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Berlin erlaubt Beschneidungen

5. September 2012

Religiös motivierte Beschneidungen bleiben in Berlin unter strengen rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen straffrei. Der zuständige Chefarzt des Berliner Jüdischen Krankenhauses zeigte sich zufrieden und dankbar.

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Beschneidungsbesteck, ein Messer und ein Vorhautschutz, liegen in den Räumen der Israelitischen Kultusgemeinde in Hof (Oberfranken) auf einem hebräischen Alten Testament (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ermöglicht wird dies durch eine Übergangsregelung, die Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) am Mittwoch vorstellte. Nicht strafbar sind religiöse Beschneidungen demnach, wenn beide Elternteile oder Sorgeberechtigte schriftlich eingewilligt haben. Zuvor müssen sie über die gesundheitlichen Risiken aufgeklärt werden. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Eltern die religiöse Motivation und Notwendigkeit einer Beschneidung nachweisen, die vor der Religionsmündigkeit des Kindes stattfindet. Dies kann durch einen Passus in der Einwilligungserklärung oder mit Hilfe eines Vordrucks einer Religionsgemeinschaft erfolgen.

Zudem muss nach medizinischen Standards beschnitten werden, vor allem in steriler Umgebung, mit größtmöglicher Schmerzfreiheit und blutstillender Versorgung. Zwar heißt es in der der Berliner Regelung, dass der Eingriff nach jetzigem Stand nur durch einen approbierten Arzt oder eine approbierte Ärztin durchgeführt werden könne. Senator Heilmann betonte jedoch vor der Presse, dass eine Beschneidung auch zu Hause, in der Synagoge oder der Moschee möglich sei, wenn die medizinischen Standards eingehalten würden. Religiöse Beschneider dürfen aber nicht mehr tätig werden. Fehle eine der Voraussetzungen, müsse die Strafbarkeit durch die Justiz geprüft werden.

Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (Foto: dpa)
Brachte Übergangsregelung auf den Weg: Justizsenator Thomas HeilmannBild: picture-alliance/dpa

Ende der Unsicherheit

Die kulante Regelung sei ein klares Signal, dass "wir muslimisches und jüdisches Leben in dieser Stadt wollen", so der Justizsenator. Die schnelle Regelung auf Landesebene sei erfolgt, weil das Thema wegen der hohen Zahl der Beschneidungen in Berlin besonders relevant erscheine. Sie gelte übergangsweise bis zur geplanten bundesweiten juristischen Klärung. Sie solle die Unsicherheit bei Juden und Muslimen beenden, die das Beschneidungsurteil des Kölner Landgerichts ausgelöst habe.

Das Gericht hatte Ende Juni die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen als strafbaren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes gewertet. Das erste Urteil dieser Art ist eine Einzelfallentscheidung und nicht bindend für andere Gerichte. Dennoch hatte es bei Juden und Muslimen einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

In Baden-Württemberg hatten die beiden Generalstaatsanwaltschaften in Stuttgart und Karlsruhe bereits Ende Juli erklärt, Beschneidungen bis zum Vorliegen einer gesetzlichen Regelung nicht strafrechtlich zu verfolgen. Das bayerische Justizministerium erklärte dagegen, man halte eine landesspezifische Regelung für unnötig. Vielmehr müsse in dieser Frage der Bund für Rechtssicherheit sorgen.

Resignation

Mit einer sehr persönlichen Erklärung meldete sich die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland zu Wort. In einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" kritisierte Charlotte Knobloch die Beschneidungsdebatte. Damit würde die "ohnehin verschwindend kleine jüdische Existenz in Deutschland in Frage gestellt". Die Beschneidung sei "Kern der jüdischen Identität."

Frau vor der Neuen Synagoge Berlin (Foto: ap)
Droht hier bald Leerstand: Neue Synagoge BelinBild: Franka Bruns/AP/dapd

"Ich frage mich ernsthaft, ob dieses Land uns noch will", schreibt die Präsidentin der israelitischen Gemeinde München. Seit sechs Jahrzehnten müsse sie sich rechtfertigen, weil sie in Deutschland geblieben sei. Diese Last habe sie "immer gerne getragen, weil ich der festen Überzeugung war, dass es dieses Land und seine Menschen verdient haben." Erstmal gerieten nun ihre Grundfesten ins Wanken. Erstmals spüre sie Resignation in sich. Knobloch forderte Respekt und ein Mindestmaß an Empathie. "Das sollte doch drin sein für die Juden in Deutschland."

gmf/fab ( afp, dapd, dpa, epd, kna)