung möglich: Von einem Stopp der E10-Einführung bis zu einer Entlastung der Biosprit tankenden Autofahrer, von einer zentralen Auskunftsdatei über die E10-Verträglichkeit beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg bis zu einer Unbedenklichkeitsplakette der Autohersteller. Wie immer die Lösung aussieht, an der auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner und Verkehrsminister Peter Ramsauer (beide CSU) mitarbeiten werden, sie muss schnell kommen und Vertrauen schaffen.

Benzingipfel "ein Jahr zu spät"

Aus Sicht der Grünen hätte ein solcher Benzingipfel mehr Sinn gehabt, wenn er vor einem Jahr stattgefunden hätte. So erweise sich das E10-Desaster als Lehrstück für die Bundesregierung, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Winfried Hermann, dem "Hamburger Abendblatt": "Wenn man der Wirtschaft nicht sagt, was sie zu tun hat, dann tut sie gar nichts." Der Grünen-Politiker forderte eine Aussetzung des E10-Verkaufs, bis die Automobilhersteller ihren Kunden rechtsverbindliche Informationen geben können, welche Autos den neuen Sprit überhaupt vertragen.

Eine Hand hält eine Zapfpistole (Foto: dpa)
Die stärkste Waffe des Verbrauchers ist seine EntscheidungsfreiheitBild: picture alliance/dpa

Umweltminister Röttgen machte in der "Bild"-Zeitung erneut die Mineralölwirtschaft für die Verwirrung bei den Kunden verantwortlich: "Die jetzige Aufregung hängt damit zusammen, dass die Wirtschaft nervös geworden ist, weil sie ihr eigenes Produkt zu schlecht vermarktet hat". Er sei dennoch zuversichtlich, "dass das entstandene Misstrauen beim Verbraucher wieder abgebaut werden" könne, sagte der CDU-Politiker. Für Röttgens Amtsvorgänger, SPD-Chef Sigmar Gabriel, ist keines der Argumente in der Diskussion neu. Auch die abzusehende Verunsicherung der Verbraucher habe ihn schon 2008 bewogen, die Einführung von E10 zu stoppen, sagte Gabriel dem Mitteldeutschen Rundfunk. Statt weiter auf Biokraftstoffe zu setzen, sei es klüger, "die Elektromobilität voranzutreiben und das Thema Wasserstoff weiter voranzubringen".

Ethanol als Kraftstoff ist ein alter Hut

Der Kraftstoff E10 enthält zehn Prozent Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben. Rund drei Millionen Autos in Deutschland vertragen diesen Supersprit nicht, weil er Dichtungen zerstören oder den Tank korrodieren lassen kann. In anderen Staaten der Welt ist Ethanol-Kraftstoff - sogar mit weit höheren Beimischungen – schon seit vielen Jahren erhältlich.

Autor: Rolf Breuch (dapd, dpa)
Redaktion: Martin Muno