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Westerwelle in Belgrad und Pristina

Dragoslav Dedović21. Mai 2013

Bei seinem Besuch in Belgrad und Pristina wollte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle die Umsetzung des Abkommens über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo unterstützen.

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Bundesaußenminister Westerwelle in Belgrad, 19. Mai 2013 (EPA/KOCA SULEJMANOVIC)
Bild: picture-alliance/dpa

Bereits im Vorfeld des Besuches hatte sich der Präsident Serbiens, Tomislav Nikolić, in einem TV-Interview geäußert. Er warnte vor den eventuellen Erwartungen Berlins, dass Belgrad die Unabhängigkeit des Kosovos anerkennen solle, und er nannte den Besuch aus Deutschland eine "Herausforderung". "Deutschland soll begreifen, dass es nichts nutzt, uns dazu zu zwingen, uns unsere Venen durchzuschneiden oder uns umzubringen. Wir geben das Kosovo nicht her", so Nikolić.

Es waren scharfe Worte des Präsidenten, die aber vor allem für die einheimische Öffentlichkeit gedacht waren. Der deutsche Außenminister wollte dies nicht kommentieren. Für die Umsetzung des für Serbien innenpolitisch heiklen Abkommens ist aber ein anderer serbischer Politiker entscheidend: der stellvertretende Regierungschef Aleksandar Vučić. Der starke Mann Serbiens versteht sich gut mit Westerwelle. Er sagte vor zahlreichen Medienvertretern, dass er von den deutschen Freunden nicht nur Unterstützung für Serbiens Weg in die EU, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes erwarte.

Zuversichtlich zeigte sich auch der Ministerpräsident Ivica Dačić. Während der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem deutschen Außenminister am Montag (20.05.2013) sagte er, der Besuch aus Deutschland sei eine Ermutigung für Serbien. Er betonte auch, dass die deutsch-serbischen Beziehungen paradox seien: Deutschland sei einerseits der wichtigste Handelspartner Serbiens, das wichtigste Geberland bei der Entwicklungshilfe und bedeutender Investor, gleichzeitig habe es auf der politischen Ebene oft "Funkstörungen" zwischen beiden Länder gegeben.

Westerwelle zu Besuch beim serbischen Premierminister Ivica Dačić in Belgrad (Foto: EPA/KOCA SULEJMANOVIC)
Eine paradoxe Beziehung: Westerwelle und Dačić in BelgradBild: picture-alliance/dpa

Die Umsetzung der Vereinbarung ist nicht gesichert

Westerwelle bezeichnete in Belgrad das vor einem Monat erzielte Abkommen zwischen Pristina und Belgrad als "historisch". Historisch ist in der Tat, dass die ehemaligen Kriegsgegner durch Vermittlung der EU am Ende doch noch zueinander fanden. In Brüssel verhandelten die nun demokratisch legitimierten Regierungschefs Ivica Dačić, der einstige Parteisprecher des serbischen autoritären Herrschers Slobodan Milošević, und Hashim Thaci, ein kosovo-albanischer Ex-Guerilla-Kämpfer, der einst gegen Milošević in den Krieg gezogen war. Nach monatelangem Tauziehen erzielten sie eine Einigung um die Rolle der serbischen Minderheit in Kosovo und vereinbarten eine schrittweise Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dessen ehemaliger Provinz Kosovo.

Dabei handelten Belgrad und Pristina nicht etwa aus freien Stücken oder aus der Einsicht heraus, dass sie die bilateralen Beziehungen verbessern müssen - vielmehr ging es um einen "Deal": Belgrad will vor allem einen verbindlichen Termin für den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der EU, während das Kosovo die Visafreiheit sowie ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen mit Brüssel erreichen möchte.

Zähneknirschen auf beiden Seiten

Dabei hatte Belgrad innenpolitisch größere Widerstände zu überwinden. Denn die Bevölkerung im Norden des Kosovos weigert sich beharrlich, das Abkommen zu akzeptieren. Sie befürchten, institutionell aus Serbien ausgegliedert und dem ehemaligen Feind ausgeliefert zu werden. Belgrad versucht bei ihnen Überzeugungsarbeit zu leisten, möchte aber zugleich sicher stellen, dass die Serben im Kosovo als serbische Staatsbürger bei den Kommunalwahlen im Herbst wählen können. Die radikal-nationalistische Opposition und Teile der serbisch-orthodoxe Kirche machen bereits Stimmung gegen das Abkommen. Von "Verrat" ist die Rede.

Andererseits steht auch der kosovarische Ministerpräsident Thaci unter innenpolitischem Druck. Er soll Beweise liefern, dass der von Serben bewohnte Norden Kosovos mit dem Abkommen tatsächlich Schritt für Schritt institutionell an Pristina gebunden wird. Der im Brüsseler Abkommen vereinbarte "Preis" dafür - eine weitreichende Autonomie der Serben - geht einigen albanischen Nationalisten zu weit. Deshalb drängt Thaci auf die schnelle Entmachtung der alten, von Belgrad kontrollierten und finanzierten Machtstrukturen im serbisch dominierten Norden Kosovos. Das wiederum geht der Regierung in Belgrad zu weit. Eine Neugestaltung der Institutionen im Norden des Kosovo soll am Ende des Prozesses stehen und nicht an dessen Anfang, so die Intention Belgrads.

Westerwelle und Thaci in Pristina, 20.5.2013 (Foto: Bekim Shehu, DW)
Berlin erwartet konkrete Fortschritte: Westerwelle und Thaci in PristinaBild: DW

Was ist wichtig für Berlin?

Berlin erwartet von beiden Seiten eine konkrete Umsetzung, substanzielle Fortschritte und Kompromissbereitschaft. Ansonsten gibt es für beide Seiten keine Garantie, dass die Abstimmung im Bundestag Ende Juni positiv für sie ausgeht. Das deutsche Parlament wird sich dann mit den Anliegen Serbiens und Kosovos hinsichtlich ihrer EU-Annäherung befassen.

Der Streit um die Agenda der Umsetzung des Brüsseler Abkommens, unterschiedliche Interpretationen und Misstrauen bestimmen weiterhin das Verhältnis zwischen Belgrad und Pristina. Lediglich serbische und kosovarische Diplomaten aus der zweiten Reihe verhandelten in den vergangenen Wochen in Brüssel über die Details der Umsetzung. Doch schon in dieser Woche sollen die Ministerpräsidenten aus Belgrad und Pristina wieder nach Brüssel fahren - und endlich die Agenda der Umsetzung definieren, damit das "historische Abkommen“ eine tatsächliche Chance erhält.