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Bergdrama am K2 in Pakistan

8. Februar 2021

Am zweithöchsten Berg der Erde, dem K2 im Karakorum, werden seit anderthalb Wochen drei Bergsteiger vermisst. Die Hoffnung, sie noch lebend zu finden, geht gegen Null.

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Winterbesteigung des K2
Der 8611 Meter hohe K2 in PakistanBild: SALTORO_SUMMIT_HANDOUT/dpa/picture alliance

"Diese Expedition war für mich das Brutalste, was ich je erlebt habe", schreibt die 34 Jahre alte Südtiroler Profi-Bergsteigerin Tamara Lunger auf Instagram. "Ein Abenteuer, das wie ein Traum begann und in einem Albtraum endete, der mich noch lange verfolgen wird!" Zwei Bergsteiger stürzten in den Tod, drei weitere werden seit anderthalb Wochen vermisst. Die Chance, sie noch lebend zu finden, gehen gegen Null.

Mit niedrigem Preis geködert

Lungers Traum war es, den 8611 Meter hohen K2 in Pakistan im Winter zu besteigen, ohne Flaschensauerstoff. Rund 60 weitere Bergsteiger waren ebenfalls nach Pakistan gereist. So viele hatte es noch niemals zuvor in der Wintersaison an einem Achttausender gegeben. Das lag zum einen daran, dass der K2 der letzte verbliebene unter den 14 Achttausendern war, der trotz einiger Versuche noch niemals zuvor in der kalten Jahreszeit bestiegen worden war.

Infografik Karte die 14 Achttausender DE

Zum anderen hatte der kommerzielle nepalesische Expeditionsveranstalter Seven Summit Treks auch einige Bergsteiger mit wenig oder gar keiner Achttausender-Erfahrung nach Pakistan gelockt - mit einem "Dumpingpreis" von rund 35.000 Dollar, halb so viel wie sonst in der Sommersaison. In der Vergangenheit hatte man im Winter an Achttausendern fast nur Top-Bergsteiger angetroffen, keine zahlenden Kunden kommerzieller Veranstalter. Schon gar nicht am K2, der zu den schwierigsten und gefährlichsten Bergen der Welt zählt.

Triumph und Tragödie

Als am 16. Januar zehn Nepalesen, darunter Nirmal Purja, die prestigeträchtige erste Winterbesteigung des K2 gelang, hofften auch die anderen Bergsteiger auf einen Gipfelerfolg am zweithöchsten Berg der Erde. Doch der Albtraum begann schon an jenem 16. Januar: Beim Abstieg aus einem Hochlager stürzte der Spanier Sergi Mingote in den Tod. Der 49-Jährige war ein Star der Szene, innerhalb von nur 444 Tagen hatte er die Hälfte der 14 Achttausender ohne Atemmaske bestiegen.

Am vergangenen Freitag folgte der nächste tödliche Absturz. Diesmal erwischte es Atanas Skatov - einen Bulgaren, der bereits auf den Gipfeln von zehn Achttausendern gestanden hatte. Auch der 42-Jährige war auf dem Abstieg. Insgesamt hatten sich rund 20 Bergsteiger auf den Weg zu einem Gipfelversuch gemacht. Nach einer Schlechtwetterperiode sollte der vergangene Freitag einer der wenigen Wintertage sein, an denen ein Aufstieg zum höchsten Punkt des K2 überhaupt möglich ist: mit guter Sicht und ohne die sonst üblichen Sturmböen, die teilweise Orkanstärke erreichen können.

Nepal | die Bergsteiger werden am Flughafen erwartet
Empfang für die Wintererstbesteiger des K2 in Nepal, unter ihnen Nirmal Purja (Mitte)Bild: Niranjan Shrestha/AP Photo/picture alliance

Offenkundig waren im Lager 3 auf 7300 Metern, von wo aus die Bergsteiger ihren Gipfelvorstoß starten wollten, zu wenige Zelte deponiert. Auch an Flaschensauerstoff soll es dem Vernehmen nach gemangelt haben. In den wenigen Zelten drängten sich die Gipfelaspiranten, von Erholung konnte keine Rede sein. Statt am frühen Freitagmorgen nach oben aufzubrechen, stiegen die meisten wieder ab, darunter auch Tamara Lunger.

Sie kehrten nicht zurück

Nur vier Bergsteiger machten sich auf den Weg Richtung Gipfel: der Pakistaner Muhammad Ali Sadpara, sein Sohn Sajid, John Snorri Sigurjonsson, ein sechsfacher Familienvater aus Island - und Juan Pablo Mohr. Mit dem Chilenen, der bereits fünf Achttausender ohne Atemmaske bestiegen hatte, hatte eigentlich Tamara Lunger aufsteigen wollen.

Der 22 Jahre alte Sajid Ali Sadpara kehrte schließlich um, weil er sich nicht wohl fühlte und sein Sauerstoffgerät nicht richtig funktionierte. In Lager 3 wollte er auf seinen Vater und die beiden anderen Bergsteiger warten. Zuletzt sah er das Trio auf einer Höhe von 8200 Metern. Die drei Bergsteiger trugen nach Sajids Worten kein funktionierendes Funkgerät oder Satellitentelefon bei sich. Wahrscheinlich hatten die Akkus bei den Temperaturen von minus 40 Grad und kälter den Geist aufgegeben.

Pakistan der Bergsteiger Ali Sadpara nach der besteigung des Nanga Parbat
Muhammad Ali Sadpara gehörte 2016 zu den Wintererstbesteigern des Nanga ParbatBild: Marianna Zanatta Sports Marketing Management/AFP

20 Stunden lang wartete Sajid Ali Sadpara vergeblich auf die Rückkehr seiner Gefährten, ehe er sich von Chhang Dawa Sherpa, dem Expeditionsleiter von Seven Summit Treks, zum Abstieg überreden ließ. In den vergangenen anderthalb Wochen flogen Rettungshubschrauber der pakistanischen Armee mehrfach die Bergflanken des K2 ab. Auch Satelliten- und Infrarottechnik wurden eingesetzt. Doch stets hieß es hinterher: "Keine Spur von den Vermissten". Schlechte Sicht und starke Höhenwinde erschwerten zeitweise die Suche.

Dass sie überhaupt noch fortgesetzt wurde, dürfte vor allem daran liegen, dass Muhammad Ali Sadpara zu den Vermissten gehört. Der 45-Jährige ist mit acht bestiegenen Achttausendern der erfolgreichste Höhenbergsteiger Pakistans. 2016 gehörte er zu dem internationalen Trio, dem die erste Winterbesteigung des Nanga Parbat gelang. Erst kürzlich hatte die pakistanische Regierung angekündigt, Ali Sadpara finanziell zu unterstützen, damit er auch die restlichen sechs Achttausender besteigen könne. "Ich bin sicher, dass er den Gipfel erreicht hat", sagte sein Sohn Sajid, "und dass ihm auf dem Rückweg ein Unglück passiert ist." Möglicherweise wird er niemals erfahren, was genau seinem Vater zugestoßen ist.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter